Hat dich heute schon jemand für den Einsatz des richtigen Kurzbefehls bei Excel gelobt? Wurdest du online beleidigt, weil du beim Streichen einer Wand den Farbton um eine Nuance zu hell gewählt hast? Wahrscheinlich nicht.
Während die meisten Arbeitnehmer einen Job haben, bei dem sie nicht in der Öffentlichkeit stehen, ist bei Fussballreporterinnen und -reportern das Gegenteil der Fall. Sie sind die Verbindung zwischen den Teams auf dem Rasen und den TV-Zuschauenden.
Ob Sascha Ruefer bei den Männern oder nun Calvin Stettler und Rachel Rinast bei den Frauen – wer am Mikrofon sitzt, um Spiele des Nationalteams zu kommentieren, steht unter Beobachtung.
Und sie können es nie allen recht machen. Der einen Zuschauerin ist der Reporter zu nüchtern («So ein Langweiler!»), dem anderen Zuschauer ist die Reporterin zu emotional («Was hat die geraucht?!»).
Ein Dritter regt sich vor dem Fernseher immer noch über eine Verwechslung auf, die dem Reporter vor Jahren passiert ist («Er hat Xamax statt Ajax gesagt!»). Und wenn von einem abkippenden Sechser die Rede ist, ist das den einen zu abgehoben («Hat er etwa das Gefühl, er sei Pep Guardiola?») und den anderen zu ungenau («Eigentlich ist er ja mehr Achter als Sechser, aber das schnallt der wieder mal nicht»).
Bei den grossen Turnieren nimmt das alles noch grössere Ausmasse an. Denn wenn WM oder EM stattfinden, sind die Experten nicht mehr unter sich. Da zappen auch viele rein, die im Alltag einen Bogen um den Fussball machen.
Und dann kommt der Moment, in dem sich manche wundern: Warum kommentiert da eine Deutsche – und dann erst noch so emotional. Was erlaubt die sich eigentlich! Biedert die sich an?
Vielleicht an dieser Stelle nochmals der Hinweis: Rachel Rinast ist Doppelbürgerin und hat 48 Länderspiele für die Schweiz absolviert. Diese Erfahrung ist Teil von Rinasts Qualifikation für die Aufgabe.
Dass es während 90 Minuten plus Nachspielzeit zu Versprechern, Verhasplern und Verwechslungen kommen kann, ist praktisch unvermeidbar. Doch Tastaturkrieger kennen keine Gnade. Sie füllen Kommentarspalten damit, über die Reporter herzuziehen.
Wichtigste Grundregel: Stets betonen, dass man jetzt ganz sicher umschalte, egal ob zu den Deutschen, den Österreichern, den Welschen oder Tessinern. Manche loben die BBC für ihren sachlichen Ton, andere lieben den südamerikanischen Überschwang – doch beim Propheten im eigenen Land wird jedes Adjektiv auf die Goldwaage gelegt.
Alles, was bis jetzt geschrieben wurde, trifft auf jede und jeden zu, der Fussball kommentiert. Doch es gibt tatsächlich noch eine Steigerung: Frauenfussball.
Wer ihm kritisch gegenüber steht, der sieht darin den Versuch geldgieriger Funktionäre, im Pakt mit sämtlichen Medien ein Produkt zu pushen, auf das niemand gewartet hat. Und so spielt es manchmal gar keine Rolle, was jemand ins Mikrofon sagt oder wie sie es sagt. Es ist nur schon eine Frechheit, dass diese Partie im Fernsehen kommt und entsprechend ist das Reporter-Duo schon vor dem Anpfiff unten durch.
Nüchtern betrachtet ist die Kombination aus Kommentator Calvin Stettler und Co-Kommentatorin Rachel Rinast ein Erfolgsmodell. Der kompetente Stettler führt gedankenschnell und oft mit Wortwitz durch die Partie.
Rinast trägt das Herz auf der Zunge und steuert nebst taktischem Fachwissen viele Emotionen bei. Beim 1:0 gegen Island rutscht ihr gar ein «Fuck» aus dem Mund, was beim staatstragenden Fernsehen zweifellos nicht sein sollte, aber auch kein Weltuntergang ist.
Wer dem Duo nur wenige Minuten zuhört, der stellt vor allem fest: die beiden harmonieren hervorragend. Zwar sind auch einige faule Sprüche dabei, es wird gescherzt und gelacht. Doch wenn ein Spiel so mittelmässig ist wie Schweiz – Island während 75 Minuten, dann sagen das Stettler und Rinast auch klipp und klar. So wie das sein muss.
Nur: Nüchtern betrachtet werden Reporterinnen und Reporter fast nie. Es ist bei ihnen wie beim Koriander in der Küche – von vielen geliebt, von ebenso vielen verachtet.
Aber ist halt meine eigene Meinung, damit haben mancherlei Mitmenschen aus Prinzip ein Problem, grade wenns nicht die ihre ist welche mal im Vordergrund steht.