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PSG erstellte gefälschte Twitter-Konten und attackierte eigene Spieler

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Bild: keystone, shutterstock

Eigene Spieler attackiert: «PSG beauftragte uns, gefälschte Twitter-Konten zu erstellen»

Paris Saint-Germain wird beschuldigt, eine Kommunikationsagentur beauftragt zu haben, um Unternehmen und Personen zu schaden, darunter auch einige seiner Spieler wie Kylian Mbappé. Der Verein bestreitet jegliche vertragliche Verbindung. Von watson kontaktiert, bestätigt ein ehemaliger Mitarbeiter des Dienstleisters diese Verbindung.
14.10.2022, 13:5415.10.2022, 07:08
Yoann Graber, Antoine Menusier / watson.ch/fr
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Die Affäre um gefälschte Twitter-Accounts mit beleidigenden Inhalten erschüttert Paris Saint-Germain. Zwischen 2018 und 2020 soll eine vom Verein beauftragte Agentur, Digital Big Brother (DBB) mit Sitz in Barcelona, zahlreiche Tweets erstellt haben mit dem Ziel, den Ruf von Personen und Medien zu schädigen, die als PSG-feindlich eingestuft wurden.

Auf der Liste der Zielpersonen und -Organisationen stehen, man glaubt es kaum, auch Spieler des Vereins: Kylian Mbappé und Adrien Rabiot (jetzt bei Juventus, damals als «Grosser Hurensohn» beschimpft). Aber auch der Präsident von Olympique Lyon, Jean-Michel Aulas, oder ein Zuschauer, der vom brasilianischen Star Neymar im April 2019 in Rennes geohrfeigt wurde.

Auch Medien wurden ins Visier genommen, darunter «L'Equipe» und «Mediapart», wobei letztere die vorliegenden Enthüllungen initiiert hatte.

PSG bestreitet, mit irgendeiner Agentur Verträge abgeschlossen zu haben. Der Verein, dem der Katarer Nasser al-Khelaifi vorsteht, hat zwar keinen Vertrag mit der Agentur DBB unterzeichnet, sie aber für ihre Dienste bezahlt, wie Dokumente von «Mediapart» belegen. Von watson kontaktiert, bestätigt dies ein ehemaliger Mitarbeiter von Digital Big Brother:

«Der Präsident von PSG, Nasser al-Khelaifi, nahm 2018 Kontakt zu uns auf. Er hat uns gesagt, dass einer seiner Mitarbeiter mit uns Geschäfte machen wolle, ohne weitere Details zu nennen.»
Ein ehemaliger Mitarbeiter von Digital Big Brother

Bei dem betreffenden PSG-Mitarbeiter handelt es sich um Jean-Martial Ribes. Der enge Vertraute von Nasser al-Khelaifi leitete damals die Kommunikationsabteilung von Paris Saint-Germain.

«Wir haben die Inhalte erstellt und PSG hat entschieden, ob sie in den Netzwerken veröffentlicht werden oder nicht.»
Ein ehemaliger Mitarbeiter von Digital Big Brother

«Wir bekamen jeden Monat Überweisungen von PSG mit dem Briefkopf des Vereins», berichtet die watson-Quelle. Eine dieser Zahlungen, von der watson eine Kopie erhalten hat und die auf den 31. Juli 2019 datiert ist, bezieht sich auf einen Betrag von 25'000 Euro. watson hat die Kommunikationsabteilung von PSG kontaktiert. Eine Antwort steht noch aus.

Trollarmee und Hausdurchsuchung

Diese Trolling-Aktivitäten wurden von einer «digitalen Armee» (der Agentur DBB) im Auftrag des PSG durchgeführt und in einem 50-seitigen Bericht festgehalten. Nach Informationen von watson wurde der Bericht bei einer Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit Neymars Ohrfeige gegen einen Zuschauer in Rennes entdeckt.

Neymar gerät an einen Fan.Video: YouTube/VideoCraze

Wie kommt es, dass PSG mit der in Barcelona ansässigen Agentur Digital Big Brother in Kontakt gekommen ist? DDB wird von dem französisch-tunesischen Geschäftsmann Lotfi Bel Hadj kontrolliert, der «eine Vielzahl von Unternehmen leitet, die ihre Dienste an Persönlichkeiten, Unternehmen oder Staaten vermieten, um deren digitale Kommunikation zu verwalten», wie «Mediapart» berichtet.

Von Katar ...

Vor allem aber kennen sich Lotfi Bel Hadj und Nasser al-Khelaifi. Ersterer arbeitete an der Kommunikation Katars während der Golfkrise, die das Emirat zwischen 2017 und 2021 mit seinem Nachbarn Saudi-Arabien austrug.

Hinter DDB steht UReputation, ein von Lotfi Bel Hadj geleitetes Unternehmen, das sich auf «Cyber-Influence» spezialisiert hat. UReputation verklagte Facebook, nachdem das soziale Netzwerk von Mark Zuckerberg im Jahr 2020 182 Facebook-Konten und 209 Instagram-Konten geschlossen hatte.

Der US-amerikanische Riese wirft UReputation und seinem Leiter Lotfi Bel Hadj vor, bei Wahlkampagnen in afrikanischen Ländern persönliche Daten zur Steuerung von Entscheidungen zu verwenden. Insbesondere bei den Präsidentschaftswahlen 2019 in Tunesien zugunsten des Kandidaten Nabil Karoui, einem Geschäftsmann, der von Kais Saied, dem derzeitigen tunesischen Präsidenten, besiegt wurde.

... bis Tariq Ramadan

Zuvor, im Jahr 2018, war der Name Lotfi Bel Hadj mit der Verteidigung von Tariq Ramadan in Verbindung gebracht worden. Der Genfer Islamwissenschaftler, der damals gute Beziehungen zu Katar unterhielt, wurde in Frankreich in Untersuchungshaft genommen, nachdem gegen ihn Vergewaltigungsvorwürfe erhoben worden waren. Damals war von «Heerscharen von falschen Konten» zur Unterstützung des Angeklagten die Rede.

Nicht mehr als ein böses Tackling?

Wird die jüngste Affäre um den PSG ein gerichtliches Nachspiel haben? Werden gegen den Pariser Verein und die Agentur DBB Klagen wegen Verleumdung eingereicht? Der Vorwurf der Verleumdung wäre verjährt.

Um beim Fussball zu bleiben: Kenner der grossen Profivereine erinnern daran, wie hart die Schläge sein können, die ausserhalb des Spielfelds ausgeteilt werden. Und dass Trolling, das Zerlegen von Personen mit Bezeichnungen wie «Hurensohn» und anderen Beleidigungen, für die Fussballkommunikation das sei, was ein böses Tackling im Spiel ist. Es tut weh, aber man kommt darüber hinweg.

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quelle: keystone / ronald wittek
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27 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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LifeIsAPitch
14.10.2022 15:05registriert Juni 2018
Und so ganz nebenbei ist Nasser Al-Khelaifi noch Präsident der European Club Association... eine zwielichtige Figur und darum perfekt geeignet für Funktionärsämter in der hochkorrupten Fussball-Ära des "Sportswashing". Ob sich der Profi-Fussball jemals von dieser Ära erholen wird?
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jbm-t-mtr
14.10.2022 15:12registriert Juli 2022
Als ob PSG einen weiteren Grund gebraucht hätte, um nicht gemocht (milde ausgedrückt) zu werden...
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N. Y. P.
14.10.2022 15:57registriert August 2018
Ich fasse zusammen:

Katar und auch andere arabische Länder, haben vor rund 10 Jahren bemerkt, dass ihre Länder einen abgrundtief schlechten Ruf haben.

Deshalb wollten diese Länder mit Sportinvestments ihren Ruf aufpolieren.
PSG, Man City und andere Retortenclubs wurden gekauft. Sogar die WM wurde gekauft.

Jetzt aber sind die arabischen Länder zunehmend gereizt, weil das GEGENTEIL erreicht wird. Man gönnt PSG und City den Misserfolg und die WM ist schon jetzt ein Marketingdesaster.

Katar hat deshalb die Nerven verloren und diese Agenur gebucht.

Jänu, der Ruf ist schlechter denn je.
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