«In den drei Stunden am Sonntag stecken viel Arbeit und Blut», sagt Sebastian Vollmer. Wenn am Wochenende wieder tausende deutsche Football-Fans (und Millionen auf der ganzen Welt) den ersten «verdammten Sonntag» der neuen NFL-Saison verfolgen, sollten sie an die Worte des Ex-NFL-Stars denken. Der Rheinländer weiss wohl am besten, wie hart die schillernde Liga ist. Er ist mit zwei Super-Bowl-Titeln der erfolgreichste deutsche Spieler in der Geschichte der NFL.
Pünktlich zum Saisonstart veröffentlicht der ehemalige Offensive Tackle und Bodyguard von Superstar Tom Brady seine Biographie. In dem Buch erzählt er seinen Weg von den Düsseldorf Panther bis zu seinem Karriereende nach. Das Vorwort schrieb kein geringerer als der GOAT (Greatest of all Time) und sein guter Freund Tom Brady, der besonders Vollmers Persönlichkeit in den Vordergrund stellt.
Mit watson sprach der 34-Jährige über das härteste, was die NFL von ihm forderte, die schweren Entscheidungen gegen seinen Körper und er erklärt, wie deutsche Talente es am besten in die NFL schaffen können. Und er gab noch einen MVP-Tipp ab, der Brady nicht freuen dürfte.
Wie fühlt es sich an, wenn der Tom Brady, der GOAT der NFL, so warme Worte über einen
findet?
Sebastian Vollmer: Die Beziehung zwischen
mir und Tom ist eine sehr gute Freundschaft. Wir kennen uns seit zehn Jahren
und ich habe ihn mehr gesehen als meine eigene Frau. Wir haben täglich
zusammengearbeitet. Aber natürlich ist das schön so warme Zeilen über sich zu
lesen, gerade wenn man als Footballer sonst viel über den Sport gesprochen hat.
Es bedeutet mir sehr viel, dass er sich die Zeit genommen hat.
Und zum Geburtstag von Tom Brady nochmal ein Rückblick auf seine Deutschstunde @patriots #tb40 @NFLDeutschland @patsdeutsch pic.twitter.com/lA7LDfYYKc
— Sebastian Vollmer (@SebVollmer) 3. August 2017
Fast alle Menschen, die
Tom Brady erlebt haben, sprechen nur in den höchsten Tönen über ihn. Wieso?
Auf der einen Seite ist
es sein Können auf dem Footballfeld seit 20 Jahren als Profi und die Fähigkeit,
dass er andere Sportler immer besser macht. Er hat mich besser gemacht, weil er
den Ball schnell weggeworfen hat, und die Receiver, weil seine Würfe so genau
bei ihnen landen.
Und persönlich?
Selbst seine Gegner
finden ihn toll, weil er so schwer zu schlagen ist. Und, weil Tom nie schlecht
über andere Menschen redet. Tom ist einer der wenigen Menschen, die sehr
ehrlich sind und nie schlecht hinter dem Rücken anderer sprechen. Deshalb haben
alle so einen unglaublichen Respekt.
Alles andere in deiner
Footballkarriere war härter als seine Worte: abgesplitterte Knochen,
Gegenspieler, die dich bewusst verletzen wollen, und die Patriots, die
dich einfach fallen lassen. War es so schlimm?
Football ist wie in
jedem Beruf: Es gibt Schattenseiten. Wenn ich jetzt zurückblicke, ist nicht
alles so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt hätte. Aber ich habe keinen
Argwohn gegen die Patriots oder gegen jemand anderes. Ich habe meinen Traum
gelebt. Ich wollte mit den kritischen Passagen auch zeigen, dass die Welt der
NFL mehr ist, als nur drei schöne Stunden am Sonntag. Die NFL ist nicht nur der
Gewinn des Super Bowls, sondern kann richtig hart sein. In den drei Stunden stecken
viel Arbeit und Blut.
Was war das härteste,
was dir in deiner NFL-Karriere passiert ist?
Alle Verletzungen.
Dieser ständige und unausweichliche Schmerz, der dich die ganze Zeit begleitet.
Ich konnte nie schlafen und bin im 30-Minuten-Takt aufgewacht, weil ich mich
wieder auf die Schulter gedreht habe. Reha, Operation, aufs Feld, dann alles
von vorne. Das härteste war, meine persönliche Gesundheit für den Sport ständig
aufs Spiel zu setzen.
Wirst du dein Leben lang
weiterhin Schmerzen haben?
Ich hab als 150
Kilo-Mann gespielt und mittlerweile 35 Kilo verloren. Das hilft beim Treppensteigen und es ist nicht ganz so schmerzhaft in den Knien. Ich lebe auch
deutlich gesünder. Ich stehe wie als Profi schon jeden Tag um fünf Uhr auf und
gehe trainieren. Diese anderthalb Stunden am Morgen und diese Routine tun mir
gut.
Aber ich trainiere nicht mehr so hart wie früher, sondern eher, um fit und gesund zu sein. Das hilft. Aber ja, ich werde mein Leben lang Schmerzen haben. Doch das ist in Ordnung, das war mir bewusst und die Ärzte haben mir oft genug ein Karriereende ans Herz gelegt. Und ich war damals mit dem Risiko einverstanden, also muss ich es heute auch sein.
Wie schwer ist diese
Entscheidung, dem Erfolg das eigene körperliche Wohl und auch die Familie
unterzuordnen?
Das ist eine sehr
berechtigte Frage. Das sind schwierige Entscheidungen und oft ein Zwiespalt,
der nicht einfach zu lösen ist. Aber viele Dinge entscheidet man, wenn man noch
jung ist. Man wächst da ja irgendwie rein mit 16 oder 17, wo man noch nicht an
Familie denkt und auch körperlich fit ist. So einfach ist das nicht zu erklären
und es ist eine sehr persönliche Entscheidung. Das ist mein Körper und das sind meine
Spätfolgen, die ich tragen muss. Und diese Entscheidung habe ich so getroffen
und würde sie immer wieder so treffen.
Du beschreibst in deinem Buch immer wieder, wie wichtig harte Arbeit ist.
Vergessen das junge Talente oft?
Harte Arbeit und
Verzicht können einen sehr, sehr weit tragen. Mich hat die Einstellung, jeden Tag
besser werden zu wollen, bis zu meinem höchsten Ziel gebracht. Ich hatte sehr
viele Dinge, die ich Football untergeordnet habe und auch musste: Alkohol,
Partys, Urlaub. Das ist eine harte Entscheidung und das vergessen viele Fans
oder junge Talente.
Du wurdest in den USA entdeckt, als du mit der deutschen
Jugendnationalmannschaft unterwegs warst und bist dann aufs College gekommen.
Haben es deutsche Talente heute leichter als du damals?
Vielleicht. Ich glaube, Talent setzt sich immer durch, egal woher man kommt. Die Deutschen stehen den
Amerikanern in nichts nach im Physischen. Das Einzige ist die
Footballausbildung. Bei uns fangen viele erst als Teenager an, in den USA
schon als Kinder. Deswegen ist die Footballausbildung auf einem College sehr
wichtig. Ich war damals noch einer der einzigen, heute gibt es viele Deutsche,
die den Sprung wagen.
Was muss passieren,
damit wir einen neuen Vollmer in der NFL sehen?
Es ist wichtig, dass die
NFL noch grösser wird in Deutschland, damit noch mehr junge Menschen den Sport
kennenlernen. Aber in den letzten zehn Jahren ist die Popularität schon
gewachsen. Aber die müsste sich noch mehr steigern, damit es in Deutschland
bald schon eine Football-Grundausbildung gibt.
Was sollten deutsche
Talente tun, um in der NFL zu landen?
Ich hatte viel Hilfe von
Trainern, Scouts, Eltern und so. Da hatte ich Glück und das braucht man auch
unbedingt. Mein Freund Markus Kuhn, der als Deutscher vier Jahre bei den New
York Giants spielte, ist einen anderen Weg gegangen: Er hat Highlight-Videos von
sich geschnitten und die an Colleges geschickt. Das hat auch geklappt und ist
ein guter Weg. Deutsche Spieler dürfen von sich selbst überzeugt sein und
sollten einfach dafür kämpfen.