Nach 33 Jahren ist die SSC Napoli endlich wieder einmal Meister. Die Stimmung war dementsprechend euphorisch, die Feier lang und ausgelassen. Mittendrin: Fussballfan Dave Schwarz, der extra für dieses Fest der Superlative nach Neapel reiste.
Wie hast du den gestrigen Tag erlebt?
Dave Schwarz: Ich bin schon um 14 Uhr auf einem kleinen Platz in den spanischen Vierteln angekommen und dort habe ich dann den Nachmittag verbracht. Es kamen laufend mehr Leute hinzu, beim Spiel war es dann komplett voll – und ich hatte den besten Platz gleich vor der Leinwand.
Wie war die Stimmung während des Spiels?
So etwas habe ich noch nie gesehen. Das Spiel lief ohne Ton, aber über die Lautsprecher wurden die ganze Zeit Fangesänge angestimmt, die dann alle mitgesungen haben. Man hat schon gemerkt, dass die Zuschauer nervös waren, aber sie haben immer daran geglaubt, auch nach dem 0:1. Beim Ausgleich war es dann völlig vorbei.
Das Beste kam aber erst noch.
Ja. Die Stimmung nach dem Spiel war unglaublich. Es war eines der schönsten Erlebnisse, die ich je hatte. Ich bin noch ein bisschen auf dem kleinen Platz geblieben und dann in Richtung Hafen gelaufen. Der Platz dort wurde immer voller, auch drei Stunden nach Abpfiff kamen immer mehr Leute hinzu. Alle haben gefeiert, Feuerwerk und Pyrotechnik gezündet. Den ganzen Tag schon haben einige Leute diese aus ihren Wohnungen und am Abend dann auf den Plätzen verkauft.
Was ist dir am meisten geblieben?
Die riesige Freude bei den Menschen, alle wollten beweisen, wie stolz sie auf ihre Stadt sind. Am Hafen sind sehr viele auf einen Brunnen geklettert und oben auf eine Plattform gestanden. Zwei, drei Personen sind heruntergefallen, haben sich aber nicht verletzt. Eine Frau sass nackt auf den Schultern ihres Freundes, alle waren in völliger Ekstase. Ich konnte noch gar nicht alles verarbeiten, was ich erlebt habe. Es war unfassbar schön und ich bin noch immer sprachlos.
Hat man auch den Geist von Diego Maradona gespürt?
Absolut. Maradona ist überall, an jeder Ecke, an Wände gemalt, auf Bildern und er kommt auch in vielen Fangesängen vor. Diego ist noch immer der grösste Held der Stadt.
Du kommst selbst nicht aus Neapel, weshalb warst du dort?
Ich wollte schon immer mal nach Neapel, weil ich wusste, dass es mir dort gefallen wird. Ich liebe Städte, die etwas anders sind, und ausserdem bin ich ein riesiger Fussballfan. Als ich gesehen habe, dass Napoli in dieser Woche Meister werden kann, bin ich sofort her gereist. Es war einfach der perfekte Zeitpunkt. Ich hätte es wohl mein Leben lang bereut, wäre ich nicht gekommen.
Wie haben die Neapolitanerinnen und Neapolitaner reagiert, als sie gemerkt haben, dass du nicht von dort bist?
Zuerst haben sie die Welt nicht mehr verstanden, weshalb ein Schweizer da ist. Aber alle waren unglaublich nett zu mir und haben mich mit offenen Armen empfangen. Überall habe ich Leute kennengelernt, mit denen ich gefeiert habe.
Wie war die Atmosphäre in der Stadt in den Tagen vor dem Spiel?
Am Dienstag bin ich angekommen und die Anspannung war sofort zu spüren. Alles war in blau-weiss geschmückt, überall waren Bilder von aktuellen Spielern und natürlich von Maradona zu sehen. Wie omnipräsent der Fussball und der Klub in der Stadt sind, habe ich sonst noch nirgends gesehen und ich werde es, glaube ich, auch nie mehr irgendwo so sehen.
Napoli hätte ja auch schon am Mittwochabend Meister werden können, hätte Lazio Rom nicht gewonnen.
Ja, ich habe das Spiel auch schon hier in der Stadt geschaut. Schon da waren mega viel Leute unterwegs, aber es war eine etwas komische Stimmung. Ich glaube, die Neapolitanerinnen und Neapolitaner wollten schon lieber Meister werden, wenn ihr Klub spielt.
Die Meisterparty ging dann durch die ganze Nacht, hast du überhaupt geschlafen?
Ein bisschen schon. So gegen 4 Uhr war ich im Hotel und konnte mich wenigstens ein paar Stunden hinlegen, bevor ich zum Flughafen musste.
Ging das überhaupt? Haben nicht alle geschlafen?
Nein. Die Stadt ist schon wieder lebendig, alle lachen und sind glücklich. Aber einige Buslinien sind ausgefallen, weil sie wegen der Meisterfeier nicht genug Fahrer hatten. Ich glaube, schon gestern ist niemand mehr arbeiten gegangen. Alle haben nur noch auf das Spiel gewartet – und darauf, dass sie endlich Meister sind.