27 Minuten brauchte Seraina Piubel für ihr erstes Saisontor. Es war das 1:0 im Auftaktspiel der Schweizer Meisterinnen des FC Zürich gegen den FC Aarau. Eine halbe Stunde später doppelte Piubel nach. Beklatscht wurden ihre Tore auf dem Sportplatz Heerenschürli am Zürcher Stadtrand von rund 150 Zuschauern und Zuschauerinnen. Ein trister Rahmen.
Was für ein Unterschied für die 23-jährige Stürmerin zum vor wenigen Wochen erlebten WM-Hype. Auch auf der grossen Bühne war sie erfolgreich, traf im Eröffnungsspiel der Schweiz gegen die Philippinen. Da waren 14'000 Fans im Stadion und rund 100'000 daheim vor dem TV. Und als sich Piubel mit ihren vier FCZ-Teamkolleginnen und dem Schweizer Nationalteam für die WM-Achtelfinals qualifizierte, schaute im SRF fast eine halbe Million zu.
Enttäuscht, dass von diesem Interesse und von dieser Begeisterung zum Start in die neue Saison nicht viel übrig blieb, ist Piubel nicht. «Wir kennen es nicht anders und schätzen einfach jeden Fan, der kommt.» Es brauche Zeit und Geduld, so Piubel. «Und die haben wir. Wir sind schon viel weiter als noch vor ein paar Jahren. Man darf wegen der WM nicht zu schnell zu viel erwarten.»
Die Frauen des FCZ sind nicht alleine. Klar, die Women's Super League wird mehrheitlich auf Breitensportanlagen gespielt. Das ist wenig attraktiv. Doch auch wenn es mal ins Stadion geht, kommen die Fans nicht in Scharen. Das Spiel zwischen St.Gallen und den Young Boys fand am Samstag im Kybunpark statt. Es waren trotzdem nur rund 500 Zuschauerinnen und Zuschauer dabei. In der letzten Saison lockten nur fünf Spiele der Women's Super League eine vierstellige Anzahl Menschen an – mit den 1937 Fans beim Final zwischen dem FCZ und Servette als Rekord.
Auf tiefem Niveau bewegen sich auch die Zahlen bei den Live-Übertragungen auf SRF 2. Das Schweizer Fernsehen zeigt seit 2020 zwischen sieben und neun Spiele live am späteren Samstagnachmittag. In der vergangenen Spielzeit schalteten sich durchschnittlich 36'000 Zuschauerinnen und Zuschauer zu.
Die TV-Quoten waren in den drei Jahren, in denen der TV-Vertrag zwischen dem SFV und SRF für die Women's Super League besteht, sogar rückläufig. «Die erste Saison 2020/21 erzielte bis anhin die besten Quoten (durchschnittlich 49'000; Red.), ist aber aufgrund des veränderten Nutzungsverhaltens während Corona nicht mit den beiden Folgesaisons vergleichbar», hiess es seitens SRF auf Anfrage von CH Media.
Auch der Frauen-Fussball generiert hierzulande in erster Linie bei Highlights Interesse. Marion Daube, die Direktorin für Frauen-Fussball beim SFV, ist deshalb auch nicht enttäuscht über die Zuschauerzahlen der Women's Super League, sondern «happy, dass es bei den Turnieren mehr Interesse gibt. Da sieht man, dass das Potenzial vorhanden ist. Das stimmt mich sehr positiv.»
Dass die Zahlen bei Highlights nicht nur am TV beim Nationalteam, sondern auch im Stadion bei den Klubs stimmen können, bewiesen die FC-Zürich-Frauen im letzten Herbst mit ihren Auftritten in der Champions League. Gegen Arsenal etwa kamen über 4000 Fans ins Stadion, obwohl die Partie in Schaffhausen stattfand.
Solches in den Alltag zu transportieren, hat auch mit Werbung und Marketingpotenzial zu tun. Klubs und Verband unternehmen viel, beim SFV beispielsweise wurde eine neue Stelle geschaffen im Bereich Marketing und Kommunikation für die Stärkung der Women's Super League. «Der Liga-Fussball ist im Wachstum. Die Klubs stellen sich gut auf. Bei Servette, St.Gallen, YB, Lugano oder GC stehen ehemalige Nationalspielerinnen in der Verantwortung», so Daube, die vor ihrem Engagement beim SFV langjährige Geschäftsführerin bei den FCZ-Frauen war.
Doch allein mit den Anstrengungen bei SFV und Klubs ist das Problem des geringen Interesses im Klub-Alltag nicht gelöst. Gefordert wären auch andere Player. Bezeichnend dazu ein Satz von TV-Kommentator Manuel Köng am Samstag während der Partie St.Gallen gegen YB: «Es ist vielleicht auch noch nicht allen Leuten bewusst, dass die Saison beginnt.» Tatsächlich: Nimmt man den medialen Hype um den Frauen-Fussball während der WM-Wochen zum Massstab, war die Berichterstattung vor dem Saisonstart der Women's Super League marginal.
Die zehn Klubs und die Liga waren kein grosses Thema. Die beiden grossen Zürcher Tageszeitungen etwa, die mit den FCZ-Frauen immerhin den Meister und Champions-League-Teilnehmer sowie mit den GC-Frauen ein zweites Super-League-Team vor der Haustüre haben, verzichteten gänzlich auf Vorberichte. Solches irritiert auch TV-Expertin und Ex-Nationalspielerin Martina Moser: «Das Interesse muss genau gleich hoch bleiben, damit die Leute konfrontiert werden mit dem Frauenfussball und man ihn wahrnimmt und ihm Beachtung schenkt. Man muss ihn verfolgen wollen, egal, was es ist.»
Wer dem Frauen-Fussball hierzulande eine Chance geben will, darf sich für ihn nicht nur dann interessieren, wenn es während der entflammten Gesellschaftsdebatte im Zuge einer WM oder EM gerade opportun ist, sondern auch dann, wenn der Alltag wieder einkehrt. Seraina Piubel & Co. hätten es verdient, vor mehr als nur einer Handvoll Fans zu spielen und zu jubeln.
Dort wo sie vorher waren. In der Minderheit