Heute um 12 Uhr (MESZ) ist es so weit: Die ukrainische Premier-Liga nimmt nach acht Monaten Pause ihren Betrieb wieder auf. Am heutigen 23. August, dem Tag vor dem Nationalfeiertag der Ukraine, welcher die Unabhängigkeit des Landes von der Sowjetunion vor 31 Jahren markiert, eröffnet die Partie zwischen Schachtar Donezk und dem FC Metalist Charkiw die neue Saison.
Igor Jovicevic, der neue Trainer von Schachtar, sagte im Hinblick auf den Wiederbeginn der ukrainischen Liga: «Die Mannschaft auf ein Spiel in Zeiten des Krieges vorzubereiten, ist natürlich schwer. Das ist eine vollkommen ungewöhnliche Situation. Wir wollen vor allem zeigen, dass das Leben weitergeht. Für uns ist es auch schwer, wir sind auch Menschen. Doch wir wollen den Fans Freude bereiten.»
Mit der Wiederaufnahme des Profifussballs soll also ein Stück Normalität in der Ukraine zurückkehren. Natürlich gibt es auch für Schachtar-Fans «Wichtigeres als Fussball». Doch wie der ukrainische Sportminister Wadym Gutzeit zuletzt über Facebook verlauten liess, ist der «ukrainische Sport und der Wille, an allen Fronten zu gewinnen, nicht aufzuhalten!».
16 Klubs treten in der Premier-Liga in dieser Saison an. Viele Teams müssen in andere Stadien ausweichen. Schachtar Donezk wird seine Heimspiele beispielsweise in Lwiw austragen und Zorya Luhansk gastiert in der Arena von Dynamo Kiew. Das Duell zwischen den beiden Aufsteigern Tschornomorez Odessa und Veres Rivne findet am ersten Spieltag im Bannikov-Stadion in Kiew statt. Allgemein finden nur Spiele im Westen des Landes und der Hauptstadt Kiew statt.
Dabei dürfen sich die Klubs, welche in ein anderes Stadion ausweichen, noch glücklich schätzen. Einige Vereine können aufgrund des Krieges gar nicht am Ligabetrieb teilnehmen. Desna Tschernihiw und der FK Mariupol verzichten auf die Teilnahme an der neuen Saison, da die jeweiligen Städte vom russischen Militär schwer verwüstet wurden. Dabei ist die Zukunft des FK Mariupol besonders unsicher. Die Heimspielstätte des Klubs wurde zerstört und rund 20'000 Einwohner fielen dem Krieg zum Opfer.
Im Vorfeld auf die neue Meisterschaft gab es viele Spekulationen darüber, ob die Premier-Liga nicht zumindest teilweise in Polen oder in einem anderen osteuropäischen Land ausgetragen wird. Gesprochen wurde über viele Szenarien, doch der grosse Wunsch, in der Ukraine zu spielen, kam persönlich von Präsident Wolodymyr Selenskyj.
🧡 День матчу! 🇺🇦 Українська Прем'єр-ліга повертається після 255 днів! ⚒
— ⚒FC SHAKHTAR DONETSK (@FCShakhtar) August 23, 2022
⚽️ #ШахтарМеталіст1925
🏆 Прем’єр-ліга, 1-й тур
⏰ 13:00
📍 НСК «Олімпійський»
📺 Setanta Sports#Shakhtar pic.twitter.com/hruZjkYIcx
«Ich habe mit Selenskyj darüber gesprochen, dass es wichtig ist, die Menschen mit Fussball abzulenken. Die Austragung der Liga im Ausland wäre künstlich gewesen», betonte der ukrainische Verbandspräsident Andrij Pawelko und sprach von einem «einzigartigen Wettbewerb». Damit dürfte er den Nagel auf den Kopf getroffen haben, denn kaum ein Ort in der Ukraine blieb von den Angriffen der Russen verschont.
Vor knapp zehn Jahren war die Ukraine noch schillernder Co-Gastgeber der Europameisterschaft. Damals bestritt der spätere Europameister Spanien sein Viertelfinal gegen die Franzosen in der Donbas-Arena in Donezk. Aktuell steht das hochmoderne Stadion, in welchem sogar die Sitzplätze der Zuschauer beheizt wurden, leer, da es mehrfach durch den Krieg beschädigt wurde.
Sportlich schlimmer als das Verlassen des eigenen Stadions wiegen die zahlreichen Abgänge, die Schachtar aufgrund der Sonderregelung der FIFA für Spieler im Kriegsgebiet eingeführt hat. Die FIFA hat es Spielern in Russland und der Ukraine ermöglicht, ihren Vertrag einseitig auszusetzen. Die Topspieler wie David Neres oder Dodo verliessen den Klub für Ablösen unter Marktwertniveau, Flügelspieler Tete ging zunächst auf Leihbasis zu Olympique Lyon.
Damit fehlen dem Verein wichtige Stützen im Kampf um die Meisterschaft. Aktuell befindet sich Donezk deshalb in einem Rechtsstreit mit der FIFA, von welcher die Ukrainer Schadenersatz für die Abgänge der Spieler fordern. Denn wie Donezks Geschäftsführer Sergei Palkin gegenüber «The Athletic» berichtete, war er sich mit dem FC Fulham über den Transfer von Angreifer Manor Solomon über 7,5 Millionen Euro schon einig. Doch dann änderte die FIFA die Regel, woraufhin Solomon ablösefrei zu den Londonern gewechselt sein soll. Ligakrösus Dynamo Kiew blieb im Gegensatz zum letzten Sieger des UEFA-Cups von Abgängen verschont.
Um den aktuell geltenden Sicherheitsmassnahmen während des Krieges zu entsprechen, werden die Spiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgetragen. Zudem wurde in jedem Stadion ein Luftschutzbunker eingerichtet, in welchem die Spieler, der Staff und die Schiedsrichter im Falle eines russischen Raketenangriffes während eines Spiels Schutz finden können.
Schachtar-Spieler Taras Stepaneko kümmert das derzeit nicht gross. Er hat lediglich Bedenken, dass er aus dem Rhythmus kommen könnte, sollte er tatsächlich wegen Raketenangriffen in den Bunker müssen. «Es wird schwer, wenn es länger als eine Stunde dauert. Vielleicht sollten sie ein paar Trainingsfahrräder für uns aufstellen.»