Die Haare sind etwas ergraut, vielleicht stressbedingt – was kaum verwunderte bei der willkommenen Mehrfachbelastung. Aber mit seinen 31 Jahren ist Fabian Schär alles andere als ein alter Mann, vielmehr erlebt er mit Newcastle im Klubfussball gerade die beste Zeit seines Lebens.
Das bedeutet: Champions League mit den «Magpies», auf sie mussten die «Elstern» über 20 Jahre warten, und in der attraktivsten Liga der Welt ernstzunehmender Herausforderer der ganz Grossen.
Mittendrin stets er, Fabian Schär, der Innenverteidiger aus dem beschaulichen Wil mit der abgeschlossenen Banklehre. Über den es längst einen eigenen Fansong gibt. Und der die Millionarios von Paris St-Germain vor einigen Tagen auch gleich noch mit einem Prachttreffer ins Lattenkreuz vollends bedient. Ein Tor, das seinen Ursprung im Angriffsinstinkt von Schär findet. Das Stadion bebt längst, eine unglaubliche Atmosphäre, wie sie Schär noch nie erlebt hat, gedankt mit einem 4:1 und einer unglaublichen Leistung.
Sein Trainer Eddie Howe ist hernach voll des Lobes und sagt: «Schär hat die Fähigkeit, Momente zu erzeugen, die einem den Atem rauben. Technisch ist er so gut. Er ist ein Spitzenspieler.» Manchmal wirkt es fast so, als spiele Schär mit dem Gegner Schere, Stein, Papier – und gewinnt dabei immer.
«Schon den ganzen Tag lang habe ich vor dem Heimspiel gegen PSG eine andere Anspannung gehabt, auch das Einlaufen fühlte sich anders an», sagt Schär. Es ist wieder einmal Nati-Zeit, und natürlich ist er auch hier dabei, seit zehn Jahren mit 77 Länderspielen ist das so. Auch jetzt in St. Gallen, wo die Schweiz am Sonntag gegen Weissrussland zum siebten EM-Qualifikationsspiel antritt.
Schär ist so stolz wie dankbar dafür, dass er in seiner sechsten Saison mit Newcastle solch einen Lauf hat und weiterhin fester Bestandteil ist. Das ist insofern bemerkenswert wie nicht selbstverständlich, weil sich der Verein seit Oktober 2021 mit den neuen Eigentümern aus Saudi-Arabien in den Topbereich entwickelt hat, dies jedoch mit Bedacht und Sorgfalt tut.
Schon einen Monat nach der Übernahme folgt der beste Transfer mit Howe, der Newcastle seither anleitet und einen attraktiven, offensiven Spielstil mit wenig Gegentoren verpasst. Es habe alles Hand und Fuss, was der Coach mache, sagt Schär. «Auch im menschlichen Bereich ist er top und spürt, was wir Spieler individuell brauchen, er geht auf jeden einzeln ein.»
Klub, Stadt und Fans sind längst Schärs zweite Heimat geworden, es gibt nichts Schlechtes, was er zu berichten wüsste. «Bis auf das Wetter.» Der Kontrakt läuft noch bis zum nächsten Sommer, darin enthalten ist eine Option, und Schär sagt: «Ich gehe mal davon aus, dass ich ab jetzt noch einen Vertrag über eineinhalb Jahre habe.»
In Newcastle hat der Ostschweizer sein Glück gefunden, so wie er es im Nationalteam verloren hat. Hier ist er im Moment Innenverteidiger Nummer drei, und wenn er dann zum Einsatz kommt wie gegen den Kosovo, kann er nicht dieselbe Leistung wie im Klub abrufen. Schär sagt: «Gegen Kosovo waren alle nicht so gut, manchmal hat man bessere Spiele und manchmal andere.»
Es gibt wohl Gründe, weshalb das Standing in der Nati unter Murat Yakin gelitten hat. In der Dreierkette setzt Yakin nicht weiter auf Schär. Und in der vom Coach bevorzugten Viererkette agieren im Abwehrzentrum Manuel Akanji und Nico Elvedi, der dann halblinks spielt. Mit Schär an der Seite muss Akanji jenen Part übernehmen.
Es ist die Crux der Geschichte: Früher unter Vladimir Petkovic hatte Schär zwar in seinen Klubs bisweilen Mühe, erhielt vom Nationaltrainer aber stets das Vertrauen. Jetzt performt er mit Newcastle auf höchstem Niveau und reist selbstbewusst zur Nati, ist aber nicht gefragt.
Schär sagt: «Es gab Situationen, in denen es nicht einfach war, das zu akzeptieren. Ich sehe, auf welchem Level ich Woche für Woche spiele. Für mich war es teilweise unverständlich.»
Schär hat lernen müssen, Klub und Nationalteam differenziert zu betrachten. Doch nie so ganz verstanden hat der Profi, dass ihn Yakin nach dessen Amtsantritt aus dem Spielerrat beorderte. Kraft der Erfahrung und Leistungen in der Nati gehörte Schär jenem lange an, er sagt: «Weshalb das so ist, muss man den Trainer fragen. Für mich ist es jetzt okay.» Elvedi fehlt bei diesem Zusammenzug verletzt, Schär sollte also am Sonntag gegen die Weissrussen auf dem Platz stehen.
Grundsätzlich müssten Auftritte im Klub Yakin überzeugen, als Ultima Ratio bliebe die direkte Herausforderung, ein Spiel mit den Händen, es heisst: Schär, Stein, Papier. (aargauerzeitung.ch)