Kari Jalonen, was hält man eigentlich in Finnland vom Schweizer Eishockey?
Kari Jalonen: Wissen Sie was? Ich erhalte viele Anrufe von meinen finnischen Kollegen. Es interessiert sie, was hier so läuft.
Und was erzählen Sie Ihnen?
Soll ich ehrlich sein?
Ja, bitte!
Wir trainieren hier härter und intensiver als in Finnland. Die Arbeitseinstellung der Spieler ist hervorragend. Das hat mich wirklich überrascht.
Das überrascht mich ehrlich gesagt auch. Bei uns herrscht eher die Meinung, dass uns die Finnen diesbezüglich einen Schritt voraus sind.
Ja, auch die Finnen können hart arbeiten. Aber hier in Bern arbeiten wir im Vergleich zu den meisten finnischen Teams wirklich auf höchstem Level. Man merkt, dass in diesem Klub eine grosse Geschichte steckt. Das widerspiegelt sich in der Einstellung der Spieler. Sie kommen, um zu arbeiten.
Trotzdem: Zwischen dem finnischen und dem Schweizer Eishockey besteht immer noch ein Klassenunterschied. Warum ist das so?
Die finnische Liga ist die wohl am meisten von Taktik geprägte Liga von ganz Europa. Die Leute haben mich davor gewarnt, dass in der Schweiz vor allem viel gelaufen, dadurch etwas wilder gespielt wird, dabei aber weniger auf die Taktik geachtet wird. Die Meisterschaft beginnt zwar erst, aber ich hatte bisher das Gefühl, dass die beiden Komponenten, Taktik und Geschwindigkeit, bei uns sehr gut zusammenpassen.
Dann fehlt uns in der Schweiz die Physis?
Das ist für mich nicht entscheidend. Wichtig ist mir bezüglich meiner Teams, dass die Spieler in den Meisterschaftspartien alles geben, wirklich alles aufs Eis bringen. Dann müssen sie psychisch frisch und physisch stark sein. Wir haben bis zur Nationalmannschaftspause im November zusammen mit Cup und Champions League alle drei Tage ein Spiel. Da müssen wir mit unseren Kräften haushälterisch umgehen.
Also werden die Trainings eher locker sein? Das ist für einen Trainer ja auch nicht immer einfach.
Das ist genau die Kunst des Coachings. Genau das habe ich gesucht. (Lächelt.) Vor allem den täglichen Austausch mit meinen Spielern. Das hatte ich als Nationaltrainer nicht mehr. Das hat mir gefehlt.
Wie merkt ein Trainer, wie es um seine Spieler steht?
Sowohl mein Assistent Ville Peltonen als auch ich haben als Spieler so viel Erfahrung gesammelt, dass wir recht gut spüren, wie die Stimmung ist. Am letzten Montag kamen wir am Morgen in die Garderobe und hatten sofort das Gefühl, dass die Spieler müde wirken. Worauf wir uns mit dem Captain-Team zusammensetzten und schliesslich das Programm änderten.
Normalerweise kommen die Spieler ja nicht zum Trainer und sagen: «Coach, ich bin müde, ich brauche eine Pause.»
Der Punkt ist: Sie müssen mir vertrauen, und ich ihnen. Wenn ein Trainer zu einem neuen Klub kommt, ist es das Allerwichtigste, diese Vertrauensbasis zu schaffen.
Als Sie im Juni nach Bern kamen, führten Sie mit allen Spielern Einzelgespräche. Wie beurteilen Sie die jetzt, zwei Monate später? Wurde mit offenen Karten gespielt?
Die Spieler waren sehr ehrlich! Ville und ich haben nach den ersten Trainings und Spielen noch einmal unsere Notizen vom Juni durchgeschaut. Dass wir im August so gut arbeiten konnten, lag daran, dass wir wussten, woran wir sind und was uns erwartet.
Sind Schweizer Spieler offener und ehrlicher im Umgang mit den Trainern als Finnen?
Sie sind sicher offener. Auch wir versuchten, mit offenen Karten zu spielen. Wir erzählten, wie wir uns fühlen, erzählten über unsere Familien, über unsere Geschichte. Die Spieler sollten auch uns kennen lernen.
Aber zu viel Nähe zu den Spielern kann auch schaden …
Es muss immer noch klar sein, wer am Ende die Entscheidungen fällt. Man kann die Spieler nicht immer in den Arm nehmen. Die Mischung ist entscheidend.
Welche Art von Trainer mochten Sie als Spieler?
Ich hatte das Glück, dass ich eigentlich immer gute Trainer erleben durfte. Darunter war mit Hannu Jortikka ein sehr harter, aber auch ehrlicher Coach. Oder Wladimir Jursinow, der sich nach alter, russischer Schule wirklich um alles gekümmert hat. Oder Bob Johnson, den ich in Calgary während meiner kurzen NHL-Karriere erlebte. Ich konnte mich nicht durchsetzen, aber das war nicht sein Fehler. Ich war noch nicht bereit, aber er ein grossartiger Trainer.
Sie selber gelten als Trainer, der auch sehr hart sein kann zu seinen Spielern.
Die Leute sagen mir oft, ich sei verrückt. Aber das bin ich nicht. Hart muss man als Trainer aber sein. Ich glaube nicht daran, dass irgendeine Firma auf dieser Welt existieren kann, wenn man immer nur lieb und nett zueinander ist.
Wie ist es, wenn Sie wütend sind?
Das wollen Sie nicht wissen (lacht). Ich konfrontierte die Spieler immer mit Fakten. Es bringt nichts, wenn man herumschreit. Aber es bringt etwas, wenn man die Dinge beim Namen nennt. Da bin ich schonungslos hart. Ich muss schliesslich dafür sorgen, dass die Spieler auf dem Eis ihre beste Leistung abrufen können.
Und schliesslich erhalten Sie auch die Quittung, wenn es auf dem Eis nicht wie gewünscht läuft. Gerade in Bern ist es diesbezüglich schnell einmal unruhig. Wissen Sie, wie der SCB funktioniert?
Ach, ich habe diese Frage inzwischen schon so oft gehört. Aber ich weiss, wie das Trainer-Business funktioniert. Ich wurde in Russland schon entlassen. Ich weiss, was mich erwartet. Aber wenn ich mich dauernd mit solchen Szenarien beschäftigen würde, könnte ich diesen Job nicht machen. Ich komme jeden Tag mit einem Lachen im Gesicht hier ins Stadion. Das ist meine Passion, das ist meine Welt. Ich könnte nicht glücklicher sein.