Gefühlt ist die Schweiz in der Gruppe I der EM-Qualifikation ihren Gegnern so überlegen, dass sie auf dem Weg ans Turnier 2024 in Deutschland nur Testspiele zu bestreiten hat, bei denen es ausnahmsweise Punkte gibt. Doch die Realität sieht anders aus.
19. Juni, Luzern. Die Schweiz führt gegen Rumänien 2:0 und kassiert in der 89. und 92. Minute noch Gegentore zum 2:2-Endstand.
9. September, Pristina. Die Schweiz führt gegen Kosovo bis zur 94. Minute, ehe sie noch den Ausgleich kassiert. Wieder nur ein 2:2.
12. September, Sion. Gegen Andorra steht es 84 Minuten lang bloss 1:0, ehe die Nati noch zwei Tore zum 3:0-Sieg nachlegen kann.
15. Oktober, St.Gallen. Gegen Belarus führt die Nati zunächst, ehe sie 1:3 in Rückstand gerät. Dank eines Doppelschlags in der 89. und 90. Minute schafft sie noch ein 3:3.
Man muss schon ein gnadenloser Optimist sein, um in erster Linie das Positive zu sehen: dass dieses Schweizer Nationalteam offenbar für grosses Spektakel bürgt. Was grundsätzlich zu befürworten ist, wird in diesem Fall zum ungewünschten Begleiter. Denn der Schweiz gehört die Favoritenrolle in dieser Gruppe so klar, dass alles andere als ein Sieg jeweils enttäuschend ist.
Noch immer sieht es nach einer EM-Qualifikation aus, und letztlich steht das Resultat im Fussball immer über dem Wie. Trotzdem gibt es einigen Grund zur Sorge.
Murat Yakin ist ein eloquenter Mann. Aber im SRF-Interview nach dem 3:3 gegen Belarus ringt er oft nach Worten. Dann und wann rettet er sich in Floskeln, lobt den Gegner für dessen Effizienz. Auf Fragen, weshalb sein Team es zugelassen habe, gegen Belarus drei Tore zu erhalten, findet Yakin offenbar keine Antwort; er weicht diesen Fragen aus.
Captain Granit Xhaka, der mit nun 118 Länderspielen mit dem Schweizer Rekordhalter Heinz Hermann gleichzog, wirkte ebenso ratlos wie sein Trainer. «Es ist schwer zu erklären, wie das drei Mal passieren kann», sagte Xhaka über die drei Unentschieden in den letzten vier Spielen.
Es kann immer vorkommen, dass ein Favorit gegen einen Aussenseiter ein Gegentor kassiert. Aber nicht gegen drei Gegner zwei, zwei und drei Treffer. Das ist schludrig. Das Stellungsspiel war schwach, der Zweikampfwille zu wenig ausgeprägt.
«Wenn wir eine grosse EM spielen wollen, dann genügt das nicht», betonte Routinier Xherdan Shaqiri. «80 Prozent reichen nicht, egal gegen wen du spielst. Wir dürfen nicht zu bequem werden», warnte er.
Gegentore sind das eine, nicht erzielte eigene Tore das andere. Denn der Schweiz gelingt es durchaus, ihren vielen Ballbesitz in Chancen umzumünzen. Gegen Belarus kam sie zu 24 Abschlüssen, davon sieben aufs Tor.
Doch die Schweizer Offensive macht zu wenig aus ihren Chancen. Auch gegen die Belarussen war die erste Halbzeit dominant, das Resultat von 1:0 aber zu knapp. «Sie hatten drei Möglichkeiten und schiessen drei Tore, wir hatten etwa zehn oder zwölf Möglichkeiten und schiessen ebenfalls drei Tore», erkannte Verteidiger Manuel Akanji.
Hat er das wirklich gesagt? Zurückspulen. Nochmals hinhören. Tatsächlich. Murat Yakin sagt: «Defensiv musst du gegen diese Mannschaften nicht vorbereiten, vielmehr in der Offensive. Wir hatten Lösungen, nützten sie aber nicht effizient aus heute.»
Man kann Yakins Überlegungen durchaus verstehen; in der Tat musste es das hauptsächliche Ziel sein, Tore zu schiessen. Aber mit seiner Wortwahl tat er sich keinen Gefallen, denn damit macht er sich angreifbar. «Defensiv musst du gegen diese Mannschaften nichts vorbereiten» – den Satz könnte er noch bereuen. Yakin untermauert damit das Klischee der Überheblichkeit. Auch dass unterschwellig bei den Nati-Protagonisten oft ein «Easy, das wird schon» durchschimmert, kommt nicht gut an. Der Ton macht die Musik. Und gegen Kleine will das Publikum Siege und kein Gemurkse.
In einem Monat wird die Gruppenphase der EM-Qualifikation abgeschlossen. Die Nati wird dann innerhalb von sieben Tagen drei Partien austragen. Allerdings ist die erste – das zuletzt verschobene Auswärtsspiel gegen Israel – noch nicht in Stein gemeisselt. Wohl am realistischsten scheint derzeit ein Spiel am 15. November auf neutralem Boden zu sein.
Danach folgen am 18. November das Heimspiel gegen Kosovo in Basel und zum Abschluss am 21. November in Bukarest das Auswärtsspiel gegen Rumänien. Als vor einem Jahr die Gruppen ausgelost wurden, hätte wohl kaum jemand in der Schweiz gedacht, dass es dann noch spannend sein könnte.
Von „Arbeit“ zu sprechen ist aus seinem Mund unglaubwürdig - insbesondere auch für die Spieler.
Oder fragt mal Constantin.
Dieses geduldige, auf Abwarten ausgerichtete Spiel ist gegen potenziell unterlegene Gegner extrem langweilig anzuschauen. Schon deswegen sollte es auch mal das Ziel sein, ein Andorra (als Beispiel) mit sieben oder acht Toren Differenz wegzuhauen, und sich nicht immer nur aufs Minimum zu beschränken.