Als Jefferson Louis vor Freude durch die Kabine rennt, sieht eine ganze Nation seinen blanken Hintern. Eben noch sass er im Gefängnis, nun beschert das Los im FA Cup ihm und Oxford United das grosse Arsenal als Gegner. Es ist Louis' Lieblingsteam seit Kindesbeinen an.
Mehr als zwei Jahrzehnte ist das nun her und es war ein Höhepunkt in der langen Karriere des Stürmers. «Den Moment, als Arsenal ausgelost wurde, werde ich nie vergessen. Ich kann gar nicht beschreiben, wie es sich angefühlt hat», sagte Louis nach seinem Rücktritt, den er mit nun 46 Jahren verkündet hat, zur BBC.
The GOAT of journeymen, Jefferson Louis, has finally retired from football 🥺🐐
— OneFootball (@OneFootball) June 5, 2025
Just the 51 transfers 😭 pic.twitter.com/8UzADiBDoo
Louis hatte Oxford gegen den Rivalen Swindon Town zum Sieg geschossen und das Duell mit den «Gunners» dadurch überhaupt möglich gemacht. «Als wir im Highbury spielten, riefen die Fans beider Mannschaften meinen Namen. Das werde ich nie vergessen.»
Die 0:2-Niederlage gegen Dennis Bergkamp, Giovanni van Bronckhorst und Co.? Geschenkt. Das Trikot von Weltmeister Robert Pires bekam einen Ehrenplatz in Jeff Louis' Sammlung.
Man schrieb das Jahr 1996, als der Londoner seine Karriere hoffnungsvoll begann. Louis stürmte für kleinere Klubs wie die Risborough Rangers oder Thame United, mit dem Ziel «Profifussball» vor Augen. Der Traum schien geplatzt, als er eine sechs Monate lange Gefängnisstrafe absitzen musste, zu der er wegen gefährlichen Fahrens und ohne im Besitz des Führerausweises zu sein, verurteilt worden war.
Die Zeit hinter Gittern wurde zu einem Wendepunkt. Ihm sei ein Licht aufgegangen, erzählt er rückblickend. Es sei ihm klar geworden, dass er mit seinem Leben etwas anfangen sollte. Louis trainierte im Gefängnis, verliess es stärker und in besserer Verfassung, als er es betreten hatte. Thame United nahm ihn wieder auf, aber der Trainer sah seinen Stürmer zu Höherem berufen und empfahl ihn Oxford United. Vierthöchste Liga, aber immerhin: Louis war im professionellen Fussball angekommen. Der Traum ging in Erfüllung.
Und eine schier unendliche Reise durch die unteren Ligen nahm Fahrt auf. Auf 51 Transfers brachte es der Stürmer, er war bei 42 verschiedenen Klubs. Vier Mal ging er bei Thame United auf Torjagd, auch in der vergangenen Saison, seiner letzten, in der 7. Liga. Louis verlässt die Bühne nach 903 Spielen und 293 Treffern. Im Profibereich spielte er für Oxford United, die Bristol Rovers und Mansfield Town.
Vollprofi ist er längst nicht mehr, mittlerweile arbeitet er mit schwierigen Jugendlichen, die von der Schule flogen. «Ich vermittle ihnen, dass jeder Fehler machen muss, um daraus zu lernen», sagte er mit Blick auf seinen Aufenthalt im Gefängnis. «Wenn ich einem Kind helfen kann, ist das ein Gefühl wie ein Tor zu erzielen. Ich möchte, dass sie ihr wahres Potenzial ausschöpfen und es gibt mir sehr viel, wenn ich sehe, wie sie ihre Träume verwirklichen können.»
Ihm selber ist das gelungen. Bis ins Nationalteam schaffte er es. Zwar nicht für England, aber in der Qualifikation für die WM 2010 lief er für Dominica auf. Bei der 0:1-Niederlage auf Barbados, seinem einzigen Länderspiel, stürmte er an der Seite eines Cousins. Eine Fussnote in der internationalen Fussballgeschichte, ein Höhepunkt im Leben des Rastlosen.
Mit der Weltmeisterschaft in Südafrika wurde es nichts. Jefferson Louis' Alltag ging in England weiter. Er spielte für Worthing und Stevenage, für Eastleigh und Yeading, ging zu Havant & Waterlooville, Rushden & Diamonds, Hayes & Yeading und Hampton & Richmond. Er schoss Tore für Wrexham, Brackley Town und Lincoln City, und er war auf Stippvisite bei Lowestoft Town, Banbury United und Beaconsfield Town. Die Liste liesse sich fortsetzen.
Aber irgendwann kommt für jeden Fussballer der Moment, an dem es nicht mehr weitergeht. Mit 46 Jahren ist er nun für Jefferson Louis da. «Ich war ein kleiner Junge mit einem grossen Traum und ich habe ihn gelebt», fasste er zusammen. Nun wolle er der nächsten Generation etwas zurückgeben. Slough Town hat ihn als Assistenztrainer angestellt, der sich vor allem um die Angreifer kümmern und den jungen Spielern ein Mentor sein soll.
Zu erzählen hat der «Godfather of all journeymen» bestimmt jede Menge.
Jefferson Louis reading out his career path to his grandkidspic.twitter.com/5iwDtfDKgL
— (𝓡)𝔂𝓪𝓷𝓷 𝓜𝓲𝓰𝓷𝓪𝓷𝓸 (@Ryann_BRFC_95) June 4, 2025