Seit Tagen sorgt Juventus Turin in Italien für negative Schlagzeilen. Einerseits läuft es dem einstigen Serienmeister sportlich alles andere als rund, andererseits gibt's auch neben dem Platz derzeit Probleme.
So laufen gegen Juve derzeit Untersuchungen, die Vereinsbosse mussten zu einer Befragung antraben. Doch um was geht es hierbei genau? Und was riskiert Juve wegen dieser Ermittlungen? Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten.
Juve wird vorgeworfen, in den letzten Jahren immer wieder falsche Zahlen bei Transfers angegeben zu haben, um die Bilanz aufzupolieren. Vor allem Tauschgeschäfte werden nun genauer untersucht.
Prominentestes Beispiel ist ein Tausch-Deal mit dem FC Barcelona, als man den Brasilianer Arthur im Tausch für Miralem Pjanic verpflichtete und Barça zusätzlich 20 Millionen Euro überwies. Dabei wurde bei Pjanic ein Wert von 60 Millionen zugeschrieben, was bedeutete, dass Juve vier Jahre nach der Verpflichtung des Bosniers einen Gewinn von fast 30 Millionen machen konnte.
Solche Gewinne haben einen grossen Einfluss auf den Wert des Vereins und somit auch auf das Financial Fairplay. Wie die Nachrichtenagentur «ANSA» schreibt, soll Juve dadurch 282 Millionen mehr Gewinn in die Bilanz genommen haben, als man tatsächlich erwirtschaftet hat.
Insgesamt werden 42 Spielertransfers von Juventus genauer unter die Lupe genommen. Grosse Namen sind nur wenige darunter – neben dem Arthur-Deal wird von den heutigen Spielern der ersten Mannschaft nur noch der Tausch mit Manchester City zwischen Danilo und Joao Cancelo untersucht.
Vielmehr geht es um weitgehend unbekannte Spieler, welchen bei Tauschgeschäften ein überraschend hoher Wert zugeschrieben wurde. So tauschten etwa Juve und ManCity im Sommer 2020 die beiden Talente Pablo Moreno und Felix Correia und gaben beiden einen Wert von zehn Millionen, obwohl die beiden damals 18- und 19-jährigen Spieler davor nur für die Reservemannschaften gespielt hatten.
Zu den untersuchten Tauschgeschäften gehören zudem zwei mit Schweizer Teams. Einerseits der Deal mit dem FC Basel, als man Kaly Sène (heute bei GC) und Albian Hajdari einen Wert von etwa vier Millionen Euro zuschrieb, andererseits der Deal mit Lugano, bei welchem Kévin Monzialo und Christopher Lungoyi je zweieinhalb Millionen gekostet haben sollen.
In Italien taucht derzeit rund um die Ermittlungen auch immer wieder der Name Cristiano Ronaldo auf. So soll die Finanzpolizei den Auftrag gegeben haben, die Verträge des ehemaligen Juventus-Spielers ebenfalls genauer unter die Lupe zu nehmen. Warum genau, ist derzeit unklar – gegen Ronaldo selbst wird allerdings nicht ermittelt.
In Italien macht derzeit eine Aussage von Marco Donzelli die Runde. Donzelli ist Präsident des CODACONS, also der italienischen Verbraucherschutzorganisation. Dieser drohte Juventus in einem offiziellen Statement mit heftigen Konsequenzen.
Sollte sich Juventus auf unrechte Art einen Vorteil verschafft haben, müsse der Verband eingreifen und die Verantwortlichen bestrafen, so Donzelli, «deshalb würden wir beim Kartellamt und bei der Bundesanwaltschaft eine Beschwerde einreichen und fordern, dass Juve in die Serie B absteigen muss und die letzten Titel aberkannt werden.»
Ob der CODACONS damit durchkommen würde, darf allerdings angezweifelt werden. «Sky Sport» sieht vielmehr einen Verstoss gegen Artikel 31 des Reglements beim italienischen Verbandes, der sich auf irreführende und verheimlichte Informationen, auch im wirtschaftlichen Bereich, bezieht. Sollte sich ein solcher Verdacht bestätigen, würde Juve wohl mit einer saftigen Busse davonkommen. Ein Ausschluss ist laut Artikel 31 nur dann möglich, wenn die verheimlichten Informationen nötig gewesen wären, damit Juve in der Serie A teilnehmen durfte. Da dies nicht der Fall ist, wird es kaum so weit kommen.
Anwalt Cesare Di Cintio sagte gegenüber «tuttosport», er halte es für unrealistisch, dass Juventus tatsächlich bestraft wird. «Es ist extrem kompliziert, festzustellen, ob ein solcher Gewinn real ist oder nicht», so Di Cintio. «Il Post» erklärte die Schwierigkeit darin, dass es kompliziert sei, einem Fussballprofi einen Preis zuzuordnen, da die Spieler keinen logisch ableitbaren Wert haben. Folglich kann man nicht pauschal sagen, ein Spieler sei zu hoch gewertet worden.
Mittlerweile haben sich die «Bianconeri» in einem Statement zu den Untersuchungen geäussert. Dabei weist Juve jegliche Anschuldigungen, man habe betrogen, von sich.
Am Montag äusserte sich zudem auch Juve-Trainer Massimiliano Allegri zum Thema. Auf die Frage, wie man in der Mannschaft damit umgehe, antwortete er:
Vor einigen Jahren kam es in Italien tatsächlich schon zu einem ähnlichen Fall, wenn auch bei weitem nicht in dem Ausmass wie nun bei Juventus. So sollen zwischen 2015 und 2017 Chievo Verona und Cesena bei einigen Transfers untereinander falsche Gewinne angegeben haben.
Diese Transaktionen flogen auf, die Bundesanwaltschaft forderte 15 Punkte Abzug für Chievo. Am Ende entschied das Bundesberufungsgericht auf einen Abzug von drei Punkten. Bei Cesena erübrigte sich eine Strafe, da der Verein 2018 Konkurs ging.
2008 gab es zudem Ermittlungen gegen Inter und Milan, in deren Bilanzen es 2004 ebenfalls verdächtige Zahlen gegeben hatte. Die beiden Mailänder Grossklubs blieben allerdings unbestraft, da nicht bewiesen werden konnte, dass die Verantwortlichen die Zahlen absichtlich manipuliert hatten.
Juventus Turin ist derweil nicht das einzige Team, gegen welches derzeit ermittelt wird. So sind momentan auch weitere fünf Teams aus der Serie A betroffen: Genua, Sampdoria, Atalanta, Rom und Neapel.
Dabei schlägt vor allem auch der Fall Napoli relativ hohe Wellen: Wie die «Repubblica» schreibt, sollen die Süditaliener bei ihrem Rekordtransfer von Victor Osimhen ebenfalls auffällige Zahlen angegeben haben.
So sollen 20 der 71 Millionen Ablösesumme durch vier Spieler bezahlt worden sein, welche diesen Preis eigentlich nicht rechtfertigen: den dritten Goalie Orestis Karnezis sowie die drei Jungen Claudio Manzi, Ciro Palmieri und Luigi Liguori, welche heute mittlerweile alle wieder in der Serie C und Serie D spielen.