Das ist mal eine herausragende Notnagel-Bilanz! Als Roy Hodgson Ende März als Retter bei Crystal Palace übernimmt, liegt der Klub nur drei Punkte vor den Abstiegsplätzen. Sechs Spiele und vier Siege später beträgt die Differenz elf Zähler.
Die Eagles sind über den Berg und spielen auch in der nächsten Saison in der Premier League. «Das Schwert über meinem Kopf und den Köpfen der Spieler ist weg», sagte Roy Hodgson nach einem aufregenden 4:3-Sieg gegen West Ham United am Samstag.
«Roy ist gekommen und hat einen wirklich guten Job gemacht», lobte ihn sein ghanaischer Stürmer Jordan Ayew bei BT Sport. «Er hat Erfahrung, Ruhe und wir kannten ihn bereits. Er hat uns die Überzeugung gegeben, an unsere Qualitäten zu glauben.» Sie seien unter Roy Hodgson richtiggehend aufgeblüht, ergänzte sein Sturmkollege Eberechi Eze.
Vorgänger Patrick Vieira musste nach zwölf sieglosen Spielen seine Koffer packen. Zur Überraschung der meisten Beobachter kreuzte daraufhin im Selhurst Park ein alter Bekannter auf. Für Roy Hodgson war es eine Rückkehr zu seinem Jugendklub, für den er schon auflief, noch bevor der erste Mensch auf dem Mond war. Es war die zweite Rückkehr, nachdem er bereits von 2017 bis 2021 Trainer von Crystal Palace war, mit dem Aussenseiter stets die Klasse hielt und danach seine Karriere als beendet erklärt hatte.
Er wisse, dass er laut seiner Geburtsurkunde alt genug sei, um in Rente zu gehen, sagte Hodgson bei seiner Rückkehr vor einigen Wochen. «Aber mein Gefühl sagt mir etwas anderes», betonte er. «Ging ich die Strasse entlang, fragten mich Leute, ob ich meinen Ruhestand geniesse. Aber ich habe mich nie alt genug dafür gefühlt. Es gab für mich stets die Möglichkeit für ein Projekt wie dieses.» Zudem scherzte der 75-Jährige, seine Frau Sheila sei vielleicht ganz froh, dass sie ihn nicht ständig zu Gesicht bekomme.
Drei Jahrzehnte ist es her, seit Roy Hodgson die Herzen aller Schweizer Fussballfans eroberte. Er führte die Nationalmannschaft an die WM 1994, es war das erste Turnier nach einer Durststrecke von 28 Jahren. Aus dem Engländer wurde «King Roy».
Damals liess Hodgson ein klassisches 4-4-2 spielen. Aber er wäre längst kein gefragter Trainer mehr, hätte er sich seit den Zeiten von Sforza, Sutter und Chapuisat nicht mit dem Fussball verändert. Bei Crystal Palace setzt er auf ein 4-3-3 offensiver Ausprägung, mit dem er nicht nur die eigenen Fans verzückt. «In einer Zeit, in der viele Mannschaften spielen, damit sie um jeden Preis gewinnen, erinnert Crystal Palace an Entertainer vergangener Tage», geriet der «Guardian» ins Schwärmen. Die Mannschaft spiele mutig und gehe Risiken ein. «In voller Fahrt ist das pure Südlondoner Prahlerei.»
Er habe eben die richtigen Spieler für diese Spielweise, betonte Hodgson: «Wenn man eine gute, offensive Mannschaft werden will, kann man arbeiten und die Taktik so gestalten, wie man will, aber es kommt auf die Qualität der Spieler an.»
Dabei ginge es nicht bloss um die Stürmer. «Die anderen Spieler haben die Angreifer immer wieder unterstützt und den Ball rasch zurückerobert, wenn er verloren ging», sagte er nach dem 4:3-Sieg über West Ham. Noch vier Spiele, dann ist die Saison vorbei. Und Roy Hodgsons Karriere?
Wenn die neue Saison beginnt, wird der Trainer 76 Jahre alt sein. Crystal Palaces Klubboss Steve Parish hielt sich zuletzt bedeckt, was die Zukunft betrifft: «Roy macht seine Arbeit und wir sind natürlich viel glücklicher als noch vor ein paar Wochen.»
Vielleicht kommen Parish und seine Führungsriege zum Schluss, dass ein anderer Trainer besser geeignet ist. Aber selbst wenn, muss das noch lange nicht heissen, dass die Trainerkarriere von King Roy vorbei ist.