Salut les Romands! In der U21-Nati geben die Welschen den Ton an – ganz ohne Röstigraben
Noch ein Sieg und dann hat es die Schweizer U21 geschafft: in den Viertelfinal an der Europameisterschaft und damit ans Finalturnier ab Ende Mai. Es wäre seit zehn Jahren die erste grössere Erfolgsgeschichte des Schweizer Nachwuchses, der an der U21-EM 2011 im Final stand.
Die Schweiz mit ihren vier Landesteilen spiegelt sich in dieser Mannschaft wider: Der Trainer Mauro Lustrinelli ist ein Tessiner, im Kader sind Romands und Deutschschweizer gut vertreten. Grossen Einfluss haben aber insbesondere die Welschen: Sieben stehen beim Sieg gegen England in der Startformation. Sie tragen die Captainbinde wie Jordan Lotomba, hüten das Tor wie Antony Racioppi, sind Spielgestalter im Mittelfeld wie Bastien Toma oder sollen für Tore sorgen wie Jérémy Guillemenot, Andi Zeqiri und Dan Ndoye.
Keine Spur eines Röstigrabens
Von einem Röstigraben, wie ihn das Nationalteam in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts über Jahre kannte, ist bei dieser Mannschaft aber nichts zu spüren. «Ich habe noch nie eine Mannschaft erlebt, die einen so guten Teamgeist hatte. Das hier ist etwas Spezielles», findet GC-Spieler Petar Pusic. Trainer Mauro Lustrinelli sagt: «Der Teamgeist ist unsere grösste Stärke.»
Dies überrascht insofern, als fast keine Spieler im Kader beide Sprachen fliessend beherrschen. Dies trifft genau genommen nur auf deren drei zu: auf die Deutschschweizer Kevin Rüegg, Cedric Zesiger und Jan Bamert.
«Jeder Spieler weiss, welche Rolle er im Team hat», sagt der Zürcher FC-Sion-Spieler Bamert. «Ich, als einer, der beide Sprachen spricht, kann Brücken bauen. Aber die Stimmung ist in unserem Team echt gut. Man versteht sich einfach. Und so lernen die Romands ein paar Wörter Deutsch und die Deutschschweizer ein paar Wörter Französisch.» Und Dan Ndoye findet: «Grüppchenbildung? Nein, das kennen wir nicht. Wir verstehen uns alle menschlich super. Klar kann es ab und zu Schwierigkeiten zwischen den Sprachen geben, aber es klappt bei uns wunderbar.»
Als nach dem 2:3 im zweiten Gruppenspiel gegen Kroatien der Frust im Schweizer Lager gross ist, sitzt das Team zusammen und spricht sich wieder Mut zu. In welcher Sprache? «Es klingt vielleicht dumm», sagt der eigentliche Captain Kevin Rüegg, der in den ersten beiden Spielen aber nicht von Beginn an spielte, «aber in diesem Moment versteht jeder Französisch, auch wenn er sonst kein Wort versteht – und umgekehrt.»
Ähnlich sieht dies auch Trainer Lustrinelli. Er spricht davon, dass man sehr wohl eine gemeinsame Sprache spreche: «Die Fussballersprache. Auf dem Platz versteht man sich irgendwie und auch daneben ist dies gar kein Problem.» Der Tessiner spricht Französisch und Deutsch fliessend, weshalb er jeweils individuell auf die Spieler eingehen kann.
Im A-Nationalteam sind die Romands dünn gesät
So gut alles im Teamgefüge des U21-Nationalteams zu passen scheint: Der grosse Anteil an Romands ist dennoch erstaunlich, vergleicht man es mit anderen erfolgreichen Jahrgängen. Etwa 2004, als die Deutschschweizer Alexander Frei und Riccardo Cabanas das Team ins Halbfinal führten. Oder 2011, als die Leader des EM-Finalisten Yann Sommer, Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri hiessen.
Und auch in der A-Nationalmannschaft haben die Romands schon länger keinen hohen Stellenwert mehr. Zuletzt stehen nur vier Welsche im Aufgebot und gegen Litauen starten elf Deutschschweizer. Nicht zum ersten Mal. Deshalb titelte die «Tribune de Genève» im letzten Oktober: «Les Romands disparaissante de l’équipe Suisse.» Die Romands verschwinden aus dem Schweizer Team.
Dieser Fakt widerspricht dem neuen Selbstverständnis der Romands im Schweizer Fussball. Die Grössen Servette und Lausanne sind endlich wieder erfolgreich, stehen derzeit auf den Plätzen zwei und fünf der Super League. Auch im Aufschwung dieser beiden Vereine ist die Begründung zu suchen, warum im Nachwuchs plötzlich die Welschen den Ton angeben. Gut möglich, dass sie dies bald auch bei den Grossen machen. (nih/aargauerzeitung.ch)
Romands (10):
Guillemenot, Zeqiri, Toma, Lotomba, Racioppi, Fayuu, Imeri, Jankewitz, Ndoye, Mambimbi.
Deutschschweizer (13):
Van der Werff, Sidler, Zesiger, Domgjoni, Pusic, Sohm, Stergiou, Bamert, Muheim, Rüegg, Köhn, Rieder, Stojlkovic.
A-Team
Romands (4):
Mvogo, Mbabu, Fernandes, Zakaria.
Deutschschweizer (18):
Omlin, Akanji, Benito, Cömert, Elvedi, Fassnacht, Rodriguez, Widmer, Embolo, Freuler, Mehmedi, Seferovic, Shaqiri, Sow, Vargas, Xhaka, Zuber, Sommer (Kobel).
Tessiner (1):
Gavranovic.
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