Über 200 Spiele hat er in der englischen Liga bestritten, kaum eine grosse Partie verpasste er seit seiner Ankunft 2016. Oft stand Granit Xhaka im Zentrum kritischer Debatten. Nun hat der scharfe Wind endgültig gedreht. Die Anhänger und TV-Experten überschütten den formstarken Spielmacher mit Lob.
Unter die ersten Bewunderer Xhakas reiht sich Coach Mikel Arteta: «Er verdient das. Granit hatte schwierige Momente. Sein Arbeits-Ethos, wie er die Leute behandelt, seine Liebe für den Klub, seine Professionalität – das alles ist unglaublich. Ich freue mich sehr für ihn, dass er die Karriere jetzt richtig geniessen kann.»
Ihre siebte und zugleich beste Saison mit Arsenal? Das lang ersehnte Ziel rückt näher: das Comeback in der Champions League. Wohin kann die Reise in der Liga führen? Wohin führt sie europäisch?
Granit Xhaka: Auf diesen Moment warten viele, auf die Rückkehr in die Champions League. Aber vermutlich sogar auf mehr – wenn ich unseren Teamspirit sehe, wie wir füreinander gehen, liegt in dieser Saison sogar mehr drin als eine Top-4-Klassierung. Wir haben grosse Ziele. In der Europa League können wir eine Trophäe holen. In der Liga wollen wir so lange wie möglich oben mitspielen.
Ein persönlicher Höhenflug und erstmals vollumfänglich erfolgreich mit den Gunners in der Liga. Wie ist dieser beeindruckende Turnaround erklärbar?
Für mich fühlt sich alles wie ein Traum an. Vor drei Jahren war ich nahezu erledigt. Ich lag auf dem Boden. Inzwischen hat sich vieles, nein eigentlich alles verändert. Im Klub, mit den Fans. Es gibt nichts Schöneres, diese Liebe zu spüren von den Anhängern. Das hilft, die Leistung zu 100 Prozent abrufen zu können. Ich bin wie ein Rotwein: je älter, desto besser.
Ihr Spielstil hat sich ebenfalls verändert, Ihre Rolle interpretieren Sie viel offensiver.
Ich habe schon in der letzten Rückrunde eine offensivere Rolle gespielt, brauchte aber etwas Zeit, um mich daran zu gewöhnen. Zuvor hatte ich ja nie so weit vorn gespielt. Letztlich war ich überzeugt davon, die neuen Vorgaben umsetzen zu können. Box to Box – das kann ich, ich fühle mich wohl dabei.
Was unterscheidet dieses Arsenal von den Ausgaben der letzten Krisenjahre?
Das Team, das Kollektiv, das Wir-Gefühl. Wir sind in jedem Training mit viel Intensität an der Arbeit. Die interne Konkurrenz schläft nicht und tut allen gut. Es herrscht ein sehr gesundes, leistungsförderndes Klima.
Mikel Arteta – ermöglichte er den Kulturwechsel? Wie ist Ihr Austausch mit ihm? Er lobt Sie immer wieder.
Arteta ist jener Mann, der alles verändert hat. Alles! Als Coach, als Persönlichkeit, als Mensch hat er mir so viele Dinge mitgegeben, dass ich den Fussball momentan einfach nur geniessen kann.
Die Fans haben einen Xhaka-Song entworfen. Der hörbare Beweis, dass die früheren Kritiker Sie ins Herz geschlossen haben. Ihr Stil wird inzwischen gefeiert.
Ob in Basel, in Gladbach, in der Nationalmannschaft oder nun hier beim FC Arsenal, es gibt nichts Schöneres, als die eigenen Fans im Rücken zu haben. Das pusht jeden Sportler, das gibt Motivation, das vereinfacht viel. Ich wünsche mir, dass der Support auch in den kommenden Jahren so bleibt.
Sie sind nun ganz oben angekommen auf der Skala. Wie gut tut das nach all der Skepsis, nach all den Zweifeln, nach der teilweise massiven Kritik?
Ganz ehrlich, ich war nie verzweifelt. Enttäuscht vielleicht, aber nicht ohne Hoffnung. Ich glaubte an das Potenzial hier, an mein eigenes Potenzial. Mit den Meinungen anderer musste ich leben, ich musste sie akzeptieren. Aber grundlegende Zweifel lösten sie nicht aus.
Eine Zahl zur Premier League: 200 Spiele für Arsenal – nur 17 haben diese Marke in der ruhmreichen Geschichte der Londoner erreicht.
Wenn ich diese Zahl nur schon höre, macht sie mich brutal stolz. In einem solchen Top-Klub eine solche Marke zu schaffen, bedeutet mir enorm viel. Sie zeigt auf, dass ich den richtigen Weg eingeschlagen und richtig hart gearbeitet habe. Und Stillstand kommt nicht infrage, ich will diese Zahl toppen. Der Weg ist noch nicht zu Ende.
Ihr Vertrag läuft bis 2024. Ist eine Verlängerung bald ein Thema? Bleiben Sie allenfalls sogar bis zum Ende der Karriere in England?
Ich fühle mich zusammen mit der Familie pudelwohl. Noch ist der Vertrag kein Thema. Ich geniesse die aktuelle Phase. Sollte der Zeitpunkt kommen, dieses Thema anzugehen, wird das im gemeinsamen Austausch auch passieren. Entsprechend steht auch in den Sternen, wo ich dereinst meine Karriere beenden werde.
In der Nationalmannschaft stehen Sie bei 106 Länderspielen. Auch hier ist kein Ende in Sicht.
Eine weitere Hammerzahl. Auch für das Nationalteam gilt: Mein Weg ist nicht zu Ende. Die Vorfreude auf die WM ist riesig. Step by Step. Weiter schuften, weiter kämpfen, weiter an die Energie der Mannschaft glauben. Mein Blick ist vorwärts gerichtet.
Ein Wort zur WM. Was ist der Schweiz zwei Jahre nach dem EM-Viertelfinal zuzutrauen in der heiklen Gruppe mit Kamerun, Brasilien und Serbien.
Wir haben wohl fast die schwierigste Gruppe erwischt. Für jeden Einzelnen wird es eine Herausforderung sein, für die ganze Equipe dürfte es eine riesige Herausforderung sein, die Gruppenphase zu überstehen. Ich freue mich extrem auf diese Partien. Was ist möglich? Ich traue uns viel zu. Alles geben, und dann schauen wir, wohin uns die Reise führt.
Wie stabil ist das Team unter Murat Yakin geworden? Was hat die Auswahl noch alles im Tank für die kommenden Jahre?
Die Mannschaft wird immer stabiler unter Muri. Wie wir die Grossen zuletzt ärgerten, belegt meine Einschätzung. Mit dieser Mannschaft können wir etwas ganz Spezielles erreichen – davon bin ich zu 100 Prozent überzeugt, wenn jeder an seine Grenzen geht, alles reinwirft, richtig daran glaubt. Dieses Team hat viel erlebt, das schweisst zusammen.