«Hopp Schwiiz! Hopp Schwiiz!», schallt es über das Trainingsgelände der Schweizerinnen. Auf die Zurufe folgt Applaus. Es sind nicht Schweizer Fans, die das Team am Montag anfeuern. Kinder aus der gegenüberliegenden Schule sind eingeladen worden, dem Training beizuwohnen.
Die zwei Wörter Schweizerdeutsch lernten sie von Eduard Walthert. Seit 34 Jahren lebt der Oberdiessbacher aus dem Kanton Bern in Dunedin, dem WM-Spielort der Schweizerinnen in Neuseeland. Er streckt beide Daumen in die Höhe, um seine Freude an den Jubelrufen auszudrücken.
Waltherts Worte sind kaum zu hören. Dass die Schweiz in seiner Wahlheimat spiele, bedeute ihm viel. «Es ist ‹quite emotional›», es sei ziemlich emotional, sagt er in einem Mix aus Schweizerdeutsch und Englisch. «Ich empfinde kein Heimweh, aber Stolz.»
Die Schülerinnen und Schüler empfinden an diesem Montagmorgen besonders eins: Aufregung. Nach dem Training dürfen sie von den Spielerinnen Autogramme sammeln. Auch wenn sie ihre Namen nicht kennen. «Ich sehe die Schweizerinnen heute zum ersten Mal», sagt Schülerin Isabel. Sie komme aus einer fussballbegeisterten Familie. Doch schaue sie die Spiele lieber, als auf dem Rasen zu stehen.
Ihre Schulkameraden kicken selbst. «Ich bin ein Veteran», sagt Schüler Hunter, der seit vier Jahren Fussball spielt. Auch er kennt die Namen der Schweizerinnen nicht. Er und seine Freunde feuern das Heimteam an. «Aber wenn die Schweiz nicht gegen Neuseeland spielt, dann bin ich für die Schweiz», sagt Mitschüler Haapea und schielt dabei aufs Spielfeld. Die Aufmerksamkeit und Stimmbänder der elf- und zwölfjährigen Schülerinnen und Schülern gehören während der Trainingseinheit ganz den Schweizerinnen.
Ruhiger ist es im Stadtzentrum rund fünf Kilometer vom Trainingsgelände entfernt. In den Hauptstrassen hängen Banner mit dem Logo der Weltmeisterschaft von den Strassenlampen. Sonst ist noch nicht viel vom Grossanlass zu sehen. «Es ist schwierig, zu spüren, ob Vorfreude da ist», sagt die Schweizer Verteidigerin Julia Stierli an der Pressekonferenz nach dem Training.
Tickets für das erste Spiel gegen die Philippinen wurden teilweise gratis abgegeben. Das sei zwar schade, sagt die Stürmerin Géraldine Reuteler. Leere Sitzplätze seien dies aber auch. Manchmal würden die Spielerinnen auf der Strasse angesprochen. «Wir tragen auch unsere dicken Jacken», sagt Reuteler. Darin sind sie als Schweizer Spielerinnen unverkennbar.
Im Schaufenster des Touristenzentrums liegen die offiziellen WM-Fussbälle und steht ein Plüsch-Maskottchen. Ein Tourist steht davor. Wegen der WM sei er nicht in der Stadt, sagt der Mann aus China. Für Fussball interessiere er sich nicht besonders. Wenn er die Möglichkeit hätte, würde er aber gerne ein Spiel schauen gehen.
Ähnlich geht es auch anderen Passantinnen und Passanten. «Ich werde Japan gegen eine andere Mannschaft schauen», sagt einer. Das zweite Land ist ihm entfallen. Ans Spiel gehe er, weil seine Schwester die Tickets gewonnen habe. «Viele gehen hin, weil es einfach ein grosser Sportanlass ist.»
Von der Mund-zu-Mund-Propaganda beeinflusst habe sie sich Tickets gekauft, sagt eine Studentin. Studienkolleginnen und -kollegen würden als Volontäre im Stadion arbeiten. Sie wird sich das Spiel Portugal-Niederlande anschauen. «Ich habe gehört, dass die Niederländerinnen gut sein sollen», sagt sie. Das Schweizer Team ist der Studentin nicht bekannt.
Ein eingefleischter Fussballfan findet sich schliesslich doch. Seinen Kindern wolle er ein echtes Fussballspiel zeigen, sagt der Informatiker. Tickets hat er ebenfalls für Portugal-Niederlande. «Ich bin ursprünglich aus Grossbritannien und daher wohl an Fussball interessiert», sagt er. Dort heisse es «Bier und Fussball», in der Region um Dunedin heisse es eher «Bier und Rugby».
Zu genügend Bier werden die Einwohnerinnen und Einwohner von Dunedin auch kommen, wenn sie sich nicht primär für Fussball interessieren. Die Stadt offeriert ein gratis Rahmenprogramm. In der Stadthalle finden ab dem Auftaktspiel verschiedene Konzerte statt – und die Spiele werden im Public Viewing gezeigt.
Besonders jungen Menschen der Universitätsstadt werde dies gefallen, sagt eine Dozentin. Sie selbst wird sich am Freitag das Schweizer Startspiel gegen die Philippinen anschauen. «In Auckland wohnhafte Freunde sind Schweizer und reisen extra an.» Die Euphorie rund um die WM werde kurz vor Anpfiff noch zunehmen, ist sie überzeugt. «Heute hörte ich im Radio, dass wir einfach eine ‹Last-Minute-Nation› sind.» (ram/sda)