Seine Mutter starb, als er noch ein kleiner Junge war, sein Vater war arbeitslos, deshalb verkaufte Victor Osimhen gemeinsam mit seinen Geschwistern Wasser und Lebensmittel auf den Strassen von Nigerias Hauptstadt Lagos, um Geld für seine Familie zu sammeln. Von klein auf war es dennoch sein Traum, Fussball-Profi zu werden. Fussballschuhe suchte er sich im Müll und spielte deshalb mit einem Schuh von Nike am rechten und einem von Reebok am linken Fuss.
Heute zählt Osimhen zu den zehn wertvollsten Mittelstürmern der Welt, steht mit dem SSC Napoli im Champions-League-Viertelfinal und führt die Torschützenliste der Serie A an. Kein Wunder also, dass die europäischen Top-Klubs beim Nigerianer Schlange stehen.
In Neapel ist der 24-Jährige gemeinsam mit dem Georgier Chwitscha Kwarazchelia schon zum Volkshelden aufgestiegen. Die beiden sind zwei der absoluten Leistungsträger bei Napoli und mit dafür verantwortlich, dass der Klub aktuell überlegen an der Spitze der Serie A steht. Doch zu Beginn der Karriere des Stürmers geriet seine Entwicklung plötzlich ins Stocken.
Im Januar 2017 holte der VfL Wolfsburg Osimhen im Rahmen einer Kooperation mit der Ultimate Strikers Academy aus Nigeria nach Europa. Die «Wölfe» stachen damals unter anderem den FC Arsenal und Inter Mailand im Rennen um die Dienste des Angreifers aus.
3,5 Millionen Euro überwies Wolfsburg nach Nigeria, um sich die Dienste des damals 18-jährigen «Rohdiamanten» zu sichern. Osimhen selbst begründete seine Entscheidung für einen Wechsel nach Wolfsburg damals wie folgt: «Meine Entwicklungschancen sind hier am besten, bei Arsenal zum Beispiel hätte ich kaum eine Chance gehabt, in der ersten Mannschaft zu spielen. Wolfsburg ist der beste Ort für mich, um meine Karriere zu starten.»
Doch es sollte alles anders kommen. In der Autostadt machte Osimhen in eineinhalb Jahren lediglich 16 Pflichtspiele, dabei konnte er keinen einzigen Scorerpunkt sammeln. Verletzungen am Meniskus, der Wade und der Schulter warfen den talentierten Stürmer zu dieser Zeit immer wieder zurück.
Im Sommer 2018 übernahm schliesslich Jörg Schmadtke die Geschicke als Geschäftsführer beim VfL Wolfsburg. Ihm wurde damals gesagt: «Wir haben keinen Stürmer. Diejenigen, die wir haben, sind nicht zu gebrauchen.» Dies galt auch für Osimhen.
Der deutsche Meister von 2009 stand damals sowohl 2017 als auch 2018 in der Relegation und konnte jeweils nur knapp den Verbleib in der Bundesliga sichern. Nicht gerade die besten Voraussetzungen für einen jungen Spieler, um sich zu entwickeln.
Zunächst scheiterte ein Wechsel des Nigerianers zum Club Brügge wegen einer Malaria-Erkrankung. So landete Osimhen schliesslich auf Leihbasis beim RSC Charleroi. Die Belgier sicherten sich eine Kaufoption für den Stürmer in Höhe von 3,5 Millionen Euro.
Im Nachhinein gesehen war das «natürlich kein guter Move», sagte Schmadtke zum «Kicker». Denn in Belgien blühte der damals 19-Jährige so richtig auf. In 36 Pflichtspielen erzielte er 20 Treffer und sammelte vier Assists. Die Verantwortlichen von Charleroi machten schnell von der Kaufoption Gebrauch und banden Osimhen fest an sich.
Der Leistungsaufschwung Osimhens blieb auch in den europäischen Topligen nicht unbemerkt. Der französische Vize-Meister OSC Lille holte den Stürmer im Sommer 2019 für 15 Millionen Euro nach Nordfrankreich. Dort sollte er den zum AC Milan abgewanderten Rafael Leão ersetzen.
«Victor wollte unbedingt zu Lille», sagte Charlerois Geschäftsführer Mehdi Bayat damals zum Wechsel. «Lille ist für ihn nur eine Durchgangsstation, so wie es auch Charleroi war. Er wird wechseln und Lille wird ihn zu seinem neuen Rekordabgang machen.»
Und Bayat sollte mit seiner Prognose recht behalten. Unter dem heutigen PSG-Trainer Christophe Galtier, setzte Osimhen seinen Aufschwung fort. Er erzielte seine ersten beiden Treffer in der Champions League und in 27 Ligue-1-Spielen erreichte er 18 Skorerpunkte. Lilles Präsident Gerard Lopez zeigte sich absolut begeistert von Osimhen: «Wir haben schnell gemerkt, dass wir mit ihm einen der talentiertesten Angreifer der Welt unter Vertrag nehmen.»
Wiederum nur ein Jahr später wechselte Osimhen erneut. Der SSC Napoli machte ihn zum klubinternen Rekordzugang. Bislang flossen rund 75 Millionen Euro in Richtung Lille, durch weitere Bonuszahlungen können es bis zu 80 Millionen Euro werden, was ihn zum zweitteuersten Verkauf der Franzosen nach Nicolas Pépé, der für 80 Millionen Euro zu Arsenal wechselte, machte.
In seinen ersten beiden Jahren in Neapel erzielte er zehn und 14 Treffer in der Liga. Aktuell steht er bereits bei 19 Treffern in 22 Ligaspielen, dazu kommen noch fünf Torvorlagen. Auch in der Champions League zeigte Osimhen mit vier Treffern in fünf Einsätzen starke Leistungen. Es läuft bei Osimhen sogar so gut, dass er seine «Man of the Match»-Trophäe aus dem Champions-League-Achtelfinal-Rückspiel gegen Eintracht Frankfurt an einen befreundeten Journalisten verschenkte.
Aren’t I the luckiest guy alive ? Having a feel of the man of the man gong for the UEFA champions league game against Eintracht Frankfurt. Victor Osimhen became the first Nigerian to score a brace in a UEFA champions league knockout game . Thanks a lot as always @victorosimhen9 pic.twitter.com/5w9qHa9Hxk
— Oma Akatugba (@omaakatugba) March 16, 2023
Zwei Titel sind für Osimhen und Napoli in dieser Saison noch möglich. In der Serie A steht sein Team mit 18 Punkten Vorsprung souverän an der Tabellenspitze und in der Champions League stehen die Süditaliener im Viertelfinal. Bislang konnte Osimhen im Herrenbereich noch keinen Titel gewinnen.
Eine Meisterschaft mit Napoli wäre nicht nur für den Nigerianer die Krönung, sondern würde ihn bei den Fans zur Legende machen – wie es der verstorbene Diego Maradona ist. Das Ziel von Osimhen ist klar: «Ich will mit dem Klub unbedingt Meister werden.»
Der Vertrag des nigerianischen Nationalspielers läuft noch bis 2025 und Napoli Präsident Aurelio De Laurentiis sagte vor einigen Wochen: «Er steht nicht zum Verkauf!» Im Dezember versicherte Osimhen, er werde zu «1001 Prozent» nicht wechseln. «Ich bin bei einem der grössten Klubs in einer der besten Ligen Europas.»
Fast jeder europäische Top-Klub soll mittlerweile bereits an einer Verpflichtung des Top-Torschützen der Serie A interessiert sein. Insbesondere Manchester United, der FC Chelsea und PSG, sollen dazu bereit sein, für den Stürmer tief in die Tasche zu greifen. Nun erklärte Osimhen in einem Interview Anfang März, dass es sein Traum sei, einmal in der Premier League zu spielen – und heizte die Gerüchte um einen Wechsel nach England damit weiter an.
Ob er über die laufende Saison hinaus in Neapel bleibt oder ob es zum nächsten Wechsel in seiner Karriere kommt, ist zwar noch unklar. Klar ist jedoch: Der Klub, welcher sich die Dienste des Stürmers sichern möchte, muss wohl eine dreistellige Millionensumme auf den Tisch legen und hat mit De Laurentiis einen knallharten Verhandlungspartner gegenüber.