Achtelfinal-Rückspiel der Champions League, Benfica Lissabon spielt auswärts bei Ajax Amsterdam – und muss das Spiel gewinnen, um den Viertelfinal der Königsklasse zu erreichen. Es läuft die 77. Spielminute, als Darwin Nunez das entscheidende 1:0 in der Amsterdam-Arena erzielt. Dank ihm zieht Benfica in die Runde der letzten Acht der Champions League ein. Es ist das bisher grösste Spiel in der Karriere des 22-jährigen Uguguayers, sein herausragendster Moment.
Von solchen Erlebnissen konnte Nunez in seiner Kindheit nur träumen. Gross geworden ist der 22-Jährige in der uruguayischen Kleinstadt Artigas. Zusammen mit seinen Eltern und Bruder Junior wächst er dort in völliger Armut auf. Während sein Vater als Bauarbeiter beschäftigt ist, versucht die Mutter die Familie durch das Sammeln von Flaschen über Wasser zu halten.
«Ja, ich bin oft zu Bett gegangen, ohne etwas im Bauch zu haben. Doch wer noch seltener etwas zu Essen bekam, war meine Mutter. Sie wollte immer, dass mein Bruder und ich zuerst Essen bekommen.» Nunez hatte schon immer eine besonders gute Beziehung zu seiner Mutter, wie auch diese Aussage verdeutlicht.
Schon in jungen Jahren spielen Darwin und sein Bruder Junior zusammen auf der Strasse Fussball, mit sieben Jahren schliesst sich Darwin dann dem lokalen Klub La Luz FC an. Dort präsentiert er sich als schüchtern und zurückhaltend. Allerdings hat er etwas, das ihn schon ganz früh von seinen Teamkollegen unterscheidet: Sein Wille. Dem damaligen Jugendtrainer kündigt er bereits im Alter von acht Jahren an, später mit dem Fussball seine Familie ernähren zu können.
Seinen ersten Jugendtrainer bezeichnet Nunez bis heute als seinen grossen Förderer. «Er brachte mir bei, wie man Fussball spielt. Zudem gab er meiner Mutter Arbeit und unterstützte meine Familie.» Doch kurze Zeit nach dem Versprechen an seinen Coach verstarb dieser. Deswegen hat Nunez auch heute noch eine besondere Geste für ihn parat: «Jedes Mal, wenn ich ein Tor erziele, zeige ich zum Himmel. Ich widme es einem guten Freund, den ich niemals vergessen werde, und der von dort oben auf mich herabschaut», so Nunez.
Sein Weg in den Profifussball beginnt im Jahr 2013. Ein Scout namens José Perdomo wird auf ihn aufmerksam und lädt Nunez in die grösste Fussballakademie des Landes in der Hauptstadt Montevideo ein. Doch der Schritt erweist sich als zu früh. Den Uruguayer plagt das Heimweh, weshalb er nicht glücklich wird und zurück in seine Heimatstadt geht.
2015 startet Nunez seinen zweiten Versuch in Montevideo. Auch dort musste er sich zunächst gegen Missstände durchbeissen, bis Erstligist Atletico Penarol auf ihn aufmerksam wird. Der Klub macht ihn zum Profi. Doch der damals 16-Jährige reisst sich schnell das Kreuzband, muss operiert werden und denkt über das Karriereende nach: «Ich dachte wirklich, dass meine Karriere vorbei sei. Das war's, ich höre auf.» Doch sein Bruder Junior bringt ihn von dem Entschluss ab.
Nach fast zweijähriger Verletzungspause gibt Darwin dann sein Debüt im Profifussball gegen River Plate Montevideo. Doch erneut wird er von Knieschmerzen zurückgeworfen, die nächste Operation ist notwendig. Erst im Jahr 2019 etabliert sich Darwin bei Penarol. Nachdem er mit dem Verein uruguayischer Meister wird, geht er den nächsten Schritt und wechselt zu UD Almeria in die spanische zweite Liga. Nach einer guten Saison fragt Benfica Lissabon an, Nunez entscheidet sich zu einem erneuten Wechsel. In 85 Pflichtspielen für den portugiesischen Traditionsverein gelingen ihm 48 Tore.
🤩 Desde Almería te deseamos la mejor de las suertes en tu nueva aventura, @Darwinn99 ❤️ pic.twitter.com/sXo0f8Zwus
— UD Almería (@U_D_Almeria) June 14, 2022
Nun folgt der grosse Schritt zu einem der besten Klubs der Welt, zu Champions-League-Finalist FC Liverpool. Dort wird der junge Uruguayer zum Rekordtransfer, löst Innenverteidiger Virgil van Dijk ab, der 2018 für zirka 85 Millionen aus Southampton zu den «Reds» wechselte. Inklusive Bonuszahlungen soll den «Reds» das Gesamtpaket von Nunez wohl um die 100 Millionen Euro wert sein. Klopp schwärmt bereits von seinem Neuzugang: «Sein Alter, seine Hingabe, sein Hunger, sich noch zu steigern. Er glaubt an unser Projekt und an das, was wir als Klub vorhaben.» (mey/pre)