Wenn sogar Ottmar Hitzfeld darüber spricht, steht wirklich Grosses bevor! Der 76-Jährige hat sich grundsätzlich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, gibt kaum noch Interviews. Und wenn, dann nur bei absoluten Herzensangelegenheiten. Nun scheint auch die deutsch-schweizerische Trainerlegende elektrisiert vom innerdeutschen Duell in den Champions-League-Achtelfinals: Bayern München gegen Bayer Leverkusen.
«Die Tagesform wird entscheiden, auch wenn das platt klingt. Wir können uns auf jeden Fall auf zwei Weltklasse-Teams freuen, obwohl ich mich schon geärgert habe, dass sie schon im Achtelfinale aufeinandertreffen», sagt Hitzfeld im Gespräch mit der «Bild»-Zeitung – und weiter: «Der FC Bayern hat den grösseren Druck und deutlich mehr zu verlieren, weil das Finale in München stattfindet.»
Ebenfalls bemerkenswert: Hitzfeld wird in der Folge nicht gefragt, ob er Jamal Musiala oder Florian Wirtz für den besseren Fussballer halte. In Deutschland hat der Vergleich der Offensivjuwelen mittlerweile ja fast religiöse Züge angenommen, wie weltweit die ewige Frage «Messi oder Ronaldo?».
Ausgerechnet Bayerns langjähriger Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge sagte, er halte Wirtz für den Besten. Nicht Musiala, den die Bayern mit der Vertragsverlängerung kürzlich zum teuersten Spieler der Klubgeschichte machten. «Ein Schlag ins Gesicht für Musiala» seien Rummenigges Aussagen, heisst es in Deutschland – nicht ganz zu Unrecht.
Aber zurück zu Hitzfeld – und zur Frage, die ihm stattdessen gestellt wurde. Sind Sie stolz auf jene Entscheidung im Juni 2011?
Rückblick: Damals ist Hitzfeld Schweizer Nationaltrainer, ihm sind soeben die Sturmlegenden Alex Frei und Marco Streller davongelaufen. Und jetzt braucht die Nati neue Gesichter. Hitzfeld bietet für das EM-Qualispiel in England einen 18-jährigen Emporkömmling vom FC Basel auf, Granit Xhaka – und fragt ihn am Vorabend des Spiels im Wembley-Stadion: «Traust du dir das zu?» Xhakas Antwort: «Sicher, dafür bin ich da.»
Vierzehn Jahre später sagt Hitzfeld über Xhaka: «Er war schon immer ein Anführer und einer der besten Mittelfeldspieler der Welt, in Leverkusen hat sich Granit sogar noch mal verbessert. Er ist ganz klar der Kopf der Mannschaft. Seine Spielintelligenz und seine Passsicherheit sind aussergewöhnlich.»
Bei Hitzfeld geniesst Xhaka seit eh und je einen enormen Stellenwert. In Deutschland weht ihm die grosse Anerkennung seit letzter Saison entgegen, an deren Ende Leverkusen unter seiner Mittelfeld-Regie erstmals den Meistertitel holte.
Sinnbildlich dafür: Dass die «Bild»-Zeitung mit der deutschen Lichtgestalt Hitzfeld über Xhaka statt über Musiala und Wirtz spricht. Ebenso das Urteil vom deutschen Chef-TV-Schimpfer Didi Hamann, der gerne auch dort den Finger in die Wunde legt, wo keine Wunde ist. Über Xhaka sagt Hamann anerkennend: «Was er in den letzten achtzehn Monaten spielt, ist einfach Weltklasse.»
Hamann gehört auch zu den Stimmen, gemäss denen die Bayern und Borussia Dortmund geschlafen hätten, als sich vor zwei Jahren Xhakas Abschied von Arsenal London abzeichnete. Vor allem weil die Sechserposition bei den zwei Bundesliga-Schwergewichten schon länger eine Problemzone ist. Thomas Helmer, Ex-Bayern-Profi und Europameister von 1996, findet: «Wenn man einen Sechser sucht, muss man eigentlich auf seinen Namen kommen.»
Die Gunst der Stunde erkannte damals Leverkusen, auf Wunsch von Trainer Xabi Alonso, der Xhaka als fehlendes Puzzlestück beim Bau eines Meisterteams ausgemacht hatte. Rund 25 Millionen Franken hat Bayer für Xhaka hingeblättert – ein Schnäppchen verglichen mit den Summen, die für schlechtere Spieler ausgegeben werden.
Zögerten Bayern und Dortmund damals, weil Xhaka bereits eine drei vorne im Alter stehen hatte? Falls dem so war: Sie dürften es mittlerweile schwer bereuen. Ja, Xhaka wird im September 33, aber anmerken lässt er sich davon gar nichts. «Ich bin wahrscheinlich so fit wie noch nie», sagte er nach seinem erneuten Gala-Auftritt am Wochenende gegen Frankfurt (4:1). Die Vorlage zum wegweisenden 1:0 war bereits seine siebte in der laufenden Saison – der persönliche Bestwert aus der Saison 2022/23 ist zehn Spieltage vor Schluss eingestellt. Beachtlich auch: Xhaka spielt eigentlich immer. Im Kalenderjahr 2024 kamen weltweit nur sechs Spieler auf mehr Einsatzminuten, in der Bundesliga keiner.
Xhaka gehört zu der Sorte Spieler, die ihre Mannschaft besser machen. Ebenfalls den Anspruch auf dieses Gütesiegel hat Joshua Kimmich. Seine Qualitäten sind unbestritten, aber zu oft holt die Wirklichkeit den Bayern-Profi ein. Bestes Beispiel dafür: Der deutsche Bundestrainer Julian Nagelsmann hat Kimmich zwar zum Kapitän ernannt, aber stellt ihn statt im Zentrum als Rechtsverteidiger auf. Das würde Nagelsmann nicht tun, wäre er der festen Überzeugung, Kimmich würde vor der Abwehr mehr bringen als ein Angelo Stiller, Robert Andrich oder Pascal Gross.
Kimmich hat sich schon mehrfach über mangelnde Wertschätzung beklagt. Dies dürfte letztlich auch der Grund sein, warum er nicht auf das seit Monaten vorliegende Angebot der Bayern zur Vertragsverlängerung reagiert hat. Nun ist die Situation eskaliert: Sportchef Max Eberl hat das Angebot zurückgezogen und öffentlich klargestellt: «Niemand ist grösser als der Verein!»
Eberl war es, der Xhaka 2012 vom FC Basel zu Borussia Mönchengladbach holte. Und Eberl wird sicher an Xhaka denken, sollte Kimmichs Platz im Bayern-Mittelfeld im Sommer tatsächlich frei werden. Umso mehr, wenn Xhaka auch im Champions-League-Duell zwischen Bayer und Bayern auftritt wie gewohnt: überragend! (aargauerzeitung.ch)
Ich freue mich für ihn, dass er allen Widerwärtigkeiten (Neid der erfolglosen Eidgenossen) getrotzt hat und stur seinen sehr erfolgreichen Weg gegangen ist.
Schade ist die Generation der wirklich hungrigen Migranten von Exjugoslawien weg, da nur noch Mittelmass folgt.