Heiko Vogel sitzt am Samstagabend auf dem Podium im Medienraum des Basler St. Jakob-Parks. Zum ersten Mal tut er das nicht nur als Sportdirektor, sondern zusätzlich in seiner interimistischen Rolle als Trainer. Und Vogel ist an diesem Abend ein zufriedener Coach, der nicht wie sein entlassener Vorgänger Alex Frei Erklärungen für schwer Erklärbares finden muss wie das Phänomen der vielen Chancen und wenig Tore, wie das von Frei in den letzten Wochen immer wieder verlangt worden war, wenn der FC Basel ein Spiel trotz klarer Überlegenheit nicht gewonnen hatte. Vogel kann an diesem Abend von einem 3:1-Erfolg berichten, der gegen ein spielerisch limitiertes Sion trotz Rückstand nie in Gefahr gewesen schien.
Auch wenn er den Posten nicht gesucht hat, spricht Vogel in diesem Moment lieber in der Rolle des Trainers. Hat er den Hut des Sportdirektors auf, werden die Fragen unangenehmer und kritischer, schliesslich musste er mit Alex Frei einen alten Weggefährten entlassen, dem er nicht nur stets das Vertrauen ausgesprochen hatte, sondern der im Prozess involviert gewesen war, dass die Rückkehr Vogels nach Basel überhaupt zustande kam.
Es ist eine kritische Phase, die der FCB derzeit durchlebt mit Unruhen und Unstimmigkeiten auf verschiedenen Ebenen. Diese kann auch ein Sieg gegen Sion nicht wegwischen. In einer Meisterschaft, in der Rang 2 und das Tabellenende nur durch neun Punkte getrennt sind, erst recht nicht. Meist bietet da der Europacup eine willkommene Abwechslung. Dieses Mal wäre den Vertretern des FCB jedoch lieber, sie könnten zuhause bleiben und sich auf die nächste Aufgabe in der Super League vorbereiten.
Vogel atmet tief durch, als er auf das Auswärtsspiel gegen Trabzonspor angesprochen wird, das die Basler am Donnerstag (18.45 Uhr) nach Trabzon an die Küste des Schwarzen Meeres in die Türkei führen wird. Gegen den Meister und aktuell Sechstplatzierten der türkischen Süper Lig steht das Hinspiel der Sechzehntelfinals in der Conference League an, und eigentlich ist der dritthöchste europäische Klub-Wettbewerb ein wichtiger Fixpunkt in der Saison, verspricht er doch Einnahmen, die das arg gebeutelte Budget der Basler entlasten könnten.
Doch seit den verheerenden Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet, die seit Montag vor einer Woche über 40'000 Menschen das Leben gekostet haben, ist die Welt nicht mehr dieselbe und Fussball «ganz, ganz nebensächlich», wie es Vogel formuliert. Der Deutsche verhehlt nicht, wie sehr ihn die Naturkatastrophe zuletzt beschäftigt hat. «Wir diskutieren über Niederlagen und Siege, aber manchmal ist man ohnmächtig, wenn man so viel Leid sieht.» Der 47-Jährige findet es «pietätlos», dass die Partie überhaupt ausgetragen werden muss, zumal der Meisterschaftsbetrieb in der Türkei bis mindestens 2. März ruht. Vogel sagt: «Für mich ist Fussball eben nicht nur Business, sondern manchmal ein bisschen weniger.»
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— FC Basel 1893 (@FCBasel1893) February 15, 2023
In Momenten wie diesen ist der Fussball nebensächlich. Auf unserer Reise sind wir in Gedanken bei den Opfern der Erdbeben und posten darum ausschliesslich in 🖤🤍#FCBasel1893 #MirSinBasel #UECL #rotblaulive pic.twitter.com/GWb0M8jh6M
Der FCB hat Hilfsgüter ins Erdbebengebiet geschickt, und die Ticketeinnahmen der Partie gegen Trabzonspor sollen mithilfe der türkischen Katastrophenschutzbehörde vollumfänglich den Opfern der Erdbeben zugutekommen. Da Trabzonspor und andere türkische Vereine einen Aufruf starteten, Fans sollen diese Partie doch «unabhängig von Farbe und Wappen» besuchen, ist das rund 40'000 Personen fassende Stadion ausverkauft, und es werden «Souvenir»-Tickets verkauft.
(nih/sda)