Februar 2020, Polen. Duplantis macht sich bereit für seinen Sprung. Er versucht, das Publikum zu animieren, doch seine zögerliche Gestik verrät, dass er nicht der geborene Showman ist. Er atmet tief ein und wieder aus, wirkt konzentriert.
Und dann rennt er los. Mit dem langen Kunststoffstab schraubt er sich in die Höhe, fliegt über die Latte, ohne sie zu berühren, landet auf der Matte und weiss, dass er Grosses vollbracht hat. Mit gerade einmal 21 Jahren springt er 6 Meter und 17 Zentimeter hoch und überbietet den geltenden Weltrekord von Renaud Lavillenie um einen Zentimeter. Seither kann sich Duplantis eigentlich nur noch selber schlagen. Fünfmal hat er bis anhin seinen eigenen Weltrekord nach oben geschraubt. Heute liegt er bei 6 Metern und 22 Zentimetern.
Dass «Mondo», wie er auch genannt wird, einmal hoch springen würde, hatte sich schon früh abgezeichnet. Der amerikanisch-schwedische Doppelbürger wuchs in den USA in einer Sportlerfamilie auf. Seine schwedische Mutter war Siebenkämpferin und Volleyballerin, über seinen US-amerikanischen Vater lernte er den Stabhochsprung kennen. Bereits mit 13 Jahren hatte Duplantis in sieben Altersgruppen einen Weltrekord aufgestellt. Heute hat der 23-Jährige, der für Schweden an den Start geht, schon alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Er ist dreifacher Europameister, Weltmeister, Olympiasieger und Weltrekordhalter.
«Ich habe schon immer gespürt, dass ich dazu bestimmt bin, der beste Stabhochspringer der Welt zu werden, dass es bis ganz nach oben reicht, wenn ich auf dem richtigen Weg bleibe», sagte Duplantis einmal gegenüber «Worldathletics». Eine solche Aussage mag arrogant wirken, aber Duplantis war eben schon immer einer, der gross träumt und sich hohe Ziele setzt. Schon nach seinem ersten Weltrekord sei er am nächsten Tag aufgewacht und habe gespürt, dass er noch mehr erreichen wolle, meinte er in einem Interview mit Red Bull.
Die mentale Stärke sei der Schlüssel zu seinen Erfolgen. Als Kind sei er ein schlechter Verlierer gewesen, habe immer noch besser werden wollen, sagt Duplantis. Sein Umgang mit Niederlagen sei zwar damals «ein bisschen ungesund» gewesen, diese Ambitioniertheit sei aber einer der Gründe für seinen Erfolg. Heute könne er besser mit Niederlagen umgehen, meint der Mann, der selten verliert.
Er wirkt reflektiert für sein junges Alter, sagt, dass es im Leben Wichtigeres gebe als den Sport, dass er sehr dankbar sei für alles, was er schon erreichen durfte. Aber wie bleibt man hungrig, wenn es mit 23 nichts mehr gibt, das man noch nicht gewonnen hat?
Es sei schwierig, wenn alle sagen: «Klar hat er gewonnen, das war ja zu erwarten.» Die Erwartungen an ihn seien seit dem ersten Weltrekord ins Unermessliche gestiegen. Aber der Sprung sei für ihn in erster Linie ein Wettkampf gegen sich selbst: Mondo, der Stab und das Ziel. Was seine Konkurrenten machen, könne er ohnehin nicht kontrollieren.
Armand Duplantis ist eine dieser Ausnahmeerscheinungen, wie sie selbst im Spitzensport rar sind. Einer, der bis an die Grenzen des physisch Machbaren geht, einer, der diese Grenzen immer wieder verschiebt. «Ich hoffe, dass das Feuer, das ich schon mein ganzes Leben für das Stabhochspringen habe, niemals erlischt. Ich will weiterhin Grenzen verschieben.» Macht Mondo so weiter, wie er angefangen hat, wird er die Grenze des physisch Machbaren wohl noch einige Male verschieben.
Die Qualifikation hat Mondo in Budapest locker überstanden. Vor der WM landete Duplantis am Diamond League in Monaco unerwartet neben dem Podest – eine Seltenheit für den Mann, der sich eigentlich nur selber schlagen kann.