Seit 1992/93 gibt es die englische Premier League in ihrer jetzigen Form. Dabei sind acht verschiedene Trainer Meister geworden. Das erstaunliche dabei: Es ist noch keinem einzigen Engländer gelungen, eine Mannschaft als Trainer zur Meisterschaft zu führen.
Derzeit stehen bei lediglich fünf Premier-League-Teams einheimische Trainer an der Seitenlinie – allesamt bei kleinen Klubs, keine dieser Mannschaften liegt in den Top 8 der Tabelle.
In der zweiten englischen Liga, der Championship, sind es dann schon 16 von 25 Teams, die auf Trainer aus England setzen. Immerhin.
Wo sind nur die guten englischen Trainer heute? Zwischen 1977 und 1982 gewann sechsmal in Folge ein englischer Trainer den Europapokal der Landesmeister (heute Champions League).
Mit dem Triumph von Liverpool unter der Leitung von Joe Fagan 1984 endete aber die englische Trainer-Herrlichkeit im Europapokal. Es war der bisher letzte Sieg eines englischen Trainers im wichtigsten europäischen Klub-Wettbewerb.
Heute wartet man in England vergebens auf den nächsten grossen Taktikfuchs. Und wenn dann mal ein Ex-Spieler wie Gary Neville auftaucht (2015/16 für 28 Spiele erfolglos bei Valencia), ist er schneller wieder weg, als er gekommen ist.
Die anderen grossen Fussballnationen Europas bringen hingegen regelmässig erfolgreiche Trainer einer neuen Generation raus: Allegri, Conte, Montella (Italien) Tuchel, Nagelsmann, Klopp (Deutschland) Guardiola, Enrique, Emery (Spanien) oder Deschamps, Blanc und Zidane (Frankreich) sind nur einige Beispiele dafür.
Die Topteams der Premier League vertrauen ausnahmslos auf Trainer aus dem Ausland. Das Geld dazu ist überall vorhanden und – wie bei den Spielern – sind die Engländer deshalb auch bei den «Managern» nicht auf den eigenen Nachwuchs angewiesen.
In England wurde in der Vergangenheit nur wenig Geld für Basisarbeit ausgegeben. Weshalb auch in eine mühsame eigene Ausbildung setzen, wenn die besten ausländischen Trainer mit einem unverschämten Jahresgehalt auf die Insel gelockt werden können? Dazu kommt, dass drei Viertel der Premier-League-Clubs ausländische Besitzer haben. Deren Interesse an englischer Nachwuchsarbeit tendiert gegen Null.
Sean Dyche, Trainer von Premier-League-Klub Burnley, sagte gegenüber dem Fussballportal fourfourtwo: «Fans und Besitzer lechzen nach einem ausländischen Trainer. Das mindert natürlich die Chance für einheimische Coaches, es ist der Teufelskreis. Wie soll ein englischer Trainer beweisen, dass er gut ist, ohne eine Chance zu erhalten?»
Während in Ländern wie Spanien, Frankreich, Italien oder Deutschland die Trainerausbildung einen hohen Stellenwert einnimmt, ist England mindestens einen Schritt im Hintertreffen.
2012 wurde eine Studie zu Besitzern einer Trainerlizenz nach Massgabe der UEFA veröffentlicht: Damals besassen nur 2'769 Engländer diese Lizenz. In Frankreich gab es 17'588 ausgebildete Trainer, in Spanien waren es 23'995, in Italien 29'420 und in Deutschland 34'970.
Speziell die Misserfolge der Nationalmannschaft haben den englischen Verband aber zum Handeln gezwungen: 2012 wurde das 105 Millionen Pfund teure nationale Fussballcenter «St.George’s Park» eröffnet. Dort sollen neben Spielern und Schiedsrichtern vor allem auch Trainer ausgebildet werden.
Die Erfahrung aus anderen Projekten dieser Art zeigt allerdings, dass sich erste Erfolge für gewöhnlich nach frühestens zehn Jahren einstellen.
Ob man in England tatsächlich noch einige Jahre Geduld hat, mag bezweifelt werden. Die grossen Klubs werden wohl auch in Zukunft ab der Verlockung des ausländischen Personals schwach werden. Schwach wie die Premier League, dieses Unterhaltungskonstrukt, dass dank ausländischen Trainer immerhin eine gewisse taktische Reife bekommt.