Mit den Olympischen Spielen 2026 in Mailand und Cortina d'Ampezzo und mit der Heim-WM 2027 in Crans-Montana stehen in den nächsten beiden Wintern besonders bedeutende Grossanlässe bevor. Gut möglich, dass sich danach einige Athletinnen und Athleten dazu entscheiden, ihre Karriere zu beenden.
Doch es wird für die Etablierten wohl ein harter Kampf, sich eines der raren Tickets für Olympia und Weltmeisterschaften zu ergattern. Denn hinter ihnen scharrt die zweite Garde schon mit den Hufen. Unlängst betonte Swiss-Ski-CEO Walter Reusser: «Der Blick in den Europacup und den Nachwuchs zeigt, dass wir wirklich überall gut dabei sind. Bei den Jahrgängen 2004 bis 2008 haben wir – auch im internationalen Vergleich – eine grosse Dichte an Talenten, die mich sehr positiv stimmt.»
400 Kilometer westlich von Saalbach liegt Crans-Montana. Als am Mittwoch in Österreich die Schweizer Männer alle drei Medaillen in der Team-Kombination gewinnen, räumen im Europacup im Wallis die Abfahrer im noch grösseren Stil ab. Sie feiern, angeführt von Livio Hiltbrand, gleich einen Sechsfach-Sieg!
Dass das nicht nur eine Momentaufnahme ist, der dem Heimvorteil zuzuschreiben ist, belegt ein Blick auf die Gesamtwertung der zweithöchsten Stufe. In der Abfahrtswertung führt Hiltbrand vor Alessio Miggiano, beide haben für den nächsten Winter einen fixen Startplatz im Weltcup im Visier. Gaël Zulauf und Christophe Torrent haben im letzten Rennen der Saison ebenfalls noch die Chance, sich ein Ticket für den Weltcup, von denen es drei gibt, zu sichern. Dazu müssen sie den derzeit verletzten Österreicher Felix Hacker überholen.
Hackers Saison ist nach einem Sturz in Kitzbühel bereits vorbei. Das ist für ihn umso bitterer, als er derzeit in der Europacup-Gesamtwertung in Front liegt. Die Schweizer haben fünf Athleten in den ersten acht Plätzen – und keiner ist älter als 25 Jahre. Hiltbrand und Lenz Hächler sind 21, Miggiano ist 22, Zulauf 24 und Torrent 25. Gerade im Speedbereich gilt das als jung.
Wobei dort eine Blutauffrischung alles andere als zwingend ist. Abfahrtsweltmeister Franjo von Allmen ist 23-jährig, Bronzemedaillengewinner Alexis Monney 25 Jahre alt und Superstar Marco Odermatt ist auch erst 27, Loïc Meillard ist 28.
«Alt» sind Stefan Rogentin, der im Mai seinen 31. Geburtstag feiert, Justin Murisier ist 33. Bei den Technikern werden Daniel Yule (nächste Woche) und Luca Aerni (nächsten Monat) demnächst 32, der momentan verletzte Gino Caviezel ist 32 und Teamsenior Thomas Tumler 35 – aber in dieser Saison so gut wie nie.
Livio Hiltbrand gilt als das grösste Schweizer Talent. In diesem Winter holte er als 17. in der Abfahrt von Val Gardena erstmals Weltcuppunkte, an Junioren-Weltmeisterschaften gewann er zwei Mal Gold (2023 im Super-G, 2024 in der Abfahrt). Wie Franjo von Allmen stammt er aus dem Simmental.
Im Slalom könnte Lenz Hächler ein Mann der Zukunft sein: Er wurde im vergangenen Winter Junioren-Weltmeister in dieser Disziplin. Wie schwierig der Sprung zu den Erwachsenen ist, zeigt ein Blick aufs Teilnehmerfeld jenes Rennens: Im Weltcup konnten bislang erst zwei Fahrer auf sich aufmerksam machen, der Schwede Fabian Ax Swartz und der Finne Eduard Hallberg.
Bei den Frauen schaffte eine junge Walliserin diesen Sprung bereits. Im letzten Winter wurde Malorie Blanc Junioren-Weltmeisterin im Super-G, in diesem Winter – und nach einer Zwangspause wegen eines Kreuzbandrisses – fuhr die 21-Jährige in ihrer ersten Weltcupabfahrt sensationell auf Rang 2. In Saalbach nahm Blanc bereits an der ersten «richtigen» WM teil.
Sie folgte als Junioren-Weltmeisterin auf die Appenzellerin Stefanie Grob (20), an solchen Titelkämpfen sorgte auch Delia Durrer (22) schon für starke Resultate.
Im Speed-Bereich wird sich in den nächsten Jahren ein Generationenwechsel vollziehen. Die 33-jährige Lara Gut-Behrami kündigte an, in Crans-Montana nicht mehr dabei zu sein. Corinne Suter, die zweite Teamleaderin, ist 30 Jahre alt. Michelle Gisin, ehemalige Allrounderin, ist ebenso wie Slalom-Spezialistin Wendy Holdener 31 Jahre alt.
Auch im «Zickzack» rückt einiges nach. Die 25-jährige Camille Rast führt im Slalom-Weltcup, Mélanie Meillard, die durch Verletzungen viele gute Jahre verpasst hat, ist 26. Mit Janine Mächler (20) und Aline Höpli (23) punkteten weitere Medaillengewinnerinnen von Junioren-WM in diesem Winter im Weltcup, Anuk Brändli (21) ist ein weiteres vielversprechendes Talent. Und Delphine Darbellay (22) war in Saalbach Teil der Schweizer Equipe, die im Team-Event Silber gewann.
Alle diese Nachwuchsathleten haben nicht nur den gleichen Traum, sondern auch die gleiche Hoffnung: keine schwere Verletzung zu erleiden. Es werden nicht alle den Sprung nach ganz vorne schaffen.
Als Marco Odermatt 2018 an der Junioren-WM vier Goldmedaillen gewann, wurde Aline Danioth Kombinations-Weltmeisterin. Die Urnerin ist mittlerweile 26 Jahre alt und vor allem deshalb bekannt, weil sie sich immer wieder nach schweren Verletzungen in den Weltcup kämpfen konnte. Unter anderem erlitt Danioth nicht weniger als vier Kreuzbandrisse. Ob sie es fünf Jahre nach ihrem dritten und letzten Top-Ten-Platz im Weltcup noch einmal ganz nach vorne schafft, ist offen.
Als die Schweiz in den 1980er-Jahren die dominierende Ski-Nation war, wurde es versäumt, die Zukunft zu planen. So kam der Tiefpunkt der WM 2005 in Bormio ohne einzige Schweizer Medaille.
Diesen Fehler wollte Swiss-Ski kein zweites Mal machen. Und es sieht derzeit so aus, als würde dies auch nicht der Fall sein. Nicht nur im Weltcup führt die Schweiz in den Nationenwertungen beider Geschlechter, sondern auch im Europacup.