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Der Romantiker sagt: Talent und Mut der Gladiatoren entscheiden über Sieg und Niederlagen. Je tiefer die Schräglage, je kürzer die Bremswege, je länger die Gasschieber oben, desto näher der Ruhm. Der Realist sagt: Talent und Mut der Gladiatoren alleine genügen nicht mehr. Am Ende des Tages gewinnt nur noch, wer auch dazu in der Lage ist, diese Höllenmaschinen mit mehr als 100 PS besser abzustimmen.
Gerade in einer Kategorie wie der Moto2-WM. Fast alle haben das gleiche Fahrwerk (Kalex), alle die gleichen Motoren (Honda) und Reifen (Dunlop). Auch die Kopfarbeit der Techniker macht die Differenz.
Tom Lüthi (29) und Dominique Aegerter (24) haben bei ihrer Ankunft in Assen aufwühlende Tage hinter sich. Lüthi nach Tests mit dem MotoGP-Bike von KTM, Aegerter nach einem Drama in seiner Familie. Sein Vater liegt seit Montag mit einer Gehirnblutung in der Intensivstation des Berner Inselspitals. Das bedeutet, dass beide aus ganz unterschiedlichen, nicht vergleichbaren Gründen aus dem Alltag herausgerissen worden sind.
Emotionen spielen sehr wohl auch eine Rolle. Tom Lüthi ist cool, locker, selbstsicher. Aegerter auf einer Mission: Er fährt für seinen Vater «Fere». Und die Erleichterung, als «Fere» am Samstag erstmals am Telefon mit ihm sprechen kann, lässt ihn im Abschlusstraining richtiggehend fliegen. Platz 1 für Tom Lüthi, Platz 3 für Dominique Aegerter, seine beste Saisonklassierung. Erstmals überhaupt stehen die beiden Schweizer gemeinsam in der ersten Startreihe.
Die Klassierung im Training basiert auf der schnellsten Runde und einer Fahrt von etwas mehr als 4 Kilometern. Die Klassierung im Rennen aus der Summe von 21 Runden und einer Fahrt von fast 100 Kilometern. Daran sind die beiden Schweizer in Assen spektakulär gescheitert. Bei der dritten Zieldurchfahrt führt Lüthi noch mit 77 Tausendstel vor Aegerter. Am Ende sieht nur Aegerter als 9. das Ziel.
«Ich habe früh gewusst, dass es nicht reichen wird. Bereits nach drei Runden spürte ich, wie der Töff nervös reagiert und ich musste extrem am Limit fahren, um vorne mithalten zu können. Spätestens als Nakagami (der Japaner wird den ersten Sieg feiern – die Red.) in Führung ging, wusste ich, dass ich dieses Tempo nicht mitfahren kann.» So schildert Tom Lüthi sein missglücktes Abenteuer.
Die Frage ist natürlich, warum die Maschine nervös reagiert hat. Im Training hatte Lüthi noch eine schnelle Runde nach der anderen hingelegt. «Die äusseren Bedingungen waren beim Rennen anders.» Welche äusseren Bedingungen? «Die Asphalttemperatur war zehn Grad höher und nach den Regenfällen in der Nacht war die Reifenhaftung auf der Piste anders. Die Maschine hat in einer engen Bandbreite perfekt funktioniert und ganz offensichtlich bewegte ich mich im Rennen nicht mehr in dieser Bandbreite.»
Später sei er nach einem halsbrecherischen Überholmanöver von Sam Lowes beinahe gestürzt. «Ich brauchte dann einen Moment, um den Rhythmus wieder zu finden. Ich habe noch einmal alles versucht und dann bin ich gestürzt.»
Womit wir beim Kern der Sache sind. Tom Lüthi und Dominique Aegerter gehören zu den wenigen Piloten, die von allem Anfang an (seit 2010) in der Moto2-WM dabei sind. Sie müssten also mit ihrer immensen Erfahrung am besten dazu in der Lage sein, eine Maschine abzustimmen. Aber sie sind es nicht. Saison für Saison scheitern beide immer wieder an technischen Problemen. Dominique Aegerters Analyse ist deckungsgleich mit jener seines Teamkollegen. Auch er sagt, nach drei Runden habe er gespürt, dass es nicht funktioniert. «Es war zu viel Druck auf dem Hinterrad.» Die Reifen bauten deshalb zu schnell ab.
Nichts hat geholfen. Nicht der Wechsel von Suter auf Kalex, nicht der Austausch des technischen Personals. Sind also die Fahrer nicht dazu in der Lage, den Technikern die richtigen Informationen zu geben? Oder sind die Techniker nicht dazu in der Lage, die Informationen der Piloten richtig umzusetzen?
Der Motorsport ist ein Sport der Ausreden. Gross ist die Versuchung, die Piloten in Schutz zu nehmen und die Techniker zu kritisieren. Der Romantiker sagt: Es sind die Techniker! Aber der Realist kommt immer mehr zum Schluss: Es liegt an beiden. Es liegt am technischen Verständnis der Fahrer und es liegt an der Fähigkeit der Techniker, damit umzugehen. Assen 2016 ist eine Niederlage für die Romantiker, für die, die an das Primat des Mutes und des Talentes glauben.
Assen 2016 hat so eindrücklich und spektakulär wie vielleicht noch nie aufgezeigt, dass die Realisten recht haben: unser «Töff-Dreamteam» ist technisch nicht auf der Höhe und deshalb bleiben Mut und fahrerische Heldentaten der Piloten so oft unbelohnt. Ob für diesen gravierenden Mangel, der Jahr für Jahr die Titelchancen ruiniert, die Fahrer oder die Techniker verantwortlich sind, muss Teamchef Fred Corminboeuf herausfinden.