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So ein Tag, so wunderschön wie heute, So ein Tag, der dürfte nie vergehn. So ein Tag, auf den man sich so freute, Und wer weiss, wann wir uns wiedersehn.
Ein Bild für Götter. Palmen. Sonne. Ein kühler Wind streicht sanft über die Wasser der Lagune, die nach dem portugiesischen Kavallerie-Offizier Rodrigo de Freitas benannt ist. Ein Panorama für eine Hochzeitsreise. Ein Tag, viel zu schön, um verlieren zu können.
Die weltberühmte Christus-Statue oben auf dem Berg des Buckligen kehrt der wunderschönen Naturarena halb den Rücken zu. Der Pessimist bangt, sie habe sich abgewandt von den «Gringos» aus der Schweiz und interessiere sich nicht für unser olympisches Schicksal. Der Optimist geht davon aus, dass sie Unheil von unserer Galeere des Ruhmes fernhalten wird.
Die olympischen Optimisten behalten recht. Lucas Tramèr (26), Simon Schürch (25), Simon Niepmann (31) und Mario Gyr (31) rudern zu höchsten olympischen Ehren.
Sie tun es im Stile einer perfekt getunten Maschine. Mit der Präzision und Regelmässigkeit eines handgefertigten mechanischen Uhrwerkes greifen die Ruder ins Wasser. Zug um Zug. Eine sportliche Machtdemonstration. Eine geballte Ladung aus Dynamik, Präzision, Kraft, Wille und Technik.
Vier mit natürlichem Testosteron geladene, bis in die Haarspitzen motivierte Männer entladen in knapp sechs Minuten ihre ganze Energie.
Anfänglich lagen die Dänen noch vorne. Es ist der verzweifelte Fluchtversuch der Chancenlosen. Spätestens nach halber Distanz ist klar, dass unser famoses Quartett siegen wird.
So ein Tag, so wunderschön wie heute, So ein Tag, der dürfte nie vergehn.
Es gibt glückliche, verdiente, unverdiente, zufällige, kuriose, unerwartete oder dramatische Siege. Dieser goldene Triumph ist der perfekte Sieg. Gold geplant, Gold gewollt, Gold geholt. So geradlinig, wahr und klar ist der Auftritt der vier Eidgenossen.
Alles hat gepasst. Ein verhaltener Beginn des olympischen Abenteuers mit einem 3. Platz im Vorlauf. Dann eine Machtdemonstration mit Bestzeit im Halbfinale, die allen Gegner den Mut raubte, und nun die unwiderstehliche Finalfahrt auf den höchsten olympischen Gipfel.
Hier geht es tatsächlich um Ruhm, um Ehre, um Emotionen. Und nicht um Geld wie sonst (fast) allerorten im Sportbusiness des 21. Jahrhunderts. Dieses Boot ist eine goldene Galeere des Ruhmes. Nicht die Aussicht auf Reichtum hat die vier angetrieben. Es ist die pure Leidenschaft für den Sport. Für die Erfüllung des olympischen Traumes haben sie jahrelange Mühsal und den Verzicht auf so viele weltliche Zerstreuungen und Genüsse in Kauf genommen.
Simon Schürch studiert Volkswirtschaft. Er kennt also die Farbe des Goldes und des Geldes und wird nach dem Rennen gefragt, ob er als angehender Ökonom sagen könne, wieviel Geld dieses olympische Gold nun bringe.
Die Frage überrascht ihn. Er schaut seine Medaille an, dann den Fragenden und sagt, Geld sei noch nie ein Thema gewesen. Er wisse nicht einmal, wie hoch die offizielle Prämie sei. «Es geht um die Emotionen, um das Erleben dieses Augenblickes.»
Alle konnten dank ihren Geldgebern, den Zuwendungen ihres Fachverbandes und von Swiss Olympic das Studium unterbrechen und sich wie Profis auf Rio vorbereiten. «Wir konnten gut leben» sagt Simon Schürch. Er scheint gar nicht daran gedacht zu haben, dass es mehr als nur zum Leben reichen könnte.
Nun ist die Zeit auf der «Galeere des Ruhmes» abgelaufen. Die «Fab Four» werden nach der Schlussfeier in die Schweiz heimfliegen und Mitte September an die Uni zurückkehren. Lucas Tramèr studiert Medizin, Simon Schürch Volkswirtschaft, Simon Niepmann Sport und Mario Gyr Jura. Eine goldene Studentenverbindung.
Sie könnten vom Alter her 2020 in Tokio noch einmal antreten. Aber vielleicht haben wir gestern ihren letzten Auftritt gesehen. Es kann sein, dass die gemeinsame Karriere mit diesem grandiosen sportlichen Feuerwerk zu Ende gegangen ist und nun verglüht. Festlegen will sich keiner. Mario Gyr sagt es so: «Jetzt werden wir erst einmal feiern. Wir haben nicht über diesen Tag hinaus geplant.»
… Und wer weiss, wann wir uns wiedersehn.
Der Schluss ist, als sei es ein Hollywood Film. Die internationale Medienkonferenz nach dem Wettstreit wird in einem alten, ausgedienten Kinosaal gleich neben dem Wettkampfgelände abgehalten.
Die Chronistinnen und Chronisten sitzen in weichgepolsterten Kinosesseln. Vorne, dort wo die Leinwand war, sitzen die Helden des Tages und stehen Red und Antwort. Sie haben eine Geschichte geschrieben, die besser ist als ein Kinofilm.
Vor vier Jahren, nach der Enttäuschung von London («nur» Platz 5), hatten sich die vier jungen Männer vorübergehend getrennt. Vor zwei Jahren haben sich wiedergefunden. Mario Gyr sagt, Rudern sei wie das richtige Leben eine Fahrt auf der Achterbahn. «Mal bist du oben, mal unten. Wichtig ist, im richtigen Augenblick oben zu sein.»
So wie gestern.
Der goldene Masterplan ist aufgegangen, weil vier intelligente junge Männer die richtige Einstellung gefunden haben. Ein Selbstvertrauen, wie wir es sonst nur von amerikanischen Athleten kennen.
Aber keine Arroganz. Vielmehr eine Bescheidenheit, wie sie für uns Schweizer typisch ist, und eine Leidenschaft, die im Sport immer stärker ist als Geld. Geld und Geist, der helvetische Klassiker.
Ich weiss, es ist sportpolitisch nicht korrekt und ich sollte es nicht sagen. Aber wenn unsere Fussballstars einmal mit der gleichen Einstellung wie diese vier Ruderstudenten in ein Titelturnier steigen würden, dann hätten wir schon mehrmals mindestens das WM-Halbfinale erreicht.
Habe fertig, entschuldige mich.