Alle zwei Jahre wieder. Zur Heim-EM 1996 erschien der Kult-Fussballsong «Three Lions (It's Coming Home)», in dem von «thirty years of hurt» die Rede ist, dreissig schmerzvollen Jahren.
Mittlerweile wurden daraus 58 Jahre. So lange warten die Engländer nun schon darauf, dass sie nach dem WM-Titel 1966 wieder einmal einen Pokal in die Höhe stemmen dürfen. Am Sonntag (21 Uhr, Berlin) im EM-Final gegen Spanien steht England zum erst dritten Mal im Endspiel eines grossen Turniers.
Der bis heute einzige Weltmeistertitel Englands ist unzertrennbar mit einem der berühmtesten Tore der Fussballgeschichte: dem sagenumwobenen Wembley-Goal. Ewig stritten sich Sachverständige, ob der Ball beim 3:2 durch Geoff Hurst in der Verlängerung gegen Deutschland im vollen Umfang hinter der Linie war. Zahllose Analysen führten zum Schluss, dass der Treffer knapp sechs Jahrzehnte später und in einer Zeit mit Torlinientechnik und Videoschiedsrichter mutmasslich keine Anerkennung fände.
Doch damals im Wembley hatte der Basler Schiedsrichter Gottfried «Godi» Dienst diese Hilfsmittel noch nicht. Stattdessen bat er den sowjetischen Linienrichter Tofik Bachramow um seine Einschätzung. Dieser nickte eifrig, worauf Dienst zum Anspielpunkt zeigte. Geoff Hurst schoss beim 4:2-Sieg nach Verlängerung drei Tore und war damit der einzige Fussballer mit einem Hattrick in einem WM-Final, bis dies 2022 auch dem Franzosen Kylian Mbappé gelang.
Wie 1966 war das Wembley für England erneut die Heimstätte, mit Ausnahme des Viertelfinals gegen die Ukraine, der in Rom ausgetragen wurde, hatten die «Three Lions» an der multinationalen «Corona-EM» Heimvorteil. Nach zwei 1:0-Siegen gegen Kroatien und Tschechien sowie einem torlosen Unentschieden gegen Schottland erreichte England als Gruppensieger die K.o.-Phase.
Dort kassierte die Abwehr um Goalie Jordan Pickford auch beim 2:0 gegen Deutschland und beim 4:0 gegen die Ukraine keinen Gegentreffer. Erst gegen das überraschende Dänemark musste Gareth Southgates Team beissen, Harry Kane nahm in der Verlängerung beim 2:1-Sieg ein Penaltygeschenk dankend entgegen.
Elfmeter entschieden auch im Final. Gegen Italien führte England dank Luke Shaws Tor in der 2. Minute schon sehr früh, nie waren die Fans mit ihrem «It's Coming Home» näher an der Realität. Nach Leonardo Bonuccis Ausgleich ging es ins Penaltyschiessen, wo die Engländer nach je zwei Schützen 2:1 vorne lagen. Doch dann schoss Marcus Rashford an den Pfosten und Gianluigi Donnarumma parierte die Versuche von Jadon Sancho und Bukayo Saka. Während Italien mit dem Pokal heimkehrte, geriet das dunkelhäutige England-Trio, das aus elf Metern scheiterte, in den Fokus von Rassisten.
Saka stand im Viertelfinal gegen die Schweiz erneut im Mittelpunkt. Er glich in der 80. Minute den 0:1-Rückstand aus und er zeigte im Penaltyschiessen, wo er als dritter Schütze Yann Sommer bezwang, dass er die Dämonen der Vergangenheit erfolgreich bekämpft hatte.
Und nun also Spanien. Im dritten Final soll für die Engländer der zweite Titelgewinn her – 58 schmerzvolle Jahre sind genug.