Der FC Barcelona wurde von der spanischen Staatsanwaltschaft wegen eines mutmasslichen Bestechungsskandals angeklagt. In den letzten Tagen entbrannte deshalb eine öffentliche Schlammschlacht zwischen Barça und Erzrivale Real Madrid. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Am Montag sprach Barcelona-Präsident Joan Laporta vor Barça-Fans und Medien in Madrid. Dabei feuerte er heftig gegen die Liga und Erzrivale Real Madrid. Laporta bezeichnete die Madrilenen als «Team des Regimes» des früheren spanischen Diktators Francisco Franco und warf ihnen vor, im Laufe von Francos Amtszeit und auch sonst in der Geschichte stets von Schiedsrichtern bevorteilt worden zu sein. Jeder Präsident der Schiedsrichterkommission sei einmal Teil von Real Madrid gewesen, wetterte der 60-Jährige.
Real Madrid antwortete rasch und postete auf seinen Kanälen in den sozialen Medien ein Video. In diesem hinterfragte der amtierende Champions-League-Sieger, wie Real «Francos» Team sein könne, wenn José Solís Ruiz, der Generalsekretär von Francos Partei, das Barça-Stadion Camp Nou eröffnet und den katalanischen Klub drei Mal vor dem Konkurs bewahrt habe. Franco selbst sei Klubmitglied beim FC Barcelona gewesen, schreibt Real.
— Real Madrid C.F. (@realmadrid) April 17, 2023
Der spanische Eurosport-Journalist Felix Martin erklärt: «Es ist Laportas Taktik, vom ‹Fall Negreira› abzulenken.» Das gelinge, wenn im Moment nur noch alle diskutierten, welcher der beiden Klubs denn mehr von den Schiedsrichtern bevorzugt worden sei. In den 36 Jahren von Francos Regime hat Real 17 Meistertitel gewonnen, Barcelona acht, Atlético Madrid sieben, Valencia vier und Athletic Bilbao und Sevilla je einen.
Mittlerweile hat sich auch die katalanische Regierung eingeschaltet. Sie forderte Real Madrid auf, das Video in den sozialen Medien zu löschen. Regierungssprecherin Patricia Plaja nannte es eine «Geschichtsmanipulation, die so grob ist, dass sie wie aus dem Lehrbuch wirkt», und bezeichnete es als «unanständige Fake News». Eine Forderung, der die Hauptstädter bislang nicht nachkamen.
Die spanische Staatsanwaltschaft wirft dem FC Barcelona «Korruption zwischen Privatpersonen» vor. Dabei soll der Klub zwischen 2016 und 2018 die Summe von 1,4 Millionen Euro an José Maria Enriquez Negreira überwiesen haben, von 2001 bis 2018 soll er insgesamt gar 7,3 Millionen Euro erhalten haben. Negreira hatte in dieser Zeitspanne das zweithöchste Amt im spanischen Schiedsrichterwesen (Comité Técnico de Árbitros – CTA) inne.
Die Anzeige der Staatsanwaltschaft richtet sich gegen den Verein, die beiden Ex-Präsidenten des Klubs, Sandro Rosell und Josep Mario Bartomeu, sowie gegen Negreira.
«Barça hat mit Enriquez Negreira eine streng vertrauliche, mündliche Vereinbarung getroffen, damit er in seiner Funktion als Vizepräsident des CTA gegen Geld Aktionen durchführt, die Barcelona bei der Entscheidungsfindung in den Spielen des Vereins und damit in den Ergebnissen der Wettbewerbe begünstigen», heisst es in der Anklage der Staatsanwaltschaft.
Der FC Barcelona weist jegliche Anschuldigungen von sich. Barças aktueller Präsident Laporta sagt, der Klub sei «unschuldig und Opfer einer Kampagne».
Culers, estigueu tranquils. El Barça és innocent del que se l’acusa i víctima d’una campanya contra la seva honorabilitat en la que ara ja hi són tots. Cap sorpresa, defensarem el Barça i demostrarem la innocència del Club. Molts hauran de rectificar. #totsUnitsFemForça
— Joan Laporta Estruch🎗 (@JoanLaportaFCB) March 12, 2023
Der katalanische Verein verneint nicht, dass Geld an Negreira gezahlt wurde. Laporta erklärte allerdings, sein Verein habe sich lediglich von der Firma des ehemaligen Schiedsrichterbosses beraten lassen. Barça habe unter anderem Ratschläge, wie sich Spieler gegenüber den Schiedsrichtern verhalten sollten, eingeholt. «Dies ist aber im Fussball bei den grossen Klubs sehr normal», meinte Laporta. Der FC Barcelona und seine Führung sehen in den Anschuldigungen eine Attacke auf den eigenen Klub von der Liga rund um Ligapräsident Javier Tebas. Das Barça-Präsidium beschuldigte Tebas des Einreichens von gefälschten Beweisen und forderte seinen Rücktritt.
Auch Negreira räumte die geschäftliche Beziehung zwischen seiner Firma und dem FC Barcelona ein. Die Vorwürfe der Korruption wies der ehemalige Schiedsrichter allerdings von sich. In einem Interview mit dem spanischen Radiosender Cadena SER sagte der 77-Jährige, er habe den FC Barcelona bei keiner Entscheidung oder Schiedsrichterernennung bevorzugt. Weiter bestätigte er die Aussagen Laportas, dass er dem Klub lediglich beratend zur Seite gestanden sei.
Zunächst schien sich Real Madrid im «Fall Negreira» zu enthalten. Neben Barcelona waren die Königlichen lange der einzige andere spanische Profiklub, der keine Untersuchung der Vorwürfe forderte. Dass Barça und Real im Hinblick auf eine mögliche europäische Super League weiterhin zusammenarbeiten wollen, wurde als möglicher Grund dafür gesehen.
Mitte März änderte Real aber den Kurs. Direkt vor dem Clásico gegen Barça veröffentlichte der Klub ein Statement, in dem er ebenfalls eine Untersuchung forderte. Seither hat sich zwischen den beiden spanischen Grossklubs eine öffentliche Schlammschlacht entwickelt.
Die Schiedsrichter der zwei höchsten spanischen Ligen fühlten sich aufgrund der gegenseitigen Vorwürfe, der FC Barcelona und Real Madrid hätten sich die Gunst der Unparteiischen erkauft, angegriffen. Gestern Dienstag trafen sich die Refs zu einer ausserordentlichen Sitzung – auch ein möglicher Streik wurde diskutiert.
Am Ende entschieden sie sich gegen diese drastische Massnahme. Stattdessen forderten sie Liga und Verband in einem Schreiben zu mehr Respekt und Rückendeckung für die Schiedsrichter auf.
🚨 𝗢𝗙𝗜𝗖𝗜𝗔𝗟 | Comunicado del arbitraje profesional
— CTA (@CTARFEF) April 18, 2023
🔗 https://t.co/4FY0jXnpfd pic.twitter.com/qx3Mx0HNwv
Die spanischen Klubs treffen sich heute in Madrid zur Ligaversammlung. Es ist das erste Mal seit dem Bekanntwerden der Vorwürfe der spanischen Justiz, dass sich Barça-Präsident Laporta, Ligapräsident Tebas und Real-Präsident Florentino Perez persönlich treffen. Die Stimmung dürfte eher eisig sein.
Derweil läuft der Prozess der spanischen Staatsanwaltschaft weiter. Ligapräsident Javier Tebas hat bereits angekündigt, dass Barcelona keine Sanktionen befürchten müsse, da die Vorwürfe bereits verjährt seien. Etwas anders sieht das der europäische Fussballverband UEFA. Die Disziplinar- und Ethikkommission der UEFA hat Ende März eine eigene Untersuchung in diesem Fall lanciert. Gemäss Medienberichten könnte Barça von dieser Seite ein Ausschluss aus den europäischen Wettbewerben drohen.