Reden auf Knopfdruck: Warum Benjamin Huggel nur spricht, wenn Sascha Ruefer es will
Für viele Nati-Fans ist Sascha Ruefer, 53, fast so wichtig wie die Spieler auf dem Rasen und der Trainer daneben. Was er am Bildschirm sagt, wird im ganzen Land diskutiert. Seit 2009 kommentiert Ruefer die Nati-Spiele. Neu ist seit diesem Jahr aber: Während des Spiels ist nicht nur Ruefer zu hören. Sondern auch Benjamin Huggel.
Huggel, 48, ist langjähriger Experte fürs Schweizer Fernsehen rund um das Nationalteam. Als ehemaliger Nati-Spieler mit 41 Länderspielen erklärt er jene Dinge, die Nicht-Fussball-Expertinnen und Experten auf den ersten Blick übersehen. Neu tut Huggel das seit diesem Jahr bereits live während der Spiele – nicht nur vorher, in der Pause und danach.
Spannend wird es insbesondere dann, wenn sich Ruefer und Huggel über eine ganz konkrete Situation nicht einig sind. So wie am letzten Freitag, als die Schweiz in Schweden einen Penalty erhält. Foul oder nicht? Diese Frage stellen sich vor den TV-Bildschirmen alle. In so einer Situation einer Diskussion statt nur einer Einschätzung zu lauschen, ist ein Mehrwert.
Wann darf Huggel reden? Das entscheidet alleine Ruefer
Eine Frage umtreibt die TV-Zuschauer jedoch: Wann darf Huggel überhaupt reden? Seine Redezeit ist hörbar limitiert. Pikant: Es ist sogar Ruefer selbst, der entscheidet, wann sich Huggel einschalten darf. Warum ist das so? Huggels Rolle ist weiterhin klar definiert als «Experte» – und nicht als «Co-Kommentator». Das bedeutet: Ruefer hält die Fäden in den Händen. Und greift bei Bedarf auf Huggels Expertise zurück. Huggel ist so lange stummgeschaltet, bis Ruefer auf den Knopf drückt.
Huggel selbst sagte letzte Woche im Interview mit CH Media dazu: «Ich musste schmunzeln, als ich kürzlich in einer Kommentarspalte gelesen habe: Das ist nun mal nicht meine Aufgabe. Die Hoheit, wann ich zugeschaltet werde, liegt bei Sascha. Ansonsten bleibt mein Mikrofon stumm, was wegen meinen Emotionen vielleicht besser für alle ist.» Die Kommunikation zwischen Ruefer und Huggel während des Spiels findet auch mittels Handzeichen und kleinen Notizen statt. So gibt Huggel Ruefer zu verstehen, wenn er sich einschalten möchte.
Die Unterschiede zum Duo Stettler/Rinast bei den Nati-Frauen
Interessant ist: Beim Nationalteam der Frauen verfolgt SRF eine andere Strategie. Calvin Stettler und Rachel Rinast – auch sie Ex-Nationalspielerin – kommentieren die Spiele gemeinsam. Beide sind während der gesamten Spielzeit «on air». Sie kommentieren und diskutieren konsequent gemeinsam. Ihr Stil hat einen hohen Wiedererkennungswert, weil sie auch die Unterhaltung des Publikums als Teil der Aufgabe ansehen. Die beiden schaffen es, dem Publikum das Spiel auf eine Art und Weise nahezubringen, als würden sie selbst gemeinsam in der Wohnstube vor dem Fernseher sitzen und über das laufende Fussballspiel diskutieren.
Zurück zu Huggel. Er orientiert sich in seiner Rolle an Bastian Schweinsteiger. Der Weltmeister mit Deutschland von 2014 bringt seine Expertise bei ARD ein. Mit dem kleinen, aber durchaus entscheidenden Unterschied, dass Schweinsteiger über Leute verfügt, die ihm im Hintergrund zuarbeiten. Huggel ist bei SRF dagegen der Alleinunterhalter als Experte.
Auffallend ist überdies, dass Huggel das TV-Publikum neuerdings auch rund um die Spiele an Orte mitnimmt, die normalerweise verborgen sind. Beispiel: Kurz bevor die Akteure den Platz betreten, bespricht Huggel mit Moderator Paddy Kälin, wer warum als Letzter aus der Garderobe kommt und was kurz vor Anpfiff unter den Spielern besprochen wird. Es ist das Bemühen, das Publikum zu Hause möglichst nahe ans Geschehen zu bringen.
Wie sieht das Konzept bei der WM aus?
Die Zwischenbilanz: Huggels Analysen während des Spiels sind ein Gewinn. Was hingegen noch fehlt: etwas mehr Schärfe. Das muss nicht nur Kritik sein. Die Diskussionen zwischen Ruefer und Huggel dürfen noch zunehmen. Und auch eine Prise Unterhaltung und Humor mehr würde nicht schaden.
Was uns zur Überlegung bringt: Es wäre reizvoll, Rachel Rinast einmal als Co-Kommentatorin von Sascha Ruefer zu sehen. Warum nicht an der WM 2026?
Das sagt SRF
Daniel Bolliger ist Leiter Live bei SRF Sport. Er sagt auf Anfrage von CH Media: «Wir sind zufrieden mit den Neuerungen, inklusive den punktuellen Einschaltungen von SRF-Experte Benjamin Huggel. Im Zusammenspiel mit der Moderation vor Ort hat die Berichterstattung an Nähe gewonnen, was wir als Mehrwert für unser Publikum sehen.»
Zudem gewährt er einen Ausblick Richtung WM 2026. Ist es ein Thema, Sascha Ruefer einen fixen Co-Kommentator oder eine Co-Kommentatorin zur Seite zu stellen? Bolliger sagt: «Benjamin Huggel ist SRF-Fussball-Experte und primär für Einordnungen und Analysen in der Pause sowie vor und nach den Nati-Spielen zuständig. Zusätzlich schaltet er sich während den Partien punktuell in den Live-Kommentar ein, etwa bei speziellen Szenen oder für taktische Einschätzungen. Klassische Co-Kommentatoren sind derzeit nicht vorgesehen.» (riz/aargauerzeitung.ch)