Sorgen machen sie sich im Tessin keine. Zumindest nicht wegen diesem Spiel von heute (19.30 Uhr/AZ-Liveticker) gegen den FC Baden. Sieben Punkte Vorsprung hat Bellinzona auf die Aargauer. Es spricht vieles dafür, dass die Tessiner den Klassenerhalt sportlich schaffen. Doch was ist dies schon wert in diesen Tagen? Denn in Bellinzona wissen sie: Über die Ligazugehörigkeit wird weniger auf dem Rasen entschieden als in den Sitzungsräumen der Lizenzkommission der Swiss Football League.
Und da machen sich sich im Tessin durchaus Sorgen. Um diese besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick zurück auf den 1. Februar. Gabriele Gilardi sitzt an diesem Donnerstagabend im Studio des TV-Senders «Tele Ticino». In der Sendung «Fuorigioco» (übersetzt: Offside, welch Ironie!) erklärt er, weshalb er wenige Tage zuvor als einziger Verwaltungsrat der AC Bellinzona zurückgetreten ist.
Hanno parlato in tanti, lui non l'ha ancora fatto.
— Patrick Della Valle 🇺🇦 (@p_dellavalle) February 1, 2024
Lo farà per la prima volta stasera nella seconda parte di Fuorigioco a partire dalle ore 20:00.
Nostro ospite Gabriele Gilardi, ex amministratore unico del Bellinzona. pic.twitter.com/zB76Ywk9SC
Oder wurde er herausgedrängt? So klar ist es nicht. Wie so vieles rund um die AC Bellinzona. Gilardi also, ein Anwalt aus Locarno, versucht aufzuschlüsseln, wie das Konstrukt der AC Bellinzona mit verschiedenen Aktiengesellschaften, die alle miteinander verflochten sind, funktioniert. Der Versuch scheitert kläglich.
Die Verwirrung ist perfekt, als sich zu später Stunde Pablo Bentancur telefonisch in die Sendung einschaltet. Und erklärt, dass alles, was Gilardi eben erzählt habe, falsch sei. Bentancur, ein Spieleragent aus Südamerika und früher Minderheitsaktionär im FC Lugano, ist seit drei Jahren der Geldgeber von Bellinzona. Oder sogar der Besitzer? So genau weiss das niemand. Aufgrund der Eindrücke der Sendung «Fuorigioco» vom 1. Februar offenbar nicht einmal die Direktbeteiligten.
Und genau das ist drei Tage vor der Lizenzvergabe durch die SFL am nächsten Montag interessant und mehr als bloss eine Tessiner Provinzposse. Weil es um die Zukunft des Klubs geht. Vor einem Jahr erhielt Bellinzona die Lizenz für die Challenge League in erster Instanz nicht. Unter anderem wegen unklarer Besitzverhältnisse, wie es damals aus Bern hiess. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Kein gutes Zeichen für die AC Bellinzona.
Auch die Gerüchte um einen Verkauf an die Gruppe «FC32» aus Australien sind da nicht förderlich. Wer die Australier genau sind, ist nicht klar. Zwar wurde einer ihrer Vertreter vor wenigen Wochen beim Auswärtsspiel in Wil gesehen, doch gegenüber den anwesenden Tessiner Medien konnte dieser wenig Konkretes sagen. Er sprach, natürlich, von einem globalen Beziehungsnetz und verschiedenen Partnerklubs. Zum Beispiel nannte er den Serie-A-Klub Salernitana. Nur: Bei den Süditalienern will man noch nie etwas von «FC32» gehört haben.
In Bellinzona gehen sie nicht davon aus, dass sie am Montag die Lizenz erhalten. Und dieses Mal könnte es auch in zweiter Instanz eng werden. Denn vor einem Jahr war es der Knochenarbeit von Gilardi zu verdanken (und ein paar von ihm unterzeichneten Finanz-Garantien), dass die nachgereichten Dokumente für die verspätete Erteilung der Lizenz reichten. In diesem Frühjahr ist Gilardi nicht mehr im Amt.
Wie unzuverlässig in Bellinzona gewirtschaftet wird, davon erzählen auch zwei Episoden von Gastspielen der Tessiner in dieser Saison im Aargau. Vor dem Auftritt im Brügglifeld im letzten Oktober logierten die Tessiner in einem Hotel in der Region Olten-Aarau. Die Rechnung wurde zunächst nicht beglichen. Erst über den FC Aarau konnte überhaupt Kontakt aufgenommen werden mit der AC Bellinzona. Dann immerhin wurde mit Verzögerung bezahlt. Noch ausstehend ist der Betrag derweil für ein Mannschaftsessen in einem Badener Restaurant vor dem Spiel im Stadion Esp. Kein Ansprechpartner, keine Zahlung. Bis heute nicht.
Bei diesen Beispielen mag es sich im Millionengeschäft Fussball um vernachlässigbare Beträge handeln. Doch sie zeigen auf, dass die AC Bellinzona häufig mit einer Hand in die Trickkiste greift. So wie im letzten Herbst, als nach der Verpflichtung eines neuen Trainergespanns aus Spanien der falsche Trainer mit einem nicht gültigen Diplom beim SFV gemeldet wurde, was nach dem Sieg in Aarau zu einer Untersuchung durch den Verband führte. Oder wie beim durch den «Blick» publik gemachten Fall von Stürmer Tresor Samba, dessen Wohnung in Bellinzona monatelang durch den Berater des Spielers statt wie vereinbart durch den Klub bezahlt wurde.
Aber zurück zur Lizenzvergabe: Diese macht die SFL auch von einer akzeptablen Infrastruktur des Stadio Comunale abhängig. Der provisorische Turm für die TV-Kameras ist nicht regengeschützt, was zu einem Kurzschluss führen könne und somit eine Gefahr für die Kameraleute bedeute, monierte die SFL in einem Schreiben.
Ausserdem kritisierte die Liga unlängst den Zustand des Rasens. Zu wenig wasserdurchlässig, zu hart und deshalb nicht geeignet. Das könne im Laufe einer Saison zu «Problemen durch Regenwürmer» führen, schrieb der «Corriere del Ticino» letzte Woche dazu. Ja, drei Tage vor der Lizenzvergabe ist bei der AC Bellinzona definitiv der Wurm drin.
(aargauerzeitung)
Aber ich weiss gerade nicht, weshalb die Interesse an einem zu harten Grundstück haben sollen. Genau das mögen sie nämlich nicht und vertreibt sie eher.
Aber die Lesen ja auch keinen «Corriere del Ticino».
Übrigens: die Schlagzeile mit den "Würmern im Rasen" ist falsch.