Luka Modric. Selten lagen Euphorie und bodenlose Enttäuschung für den 38-Jährigen wohl so nahe beieinander wie am gestrigen Abend in Leipzig. Denn was wunderbar begann, endete in einem Fiasko.
Der Captain der kroatischen Nationalmannschaft, der später zum Spieler des Spiels gekürt wurde, schoss sein Team in der 55. Minute mit einem Fuss ins Achtelfinal gegen die Schweiz und hätte eine Geschichte schreiben können, wie er sie sich vor dem Spiel vielleicht nicht zu träumen gewagt hätte. Doch dann kam die 98. Minute und Mattia Zaccagni sorgte mit seinem Ausgleichstreffer dafür, dass Modrics vermeintlicher Abschied aus der Nationalmannschaft ein tränenreicher wurde.
🥇🇭🇷 UEFA Player of the Match: Luka Modrić.
— Fabrizio Romano (@FabrizioRomano) June 24, 2024
Hearthbreaking for the legend. 💔 pic.twitter.com/VYoNlb73gt
Dass sich Modric mit seinem Treffer zum 1:0 mit 38 Jahren und 289 Tagen zum ältesten Torschützen der EM-Geschichte kürte, verkam nach der dramatischen Partie gegen Italien zur Nebensache. Ein Bild, das Modrics Gefühlslage nach dem Spiel wohl am besten zusammenfasst, ist das Foto, auf dem er mit der Trophäe für den besten Spieler des Spiels posiert.
«Ist dies das Ende einer unwiederbringlichen Ära?», fragte die kroatische Zeitung Net.hr nach dem Unentschieden, das Kroatien mit grosser Wahrscheinlichkeit den Einzug ins Achtelfinal kosten wird.
Nicht nur für Luka Modric, sondern auch für den Trainer Zlatko Dalic war das Spiel gestern womöglich der letzte Auftritt auf der ganz grossen Bühne: «Es ist gut möglich, dass dies der letzte Auftritt von Luka Modric als Kapitän und der letzte Auftritt von Zlatko Dalic als Trainer der kroatischen Nationalmannschaft war. So gehen diese beiden wunderbaren Sportgeschichten zu Ende», schreibt Net.hr.
In Kroatien wird derweil nicht nur ein Abgesang auf zwei jahrelange Stützen des Nationalteams angestimmt, sondern auch gleich das Ende der goldenen Ära des kroatischen Fussballs eingeläutet, denn «der unglückliche Ausgang dieses Dramas gegen die Italiener könnte», so Net.hr, «auch das Ende einer unwiederholbaren Ära des kroatischen Fussballs sein».
«Wenn man so verliert, ist es schwer, die richtigen Worte zu finden, um zu beschreiben, was man fühlt. Fussball ist manchmal grausam», konstatierte Modric nach dem Spiel, den Tränen nahe, und richtete das Wort an die Unterstützer: «Danke an die Fans. Es tut mir leid, dass wir nicht gewonnen haben und es nicht ins Achtelfinal geschafft haben. Theoretisch haben wir noch Chancen, aber es wird schwierig.»
Angesichts des bitteren Endes, das die Europameisterschaft für den Ausnahmekönner Luka Modric bereithielt, schob ein italienischer Journalist die Freude über das Last-Minute-Goal einen Moment zur Seite, um Modric Tribut zu zollen. Als er das Wort an den 38-Jährigen richtete, fragte er nicht etwa nach den Gründen des kroatischen Scheiterns, sondern setzte zu einer Dankesrede an.
«Danke für alles, was du während deiner Karriere geleistet hast», sagte der Mann und bat Modric, «niemals mit dem Fussballspielen aufzuhören». «Ich danke dir aus tiefstem Herzen für diese Worte», antwortete Modric auf Kroatisch. «Ich würde auch gerne für immer spielen, aber irgendwann wird die Zeit kommen, in der ich meine Schuhe an den Nagel hängen muss. Ich werde weiterspielen, aber ich weiss nicht, wie lange noch», sagte er.
Auch die kroatische Zeitung «24sata» denkt bereits an Modrics Karriereende, das früher oder später kommen wird und greift zu überschwänglichen Worten: «Wenn es so weit ist, wird sich ganz Kroatien und die Welt noch einmal erheben und einem der grössten Fussballspieler der Geschichte die Ehre erweisen.»
Nach dem 1:1-Unentschieden gegen Italien sind Kroatiens Chancen auf ein Weiterkommen als Gruppendritter mit nur zwei Punkten auf dem Konto nur noch theoretischer Natur. Für die kroatische Nationalelf ist der Einzug ins Achtelfinal nur noch möglich, wenn England gegen Slowenien mit mindestens drei Toren Unterschied gewinnt, Dänemark gegen Serbien siegt, die Türkei gegen Tschechien drei Punkte holt und Portugal gegen Georgien triumphiert. (kat)