Eigentlich war es ein wenig spektakulärer Anlass, der in der Welt der NBA grosses Aufsehen erregte. Bei einem Presse-Event seines Schuh-Ausrüsters Adidas in China antwortete Basketball-Star James Harden auf eine Publikumsfrage: «Daryl Morey ist ein Lügner und ich werde nie mehr Teil derselben Organisation sein wie er.»
Es ist eine harsche Aussage, die Harden aber gleich noch einmal wiederholte: «Lasst mich das nochmal sagen: Daryl Morey ist ein Lügner und ich werde nie mehr Teil derselben Organisation sein wie er.» Die Deutlichkeit, mit welcher der Guard der Philadelphia 76ers seiner Aussage Nachdruck verlieh, lässt vermuten, dass die Beziehung zwischen dem Profi und dem Team-Präsidenten nicht mehr zu kitten ist. Eine Männerfreundschaft geht in die Brüche.
James Harden: “Daryl Morey is a liar and I will never be a part of an organization that he’s a part of. Let me say that again: Daryl Morey is a liar and I will never be a part of an organization that he’s a part of.” pic.twitter.com/AmHJ0WwbF2
— Shams Charania (@ShamsCharania) August 14, 2023
Denn Morey und Harden arbeiteten bereits bei den Houston Rockets erfolgreich miteinander. Damals war Morey noch General Manager und war unter anderem dafür verantwortlich, Harden aus Oklahoma nach Texas zu holen. Zwar reichte es nie zum Titel, doch erreichte Houston, wo auch Clint Capela zwischen 2014 und 2020 spielte, immer die Playoffs und stand immerhin zweimal im Halbfinal. 2019 stattete Morey den MVP der Saison 2017/18 zudem mit einem Vierjahresvertrag über mehr als 171 Millionen Dollar aus.
Und als sich Harden nach seinem Wechsel zu den Brooklyn Nets auch im New Yorker Stadtteil nicht mehr wohlfühlte, fädelte Morey – mittlerweile in Philadelphia – einen Trade für seinen ehemaligen Schützling ein. Der 50-Jährige ist also eine wichtige Figur in der Karriere des bärtigen Stars. Doch plötzlich will der «Beard» nichts mehr von Morey wissen. Was war passiert?
Um genau zu verstehen, weshalb Harden seinen früheren Freund der Lügen bezichtigt, muss man ein Jahr zurückgehen. Im letzten Sommer verzichtete der zehnfache All-Star darauf, die in seinem noch aus Houston-Zeiten stammenden Vertrag verankerte Option auf ein Zusatzjahr mit einem Gehalt von 47,4 Millionen Dollar zu ziehen, und unterschrieb einen Zweijahresvertrag für insgesamt 68,6 Millionen Dollar. Dies tat er, um seinem Verein mehr Flexibilität unter der Gehaltsobergrenze zu geben, damit dieser dadurch ein möglichst gutes Team zusammenstellen kann.
Nachdem Philadelphia aber erneut im Playoff-Viertelfinal gescheitert ist und Harden seinem Ruf als schlechter Performer in der entscheidenden Saisonphase wenig hat entgegenbringen können, sieht der bald 34-Jährige den Plan wohl als gescheitert an. So zog er Ende Juni die Option auf das zweite Jahr des im letzten Sommer unterschriebenen Vertrags und forderte direkt danach einen Trade. Dies tat er bereits in Houston und Brooklyn.
Dass er sich ein weiteres Jahr an Philadelphia band, statt seinen nächsten Arbeitgeber frei wählen zu können, liegt wohl daran, dass Harden auf dem freien Markt nicht erneut 35,6 Millionen Dollar für ein Jahr angeboten bekommen hätte. Noch einmal will er nicht auf Geld verzichten – dies hat er ja im letzten Jahr bereits getan. Und nun kommt eben Morey ins Spiel.
Denn der Team-Präsident und der General Manager Elton Brand willigten nach Hardens Forderung ein, gemeinsam eine für alle Parteien passende Lösung zu finden. Am vergangenen Wochenende wurde dann aber berichtet, dass die Sixers die Trade-Verhandlungen beenden und Harden zum Start der Saisonvorbereitung wieder erwarten. Kurz darauf äusserte der Basketballer in China die schweren Vorwürfe.
Gemäss ESPN hätten einzig die Los Angeles Clippers ernsthaftes Interesse am besten Assistgeber der letzten NBA-Saison gehabt. Doch selbst für das Team um die oft verletzten Stars Kawhi Leonard und Paul George waren die Forderungen der Philadelphia 76ers zu hoch – sehr zum Missfallen Hardens.
Diesem droht nun nämlich eine lange Leidenszeit. Morey und Philadelphia haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie solche Situationen auch einmal aussitzen, bis ein passendes Angebot kommt. Die Streitigkeiten mit Ben Simmons, der sich weigerte, weiterhin für die 76ers zu spielen, zogen sich fast über ein Jahr hin. Im Februar 2022 schickten sie den Australier dann nach Brooklyn. Ironischerweise für unter anderem James Harden.
Auch jetzt weigern sich Morey und Co., einen Trade zu akzeptieren, sofern dieser ihr Team nicht besser machen würde. Mit Harden neben Superstar Joel Embiid sehen sie sich nämlich als Titelkandidaten. Ob Harden aber noch einmal in den blauen Trikots auflaufen wird, bleibt abzuwarten.
Schliesslich zeigt er sich auch darüber frustriert, dass ihm keine lukrative Vertragsverlängerung angeboten wurde, obwohl Harden diese im letzten Sommer angeblich versprochen wurde. Dies lässt sich aber nicht belegen, da eine solche Absprache nur im Geheimen getroffen werden konnte. Die Regularien der NBA verbieten dies nämlich.
Es könnte aber ein weiterer Grund dafür sein, dass die Auseinandersetzung nun so eskalierte und sich Harden entgegen der Ratschläge seines Agenten zu solchen Aussagen hinreissen liess. Wobei: Einen ernsthaften Effekt scheinen sie eh nicht gehabt zu haben, wie Jason Dumas von Bleacher Report berichtet. Demnach sei Morey davon unbeeindruckt und weiterhin von seiner Haltung überzeugt, Harden vorerst nicht zu traden.