Der Pass von der Mitspielerin wird zwar in ihren Rücken gespielt, doch Alisha Lehmann weiss sich zu helfen. Hinter ihrem Standbein schiesst sie den Ball und trifft ins Tor – «Rabona» wird dies im Fachjargon genannt.
Obwohl sich die Szene im Training und nicht in einem Spiel ereignet, zeigt sie, wie talentiert Lehmann auf dem Fussballplatz ist. Trotz ihrer Qualitäten ist die 24-Jährige jedoch eine der kontroversesten Fussballerinnen.
Dies liegt vor allem daran, dass Lehmann neben ihrer sportlichen Karriere auch in den sozialen Medien sehr erfolgreich ist. Knapp 14 Millionen Menschen folgen ihr auf Instagram, auf TikTok sind es weitere neun Millionen. Damit ist sie nicht nur die WM-Teilnehmerin mit den meisten Followerinnen, sondern auch unter den Schweizer Sportlern an der Spitze. Nicht einmal Roger Federer kann mit Lehmann mithalten. Täglich unterhält Lehmann ihre Fans mit kurzen Videos oder Fotos – und muss sich deshalb immer wieder Kritik anhören.
Nicht zuletzt, als sie im letzten Sommer eine Nati-Pause einlegte und auf die Europameisterschaft in England verzichtete. Sie fühlte sich «mental nicht bereit», wie sie in der Mitteilung des Schweizerischen Fussballverbands (SFV) sagte. Lehmann sei unprofessionell, ihr wäre der Fussball egal, hiess es vonseiten ihrer meist männlichen Kritiker. Sie müsse sich halt auf ihr Influencer-Dasein konzentrieren, wurde gemutmasst.
Alles Quatsch, stellte Lehmann nach ihrer Nati-Rückkehr im Februar dieses Jahres klar: «Ich bin zu 100 Prozent Fussballerin.» Den genauen Grund für das EM-Forfait verriet sie nicht, da dieser persönlich sei und sie ihn nur mit Freunden und Familie teilen wolle. Doch sei sie nun wieder bereit, anzugreifen: «Ich bin einfach mega happy, wieder in der Nati zu sein.»
Den Fussball entdeckte Lehmann bereits früh als Leidenschaft – obwohl es erst im zweiten Anlauf matchte. Als sie mit acht Jahren beim FC Konolfingen anfing, hielt es sie vorerst nur ein halbes Jahr im Klub. Als einziges Mädchen in einem Team voller Jungs «war es nicht so lustig», sagte sie später einmal dem Frauenfussball-Magazin. Doch lange kam das Mädchen aus Tägertschi im Kanton Bern nicht ohne den Ball aus. Bereits nach einem Jahr verspürte sie «plötzlich wieder Lust auf Fussball», und dieses Mal blieb sie dabei. Auch, weil sie nicht mehr das einzige Mädchen im Team war.
Von da an zeigte ihr Weg steil nach oben: Ab der U14 spielte Lehmann für YB, gleichzeitig trainierte sie von der U13 bis zur U15 dreimal wöchentlich mit den männlichen Nachwuchsteams, wovon sie sehr profitierte. In den Junioren-Nationalmannschaften war sie ebenfalls ein wichtiger Bestandteil und schaffte 2015 mit der U17-Nati den Sprung in den EM-Halbfinal. Ein halbes Jahr später wurde sie im Alter von 17 Jahren bei YB ins Nationalliga-A-Team hochgezogen. Schon dort glänzte sie mit ihrer Schnelligkeit und empfahl sich so im Sommer 2018 für einen Wechsel nach England.
Auf der Insel schloss sie im Fernstudium die Handelsschule, die sie parallel zu ihrer Karriere in Bern begann, ab. Zweieinhalb Jahre spielte Lehmann für West Ham in London, gleich in ihrer Premierensaison in der Women's Super League war sie gesetzt und brillierte mit sechs Toren sowie drei Assists. Danach erlitt Lehmann jedoch einen Riss des Syndesmosebandes, aufgrund dessen sie mehrere Monate pausieren musste und bei West Ham nicht mehr ganz an die starken Leistungen der ersten Saison anknüpfen konnte.
Nach einer halbjährigen Ausleihe zu Everton wechselte sie im Sommer 2021, mittlerweile 22-jährig, nach Birmingham zu Aston Villa. Dort gehörte sie in den zwei Saisons seit dem Transfer stets zum Stammpersonal und konnte mit fünf Toren und zwei Assists in 22 Spielen ihren Beitrag zum fünften Platz und damit dem besten Ergebnis in der Vereinsgeschichte leisten.
Gleichzeitig baute sich Lehmann mit ihrem Auftritt in den sozialen Medien ein zweites Standbein auf. Vor zwei Jahren sei es plötzlich explodiert, erzählte sie in einem Interview mit Sky. Damals hatte die Bernerin noch rund zwei Millionen Follower, nun verdiene sie damit «vermutlich sechsstellige Summen», wie Social-Media-Expertin Caroline Schmidt gegenüber 20 Minuten sagte. Dies verdanke Lehmann ihrer guten Content-Strategie: einem passenden Mix aus Privatem und Beruflichem sowie «clever eingesetzten Reizen».
Als Lehmann zuerst gemeinsam mit Nati-Kollegin Ramona Bachmann ein Paar bildete und nach der Trennung und ihrem Wechsel zu Aston Villa dann eine Beziehung mit Fussball-Profi Douglas Luiz führte, versorgte sie ihre Followerinnen auch mit Bildern aus den gemeinsamen Ferien in Dubai, auf den Malediven oder in Brasilien. Doch während ein bisexueller Fussballer noch für viel mehr Aufruhr sorgen würde, sagt Lehmann: «Für uns im Frauenfussball ist es normal. Hier wird jede akzeptiert.»
Dass sie den Fussball aufgrund der sozialen Medien vernachlässige, sei überhaupt nicht der Fall, betont Lehmann. «Für die sozialen Medien ist nicht so viel Arbeit nötig, wie viele denken.» Sie sei zwar dankbar für die Unterstützung ihrer insgesamt über 20 Millionen Fans, wie sie die Followerinnen und Follower nennt, am Ende ist es für Lehmann aber genau das: Arbeit, ein Business. So wie für viele ihrer männlichen Berufskollegen auch. Wieso sie dafür stärker kritisiert wird, versteht sie nicht: «Ich weiss nicht, warum da ein Unterschied gemacht wird.» Frauen würden überall anders angeschaut als Männer und teilweise gar belächelt, obwohl sie genau gleich viel trainieren und spielen würden wie die Männer.
Ebenso wenig versteht Lehmann, dass sich gewisse Leute an ihrem Aussehen auf dem Platz stören: «Ich will mein Make-up machen – aber dann darf ich nicht mehr Fussball spielen?» Dass Fussball-Profis, die Wert auf ihr Aussehen legen, belächelt werden, kommt auch bei den Männern vor. Wie beispielsweise bei David Beckham oder Cristiano Ronaldo.
Nur schwingt in den negativen Kommentaren über Lehmann und ihre Kolleginnen oftmals eine sexistische Note mit. Dabei hat es für die Fussballerin einen einfachen Grund, dass sie sich auch vor Spielen schminkt: «Ich mag es. Warum muss ich mich entscheiden, ob ich Fussballerin oder Influencerin bin? Ich bin eine Frau, ich will aussehen wie eine Frau.»
Wirklich beschäftigen tun die Meinungen dieser Leute Lehmann aber nicht. Vielmehr, betont sie, würden sie ihr Kraft geben und sie noch zusätzlich motivieren. Ohnehin glaubt sie, dass viele der Kritiker sich im Fussball der Frauen kaum auskennen oder sogar noch nie ein Spiel gesehen haben. Gegenüber Sky sagt die 40-fache Nationalspielerin darüber: «Darin liegt das Problem. Denn wenn diese Leute eines unserer Spiele besuchen, ist eine häufige Reaktion: ‹Oh, die können ja wirklich Fussball spielen.›»
Die nächste Möglichkeit, um sich von den Qualitäten von Lehmann und Co. überzeugen zu lassen, ist die Weltmeisterschaft in Neuseeland und Australien, die für die Schweiz am Freitag beginnt. «Ich freue mich sehr, dabei zu sein und für mein Land zu spielen», sagte Lehmann nach der Kaderbekanntgabe zu watson. «Down Under» tritt die Schweiz an, um in einer Gruppe mit Neuseeland, Norwegen und den Philippinen die Qualifikation für den Achtelfinal zu schaffen. Dabei dürfte Nati-Trainerin Inka Grings auch auf die schnelle Aussenstürmerin setzen, die ihre Millionen von Fans auch aus Neuseeland unterhalten wird.
Auf und neben dem Platz.
Gibt auch bei den Männern welche, die sich aufbretzeln und die Frisur während der Halbzeitpause wechseln, oder ihre Nägel machen.
C'est la vie🤷🏼♂️
Ich finde den Artikel schwierig, denn es klingt so, als würde A.L. finden, für das Frausein ist dicke Schminke unabdingbar. Da sehr wenig Kontext bei ihren Zitaten dabei ist hoffe ich darum, dass ihre Aussagen einfach unglücklich aus dem Kontext gerissen wurden.
Wiedemauchsei... Soll sie doch🤷🏼♀️ ihr Erfolg spricht für sich.
Schön wenn sie so Geld verdienen kann und zufrieden ist. Als Fussballer/in zählt schlussendlich die Leistung auf dem Platz. Auch wenn die Follower den Marktwert erhöhen.