Nach dem Streit mit der FIFA wegen des Verbots der «One-Love»-Armbinde protestierten die deutschen Nationalspieler bei ihrer ersten WM-Partie gegen Japan vor Anpfiff mit einer symbolischen Geste. Sie hielten sich auf dem obligaten Foto vor Spielbeginn die Hand vor das Gesicht – man verbiete ihnen den Mund, weil die FIFA keine politischen Aussagen oder Statements toleriert, so in etwa die Aussage.
Bei der zweiten Partie der Deutschen imitierten nun arabisch gekleidete Fans die Geste. Dabei zeigten sie zusätzlich Plakate des ehemaligen deutschen Nationalspielers Mesut Özil.
Warum ausgerechnet Özil? Der ehemalige Mittelfeldakteur von Real Madrid und Arsenal ist bereits 2018 nach dem blamablen WM-Ausscheiden der deutschen Mannschaft in Russland aus der Nationalelf zurückgetreten.
Der türkischstämmige Özil hatte im Vorfeld der WM 2018 für Nebengeräusche rund um die DFB-Elf gesorgt, weil er sich in London mit dem türkischen Machthaber Erdoğan traf und sich ablichten liess.
Fans in #Qatar held up photos of Mesut Ozil and covered their mouths during #Germany's match against Spain.
— Niver (@Niver12647781) November 27, 2022
Ozil retired from international football in 2018, accusing the German FA of racism and disrespect, saying: "I am a German when I win and an immigrant when I lose." pic.twitter.com/lAnPLps1VL
Aufgrund der Menschenrechtssituation in der Türkei und des militärischen Vorgehens der Regierung Erdoğans gegen die Kurden sorgte das Foto in Deutschland für Empörung. Özil wurde teilweise vorgeworfen, er unterstütze ein menschenfeindliches Regime und identifiziere sich mehr mit der Türkei als mit Deutschland.
Özil rechtfertigte das Foto im Anschluss und bezeichnete es als «richtige Entscheidung». Zudem begründete er seinen Rücktritt im Anschluss an die WM unter anderem mit fehlendem Respekt und Rückhalt vonseiten des deutschen Verbandes und mangelhafter Wertschätzung in der Öffentlichkeit. «Ich bin Deutscher, wenn ich gewinne, und ein Einwanderer, wenn ich verliere», schrieb der heute 34-Jährige damals auf Instagram.
Die deutschen Spieler – auch der noch im Nationalteam aktive Ilkay Gündogan posierte mit Erdoğan – wurden vom damaligen DFB-Präsidenten Reinhard Grindel öffentlich für das Foto kritisiert.
Während Gündogan sich in der Folge von einer politischen Botschaft des Fotos distanzierte und der Angelegenheit mit beschwichtigenden Worten die Brisanz zu nehmen versuchte, befeuerte Özil die kritischen Voten gegen ihn erneut. Denn er heiratete 2019 in Istanbul und Erdoğan war dabei sein Trauzeuge.
Ein Erklärungsansatz für die Gesten-Imitation der arabischen Fans in Katar ist deshalb der Vorwurf der Doppelmoral und Heuchelei in Richtung Deutschland – dass politische Positionen wie jene von Özil dort genauso kritisiert oder gar unterdrückt werden, wenn sie nicht genehm sind.
Aus Deutschland gab und gibt es zahlreiche Stimmen, die die Situation im WM-Gastgeberland Katar wegen der Menschenrechtslage, verstorbener Gastarbeiter beim Stadion-Bau, der Unterdrückung der LGBTIQ+-Community oder der Einschränkung der Pressefreiheit kritisieren – es könnte sich also um eine einfache Retourkutsche dafür handeln.
Ein weiterer Vorwurf mit jedoch sehr fragwürdigem Zusammenhang, der in den sozialen Medien kursiert, ist, dass Deutschland Özil den Mund verboten habe, als sich dieser öffentlich für die in China stark unterdrückte muslimische Minderheit der Uiguren stark machte. Das entspricht allerdings nicht der Wahrheit.
Özil wurde zwar von China stark kritisiert und auch sein damaliger Verein Arsenal gab eine Stellungnahme ab, wonach man sich von den Aussagen des Spielers distanziere und es sich um die persönlichen Ansichten Özils handle. Kritiker warfen Arsenal daraufhin vor, opportunistisch zu handeln, da das Londoner Team erwiesenermassen grosse wirtschaftliche Interessen in China hat.
Aus Deutschland wurde Özil für die Aussagen gegenüber China allerdings nicht kritisiert – was also Deutschland und der deutsche Fussballverband mit dem Uiguren-Thema zu tun haben, bleibt das Geheimnis der Kommentierer.
Hypocrits #QatarWorldCup2022 #Qatar #Qatar2022 #Ozil #Germany pic.twitter.com/IrDVAi2SYE
— 🇲🇦🇳🇱MAR-U-ONE مروان 🇳🇱🇲🇦✌️ (@Maghrebi82) November 25, 2022
Ergibt wenig Sinn: Eine Karikatur, die in den sozialen Medien kursiert.
- Ein Zeichen für Offenheit wird verboten..
Dochdoch, öppen dasselbe, die haben voll einen Punkt…. facepalm.