17 Spieler, die den Verein bisher verlassen haben, nur 3 Neuverpflichtungen und ein neuer Trainer. Beim FC Zürich war in der Sommerpause wieder einiges los. Vor etwas mehr als einem Monat wurde Präsident Ancillo Canepa bereits laut an einer Medienkonferenz, nachdem seiner Meinung nach zu viele Fragen zu den Transferplänen gestellt wurden. «Wir haben keine Baustellen», stellte Canepa klar. Doch vielleicht sieht die FCZ-Führung um das Präsidenten-Ehepaar Ancillo und Heliane Canepa sowie Sportchef Milos Malenovic vor lauter Problemen die Baustelle gar nicht mehr.
Zwar wurde gemäss eigener Aussage mit Mitchell van der Gaag der «absolute Wunschkandidat» für den offenen Trainerposten verpflichtet. Doch das mit den Wunschtrainern ist beim FCZ immer so eine Sache. Bereits nach der Meistersaison wurde im Sommer vor drei Jahren bei den Zürchern nach der Verpflichtung von Franco Foda vom gewünschten Trainer gesprochen. Nach zwei Punkten in acht Meisterschaftsspielen und dem Ausscheiden in der zweiten Runde im Schweizer Cup wurde der Deutsche entlassen. Doch diesmal ist es anders. «Wir waren immer davon überzeugt. Wenn ich es in der Vergangenheit aber vielleicht zu 99 Prozent war, bin ich heute 100 Prozent überzeugt, dass wir einen Top-Top-Trainer geholt haben», sagte Canepa bei der Vorstellung des Niederländers.
Van der Gaag hat als Co-Trainer bei Manchester United und Ajax Amsterdam zwar schon einige Top-Stars trainiert, unter anderem auch Cristiano Ronaldo. Aber seinen letzten Job als Cheftrainer hatte der 53-Jährige von 2019 bis 2021, als er die zweite Mannschaft von Ajax trainierte. Daraufhin arbeitete van der Gaag als Assistent von Erik ten Haag. Canepa und Malenovic kamen bei der ersten Medienkonferenz mit dem neuen Cheftrainer kaum aus dem Schwärmen. «Es war beeindruckend, wie er aufgezeigt hat, was seine Prinzipien sind und wie er das Team weiterentwickeln will», lobte der 72-Jährige, «so etwas habe ich noch nie erlebt.»
Bei Zürich möchte der neue Trainer das Spiel bestimmen, ballbesitzorientiert sein und mit hohem Pressing spielen. Im Trainingslager forderte der neue Chef an der Seitenlinie sein neues Team. «Die ersten zwei Wochen waren richtig heftig. So etwas habe ich in meiner Karriere fast noch nie erlebt. Wir haben wirklich jeden Lauf gemacht, den man sich vorstellen kann», sagte Steven Zuber, welcher mit seinen 33 Jahren der älteste Spieler im Kader ist, gegenüber dem Blick.
Nach den offensiven Abgängen der Leistungsträger Mounir Chouiar, Juan José Perea (momentan eine Rückkehr möglich) und Samuel Ballet wird in der kommenden Saison noch mehr Druck auf Zuber lasten. Ausgerechnet der ehemalige GC-Junior, welcher bei seiner Verpflichtung im Winter mit viel Abneigung von den FCZ-Fans empfangen wurde. «Zuber: Keis Goal wird dich je zum FCZ-ler mache», schrieb die Zürcher Südkurve bei seinem ersten Spiel. Wenige Monate später wurde der 56-fache Nationalspieler von den Fans zum besten Spieler der Saison gewählt, und dies nach gerade einmal einem halben Jahr in den neuen Farben.
In 20 Einsätzen in der Super League sammelte Zuber 10 Skorerpunkte (7 Tore und 3 Vorlagen) und stand abgesehen von einem Spiel in der Relegation Group, in welchem es für die Limmatstädter um nichts mehr ging, immer über 90 Minuten auf dem Platz. Doch was macht der FCZ, sollte Zuber mal verletzt ausfallen?
Abgesehen von Zuber und Torhüter Yannick Brecher ist kein Spieler bei den Zürchern über 28 Jahre alt. Höchste Zeit also, dass Eigengewächse wie Bledian Krasniqi oder Lindrit Kamberi den nächsten Schritt machen. Zwar zeigen beide immer wieder starke Einsätze und lassen ihr Potenzial aufblitzen, aber dennoch hat man das Gefühl, dass es für eine wichtige Schlüsselrolle oder auch einmal einen Wechsel in das Ausland nicht reicht.
Matthias Phaëton, Nelson Palacio und Ilan Sauter, der von der AC Bellinzona zu seinem Jugendverein zurückkehrt, sind bisher die einzigen Neuverpflichtungen der Zürcher. Gemessen an den bekannten Abgängen hat sich der Kader sicher nicht verbessert. Besonders im offensiven Bereich könnte der FCZ sehr zu kämpfen haben.
Spieler mit der Stammposition Mittelstürmer stehen beim FCZ momentan nur zwei unter Vertrag. Die beiden 21-Jährigen Damienus Reverson und Vincent Nvendo kommen zusammen auf 16 Einsätze in der Super League.
In der letzten Saison wurde mit dem Verpassen der Meistergruppe nicht nur das Saisonziel europäisches Geschäft verpasst, sondern mit der Verpflichtung von Benjamin Mendy im Winter auch noch für reichlich negative Schlagzeilen gesorgt. Der französische Weltmeister musste sich in der Vergangenheit in acht Fällen wegen Vergewaltigung verteidigen. Bei Partys soll der Verteidiger weibliche Gäste ausgenutzt haben. Aufgrund fehlender Beweise wurde Mendy zwar freigesprochen, aber dennoch wurde der FCZ stark kritisiert. Spielerisch konnte der 31-Jährige überhaupt nicht überzeugen und kam nur zu acht Einsätzen für Zürich, bevor ihn eine Verletzung ausser Gefecht setzte. In dieser Woche gab der Verein bekannt, dass der Vertrag mit Mendy im gegenseitigen Einvernehmen aufgelöst wurde.
Das Ganze passte zur letzten Spielzeit bei Zürich. Immer wieder sorgte der FCZ aufgrund negativer Ereignisse, besonders rund um den ehemaligen Trainer Ricardo Moniz, für Schlagzeilen. Von Spielern, die kurz nach der Einwechslung den Platz wieder verlassen mussten, über Suspendierungen bis hin zu Schirmattacken auf Moniz war alles dabei.
Trotz der vielen Abgänge ist das Ziel klar. Der FCZ muss wieder europäisch spielen. «Aus finanzieller Sicht gibt es keinen Weg daran vorbei», sagte Canepa vor einem Monat. Bei kaum einem anderen Verein wird so oft betont, wie wichtig die Qualifikation für das europäische Geschäft ist, wie beim 13-fachen Schweizer Meister. Auch für Zuber ist klar, wo er am Ende der Saison mit Zürich stehen möchte: «Für mich gibt es beim FCZ nur ein Ziel: die Top 3. Mit weniger dürfen wir uns nicht zufriedengeben.»
Hört man sich in Kreisen von FCZ-Fans um, sehen es die Anhänger anders. Teils geht sogar die Angst vor dem Abstiegskampf herum. Davon wird Canepa wahrscheinlich nichts hören wollen. Denn der FCZ ist aus seiner Sicht noch immer ein Spitzenklub in der Schweiz. Ist dies aber wirklich so? Seit dem Wiederaufstieg vor acht Jahren klassierten sich die Zürcher abgesehen vom überraschenden Meistertitel 2021/22 nie innerhalb der ersten drei. Im Schnitt steht Zürich seit 2017 auf Platz 5,75 und ist damit ausserhalb des europäischen Geschäfts klassiert.
Es wird nun auch Zeit für Sportchef Milos Malenovic, dafür zu sorgen, dass die Stimmung beim FCZ wieder besser wird. Seit bald zwei Jahren ist der 40-Jährige bei Zürich im Amt und so richtig warm wurden die Fans bisher nicht mit dem ehemaligen Spielerberater. Für viel Kopfschütteln sorgte auch seine Pressekonferenz, als er sich sogar einen Teil des Meistertitels vor drei Jahren zuschreiben liess, da er dem ehemaligen Agenten von Meistertrainer André Breitenreiter empfohlen hatte, bei Zürich zu unterschreiben. In der letzten Saison wurde Malenovic bei einem Spiel der U21-Junioren von Fans beleidigt und verbal attackiert. Auch innerhalb des Vereins geistern immer wieder Stimmen herum, dass die Zusammenarbeit mit Malenovic schwierig sei, regelmässig verlassen langjährige Mitarbeiter den FCZ.
Hoffnung kann der FCZ daraus schöpfen, dass der neue Trainer weiss, wie man mit jungen Spielern arbeitet und ein wenig erinnert die aktuelle Situation an den Sommer 2021. Auch damals kam mit André Breitenreiter, ein Trainer welcher die Schweizer Liga nicht kannte und Zürich vor der Saison noch eher als Abstiegs- anstatt Meisterkandidat galt. In einer solch ausgeglichenen Liga weiss man spätestens seit der letzten Saison, dass mit allem gerechnet werden muss. Schliesslich stand im November auch der FCZ noch an der Tabellenspitze.
Zürich beendet die Saison auf Platz 6.
Freitag, 25.7., 20:30 Uhr:
Zürich – Sion
Sonntag, 3.8., 16.30 Uhr:
Luzern – Zürich
Sonntag, 10.8., 16.30 Uhr:
Lausanne – Zürich
Freitag, 15.8., 20.00 Uhr:
Wettswil-Bonstetten – Zürich (Cup)
Samstag, 23.8., 18.00 Uhr:
Zürich – Thun
Zum Text: Zuber wurde vom Fancblub Letzi zum besten Spieler gekürt. Ich weiss nicht wie gross die Reichweite dieser Umfrage ist. Aber massiv kleiner als wenn sie vom FCZ selber oder der Südkurve kommt. Auch waren Ballet zu keinem Zeitpunkt und Perea nur ein halbes Jahr (bis zur Verletzung) Leistungsträger.
Die Mendy-Story war der absolute Tiefpunkt seit ich FCZ Fan bin. Freunde verzichten wegen dieser Geschichte und der Geschicke von MM dieses Jahr auf die Saisonkarte.