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YB-Leipzig: Loris Benito im Interview über die Champions League

epa10827617 YB's goalkeeper Anthony Racioppi, left, and YB's Loris Benito, right, celebrate after winning (3-0) the UEFA Champions League Play-off 2nd leg match between Switzerland's BS ...
Gemeinsam mit Goalie Anthony Racioppi feiert Loris Benito den Einzug in die Champions League.Bild: keystone
Interview

«Im Wankdorf sind schon einige Mannschaften gestolpert» – Benito gibt sich optimistisch

Für YB beginnt heute (18.45 Uhr) gegen Leipzig die Champions League. Für den 31-jährigen Verteidiger Loris Benito ist die Königsklasse der Lohn für das Durchhalten in schwierigen Zeiten.
19.09.2023, 10:5119.09.2023, 13:01
Etienne Wuillemin / CH Media
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YB trifft in der Champions League auf Manchester City, Leipzig und Roter Stern Belgrad – was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie die Gegner sahen?
Loris Benito:
Manchester City sticht heraus, das ist klar. Der Titelverteidiger. Eine grossartige Mannschaft, die momentan wohl beste Europas. Leipzig? Die letzten Jahre haben gezeigt, welch gute Entwicklung sie hinter sich haben. Der Verein hat den Anspruch, irgendwann den Bayern die Meisterschaft streitig zu machen. Das sagt alles. Und Roter Stern Belgrad, da bewegen wir uns auf Augenhöhe. Und rechnen uns entsprechend Chancen auf den dritten Rang aus.

Der dritte Rang würde ein Überwintern in der Europa League bedeuten, ist das die offizielle interne Zielsetzung?
Die Erwartungshaltung von uns ist, dass wir uns gegenüber den letzten beiden Champions-League-Kampagnen von 2018 und 2021 nochmals steigern. Im ersten Versuch gab es vier Punkte. Im zweiten fünf Punkte und es resultierte jeweils Rang 4. Es liegt auf der Hand, dass die Spiele gegen Roter Stern definieren werden, wie die Bilanz ausfällt. Aber wir werden uns auch gegen Leipzig und City nicht verstecken. Im Wankdorf sind schon einige Mannschaften gestolpert. Die Vorfreude auf die Champions League ist jedenfalls riesig.

Hat YB die Anfangsschwierigkeiten in der Saison definitiv überwunden?
Ich behaupte: ja! Wobei das auch damit zu tun hatte, dass die Erwartungshaltung sehr hoch ist. Wir sind aber auch genug realistisch, um zu wissen, dass wir nicht immer Champagner-Fussball zeigen können. Was hingegen stimmt: Wir brachten zu Saisonbeginn in einigen Spielen eine Prise zu wenig Energie auf den Platz. Wenn es gut läuft, dann ist die Gefahr da, dass man von einem Selbstläufer ausgeht. Dann kamen die Playoff-Spiele gegen Maccabi Haifa und wir standen unter Druck, schliesslich stand die Champions-League-Teilnahme auf dem Spiel. Wie wir mit diesem Druck umgingen, verdient mehr als ein Kompliment.

Empfinden Sie die hohe Erwartungshaltung YB gegenüber als ungerecht?
Es ist nun einmal so, dass im Fussball alles und alle ständig hinterfragt werden. Selbst ein Messi, Cristiano Ronaldo, Mbappé oder Haaland sind mit Kritik konfrontiert. Das sind die besten Fussballer, die es im letzten Jahrzehnt gab. Das sagt schon alles. Deshalb ist es für mich logisch, dass auch wir bei YB häufig kritisiert werden – trotz des Doubles in der letzten Saison. Eines muss ich aber schon sagen: Wenn man die Erwartung hat, dass wir in der Schweiz jeden Gegner 5:0 oder 4:0 bezwingen und es keine Fehlpässe mehr gibt, dann entspricht das einfach nicht der Realität.

YB steht nun bei fünf Meistertiteln in sechs Jahren – erkennen Sie Parallelen zum FC Basel der Ära Heusler/Heitz? Als der FCB Serienmeister war, genügten Siege alleine auch nicht mehr ...
Das ist eine natürliche Tendenz. Darum überrascht mich das auch nicht. Die Leute erwarten immer mehr. Das, was war, ist nicht mehr gut genug. Es ist quasi der natürliche Verlauf eines Sportvereins, der Erfolg hat. Ich finde, das ist ok so. Eines möchte ich noch anfügen: Diese enorme Erwartungshaltung haben wir uns selbst erarbeitet, sie spricht für unseren Erfolg.

Persönlich haben Sie vor der Rückkehr zu YB schwierige Zeiten erlebt. Nach der Vertragsauflösung in Bordeaux 2021 waren Sie vereinslos – als Nati-Spieler. Erst vier Monate später fanden Sie beim FC Sion einen neuen Job. Und schliesslich den Weg zurück zu YB. Sehen Sie die Champions League nun als Lohn für die Beharrlichkeit?
Genau so ist es. Ich bin einfach sehr dankbar, dass ich es geschafft habe, mir selbst jeden Tag einzubläuen: «Bleib dran! Es kommt schon wieder gut!»

Loris Benito
Geboren am 7. Januar 1992. – Junior und erste Profispiele (2009-2012) beim FC Aarau. – Cupsieger 2014 mit dem FC Zürich. – Portugiesischer Meister 2015 mit Benfica Lissabon. – Schweizer Meister 2018, 2019, 2020, 2021 und 2023 mit YB, Cupsieger 2023 mit YB. – 13 Länderspiele.

Wie schwierig war es, die Zuversicht zu behalten?
Darf ich etwas ausholen?

Natürlich!
Wenn es mir als Spieler schlecht läuft, ich aber in der Struktur eines Vereins bin, dann kann ich von anderen mitgezogen werden. Heisst: Ich spiele schlecht, aber vorne macht Itten drei Tore. Am nächsten Tag geht es auch für mich wieder weiter. Das Programm steht, die Teamkollegen sind da. Wenn ich aber keinen Verein habe, dann habe ich niemanden. Ich bin alleine zu Hause. Ich muss jeden Tag selbst entscheiden: Mache ich das Training alleine mit dem Physio? Gehe ich ins Konditionstraining? Stehe ich vier Monate jeden Morgen um 7 Uhr auf und nehme den Zug? Und all dies ohne die kurzfristige Aussicht auf Wettkämpfe. Das war schwierig. Und noch etwas ...

... nur zu!
Du hast in so einer Phase nicht mehr 15 Anrufe pro Tag, wo sich jemand nach dir erkundigt. Du gehst fast vergessen. Egal, was für eine Karriere du hattest, egal was für ein Palmarès, egal was für ein Spieler du bist. Wenn ich in Luzern ein Tor schiesse, habe ich danach 40 Nachrichten auf dem Handy. Wenn ich ein gutes Spiel mache, aber keine Aktion habe, die in der Zusammenfassung gezeigt wird, dann sind es drei Nachrichten: Meine Mutter, jemand aus der Familie, jemand aus dem engen Freundeskreis – fertig. Es ist einfach so. Und man lernt, damit umzugehen. Aber in einer Zeit ohne Verein ist das dann halt doch ziemlich schwierig.

Ist es für Sie der grösste Sieg, sich wieder zurückgekämpft zu haben?
Absolut. Auch weil der Weg in die Vereinslosigkeit ziemlich unerwartet kam. Ich bin immer noch überzeugt davon, dass die Entscheidung richtig war, meinen Vertrag in Bordeaux aufzulösen. Ich musste es machen.

Weil Sie sonst in den Nachwuchs oder sonst wohin verbannt worden wären?
Genau. Diese Entscheidung hat mich sehr viel Energie gekostet und eine schlimme Zeit eingeläutet – aber sie war richtig.

epa08662554 Girondins Bordeaux's player Loris Benito Souto in action during the French League 1 soccer match between Girondins Bordeaux and Olympique Lyonnais at the Matmut Atlantique Stadium in  ...
Für Girondins Bordeaux lief Benito zwischen 2019 und 2021 auf.Bild: keystone

Vladimir Petkovic war Ihr Trainer in Bordeaux, als das alles passierte. Haben Sie sich mit ihm einmal darüber unterhalten?
Nein. Aber ich möchte auch betonen: Die Vereinsleitung hatte gerade gewechselt. Petkovic war auch neu. Und er war in diesem Moment der Spielball der Bosse. Von aussen dachte man vielleicht: Wie kann das sein? Die beiden kennen sich doch aus der Schweizer Nati. Aber so war es eben nicht. Er war nur der Überbringer der schlechten Nachricht.

Haben Sie sich irgendwann einmal die Sinn-Frage gestellt?
Natürlich war es maximal ungünstig, in der Corona-Zeit vereinslos zu werden. Kein Verein verpflichtete mehr einen Spieler, wenn es nicht unbedingt sein musste. Und ich begann mir mit der Zeit auch die berühmten «was wäre, wenn»-Fragen zu stellen. Schwierig ist, den Glauben an die eigenen Stärken nicht zu verlieren. Irgendwann hinterfragt man sich, ob man einfach nicht mehr gut genug ist. Diese Geister zu vertreiben, erforderte viel Energie. Aber ganz aufgeben? Nein, das war nie eine Option.

Nach vier Monaten ohne Verein fanden Sie den Weg zurück via den FC Sion. Wie haben Sie dieses halbe Jahr erlebt?
Zunächst einmal tat es einfach sehr gut, nicht mehr länger Einzelsportler zu sein. Wieder im Team auf dem Trainingsplatz zu stehen, wieder in einer Kabine zu sein, das war wunderbar. Natürlich gibt es ruhigere Gefilde als Sion. Beide Seiten konnten voneinander profitieren.

Letzten Sommer wechselten Sie zurück zu YB, gewannen gleich das Double – und nun wurden Sie zum Innenverteidiger umfunktioniert.
Stimmt. Wobei das schon lange mein Wunsch war. Ich bin überzeugt, meine beste Position ist jene als Innenverteidiger. Ich durfte immer wieder mal aushelfen zwischendurch, aber das Etikett des Linksverteidigers wurde ich doch nie los (lacht). Darum bin ich YB sehr dankbar für den Verzicht, einen Zesiger-Ersatz zu verpflichten.

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