Wir müssen die richtigen Lehren ziehen. Es wird immer Stürze geben. Aber wir können und müssen Ressourcen investieren, dass deren Folgen nicht so schwerreichend sind.»
WM-Chef: «Rückblickend wäre ein GPS-Tracking die perfekte Lösung gewesen»
Zum Unfallhergang wollten sich die Organisatoren zwar nicht äussern, wie sie am Mittwoch vor den Medien sagten. Die Untersuchung liege bei der Staatsanwaltschaft. Man sei nicht Partei, sondern nur Zulieferer von Informationen.
Über den Unfall sprachen die Organisatoren dennoch. So sagte Sportchef Olivier Senn, dass sich angesichts mehrerer tödlicher Unfälle im Radsport etwas ändern müsse. Sollte die Untersuchung zeigen, dass das OK Fehler gemacht habe, «werden wir Verantwortung übernehmen». Senn betonte: «Was wir machen konnten, haben wir gemacht. Aber die Beurteilung, ob dies wirklich so war, muss die Staatsanwaltschaft vornehmen.»
Keine negativen Rückmeldungen zur Strecke erhalten
Es gebe das Szenario, Rennen wegen schlechter Bedingungen abzusagen. Das sei in diesem Fall aber nicht Thema gewesen, sagte Senn. Er ergänzte auch, dass die Abfahrt, im Gegensatz zu einer anderen Teilstrecke beim Zeitfahren, im Vorfeld nicht auf Kritik gestossen war. «Es fanden Trainings statt, einige Fahrer kamen schon vor der WM zur Besichtigung. Es gab null negative Rückmeldungen.»
Die Sicherheit sei auf höchstem Niveau gewesen. Dass solche Unfälle nicht bemerkt werden, sollte nicht passieren, es könne aber vorkommen, sagte Senn. «Mehrere Tausend Velofahrer fuhren während dieser WM am Unfallort vorbei. Es gab einen Sturz, leider einen sehr tragischen. Aber es gab nur einen.»
Es gelte, daraus die richtigen Lehren zu ziehen, denn es werde immer Stürze geben. Aber man müsse genügend Ressourcen investieren, dass deren Folgen nicht so schwerwiegend seien, forderte Senn. «Rückblickend wäre ein GPS-Tracking die perfekte Lösung gewesen. Aber es ist müssig, zurückzublicken. Wir müssen aus diesem und den letzten Unfällen Dinge für die Zukunft verändern und das ist unser Antrieb, hier nicht nachzulassen und Druck beim Weltverband zu machen, dass sich etwas tut.»
800'000 Fans bei Pogacars Triumph
Als Organisator der Tour de Suisse fühlt sich Senn dieser Tage oft an den tödlichen Sturz von Gino Mäder im vergangenen Sommer erinnert. «Da dauerte es leider Monate, bis wir wussten, was konkret geschehen ist. Ich wünsche mir, vor allem für Muriel Furrers Familie, dass es nun schneller geht. Aber wir müssen vorerst mit einer Ungewissheit leben.»
Hinsichtlich des Zuspruchs der Rad-WM zeigten sich die Organisatoren sehr zufrieden. Man habe die Ziele bei weitem übertroffen, sagte Daniel Rupf, der Gesamtprojektleiter. «Am Sonntag waren es geschätzt 800'000 Zuschauende entlang der gesamten Strecke von Winterthur bis nach Zürich, ausländische Medienschaffende schätzten die Zahl gar auf eine Million.»
Unter der Woche habe man auf mehr Fans gehofft, auch das schlechte Wetter habe aber einen Strich durch die Rechnung gemacht. Insgesamt gab das OK eine geschätzte Zahl von rund 1,2 Millionen Zuschauerinnen für Zuschauer für 53 Rennen an.
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Das von vielen direkt Betroffenen scharf kritisierte Verkehrskonzept habe funktioniert, hielten die Organisatoren fest. Auch die Stadt Zürich zog am Mittwoch eine positive Bilanz bezüglich Zusammenarbeit. Das Verkehrskonzept habe sich bewährt, teilte der Stadtrat mit. Die Behörden hätten mit über 1000 Personen Kontakt wegen Mobilitätsfragen gehabt. Für den Unmut über die teilweise «beträchtlichen Einschränkungen» habe der Stadtrat Verständnis.
Um eine vertiefte Bilanz zu ermöglichen, geben Stadt und Kanton Zürich eine Studie in Auftrag. Diese soll die ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen der Rad-WM untersuchen. Die Resultate sollen 2025 vorliegen. Der Stadtrat erhofft sich davon wertvolle Erkenntnisse für die Planung und Durchführung von grossen Veranstaltungen in der Zukunft. (ram/sda)
Das war die Medienkonferenz:
Olivier Senn
Wir müssen die richtigen Lehren ziehen. Es wird immer Stürze geben. Aber wir können und müssen Ressourcen investieren, dass deren Folgen nicht so schwerreichend sind.»
Daniel Rupf
Man darf aber nicht vergessen, dass es eine Gemeinderatsabstimmung mit drei Enthaltungen und lauter Ja-Stimmen gab über ein Konzept, das gar noch restriktiver war.»
Olivier Senn
Leider muss ich wieder an den Fall von Gino Mäder erinnern, da dauerte es Monate, bis wir konkret wussten, was geschehen ist. Ich wünsche mir, vor allem für Muriel Furrers Familie, dass es schneller geht. Aber wir müssen nun vorerst mit einer Ungewissheit leben.»
Andreas Herren
Olivier Senn
«Die Organisation einer Rad-WM ist sehr komplex. Es war nicht ganz einfach, die kommunikativen Massnahmen so zu gestalten, dass es für alle Beteiligten passt. Es war wohl offensichtlich, dass die UCI erpicht darauf war, nicht viele Informationen weiterzugeben. Es ist nun vermehrt in unserer Hand, so zu kommunizieren, wie wir es für richtig halten.»
Olivier Senn
Olivier Senn
Wir bewegen uns in einem Umfeld, in dem es keine hundertprozentige Sicherheit gibt. Nach der Tragödie mit Gino Mäder haben wir uns sehr intensiv auch mit dieser Strecke auseinander gesetzt. Es fanden Trainings statt, einige Fahrer kamen schon vor der WM zur Besichtigung. Es gab null negative Rückmeldungen, etwa im Gegensatz zur Abfahrt im Zeitfahren. Auch jetzt haben wir aus Athletensicht die Meldung erhalten, dass die Abfahrt zu gefährlich sei.»
Olivier Senn
Olivier Senn
«Es war ein sehr verzetteltes Feld. Ich weiss nicht, wo und wie Muriel Furrer gefahren ist. Das darf nicht, aber das kann passieren, dass jemand einfach verschwindet.»
«Wir haben im Vorfeld ein Sicherheitskonzept erarbeitet und wir haben am Morgen vor dem Rennen aufgrund des Wetters zusätzliche Leute in der Abfahrt hingestellt. Ich glaube nicht, dass mehr Leute dort mehr hätten erreichen können. Was wir machen konnten, haben wir gemacht. Aber die Beurteilung, ob dies so war, muss die Staatsanwaltschaft vornehmen.»
Olivier Senn
Die Kantonspolizei hat mit der UCI zusammen die Informationen, die zur Verfügung standen, analysiert haben. Wir können nicht sagen, mit wem die Ermittler gesprochen haben und mit wem nicht.»
Olivier Senn
Olivier Senn
Daniel Rupf
«Wir haben einerseits Fernsehbilder. Und da, wo wir Hotspots hatten, wurde es aufgerechnet. An der Zürichbergstrasse zum Beispiel war es einfach zu berechnen. Wir haben auf beiden Seiten zwei Kilometer lang Gitter aufgestellt, da können wir berechnen, dass es auf beiden Strassenseiten jeweils 4000 Zuschauer hat in einer Reihe und dann zählt man, in wie vielen Reihen die Zuschauenden stehen. Aber natürlich sind es am Ende geschätzte Zahlen, die auf Erfahrungen basieren.»
Daniel Rupf
Daniel Rupf
Daniel Rupf
Das Verkehrskonzept, an dem auch während der WM gearbeitet wurde, ging auf, der oft prognostizierte Kollaps ist nicht eingetroffen. Wir sind stolz, dass das in Zusammenarbeit mit den Behörden funktioniert hat. Es war sehr komplex, es waren sehr viele Departemente und Dienstabteilungen der Stadt und des Kantons involviert. Die Beteiligten dürfen darauf stolz sein, dass es geklappt hat.
Die internationalen Medien waren sehr zufrieden, die Abläufe haben funktioniert. Wir ziehen wirklich ein sehr positives Fazit. Wir können sagen: Zürich kann so einen Grossanläss organisieren.»
Daniel Rupf
Unter der Woche haben wir uns mehr erhofft, wir hatten im Schnitt knapp 30'000 pro Rennen. Das schlechte Wetter war natürlich nicht dabei förderlich, sich an die Strecke zu begeben.»
Olivier Senn
Sportlich kann man ein positives Fazit ziehen. Die WM brachte die Rennen, die wir und der Radsport uns erhofft haben. Aber alles immer unter dem Eindruck des tragischen Unglücks, das wir erleben mussten.»
Olivier Senn
Der Para-Sport hatte seinen Platz und seine Aufmerksamkeit innerhalb der Veranstaltung. Wir haben von den Athletinnen und Athleten sehr viele positive Rückmeldungen erhalten. So etwas wie in Zürich haben sie noch nie erlebt an einer WM. Sie verdienen diese Aufmerksamkeit. Wir hoffen, dass die Entwicklung so weitergeht.
Das Schweizer Team nahm Medaillen beinahe sackweise nach Hause, was auch für uns Veranstalter natürlich besonders schön ist.»
Olivier Senn
Olivier Senn
Daniel Rupf
Speziell am Sonntag erlebten wir ein grossartiges Radsport-Spektakel. Hunderttausende Leute standen entlang der Strecke und wollten ein Volksfest. Sie haben den Radsport in einem würdigen Rahmen zelebriert.
Wir haben am ersten wie auch am zweiten Wochenende ein Spektakel erleben dürfen. Die Gesamtbetrachtung, auch hinsichtlich der Inklusion, haben wir in Zürich neue Massstäbe, auch für andere Sportarten, setzen können. In diesem Bereich gehen wir bestimmt positiv in die Geschichte ein.»
Daniel Rupf
Die Anwesenden
Olivier Senn, der Sportliche Leiter der Rad-WM.
Bilanz-Medienkonferenz ab 10 Uhr
Die Titelkämpfe wurden überschattet vom tödlichen Sturz der 18-jährigen Zürcherin Muriel Furrer, zu dem viele Fragen offen sind.
Womöglich kann das lokale OK der Rad-WM mehr Licht ins Dunkel bringen. Es wird zudem erwartet, dass die Organisatoren an ihrer Bilanz-Medienkonferenz auch ein Fazit zu den zahlreichen Strassensperrungen, die für grossen Unmut bei der betroffenen Bevölkerung gesorgt haben, äussern.