«Downhill Skiers» ist ein bildgewaltiger Blick hinter die Kulissen – mit Abstrichen
Achtung Spoiler! Franjo von Allmen holt sich den Weltmeistertitel und Marco Odermatt die kleine Kugel im Abfahrtsweltcup. Ach ja, selbst Ski-Fans, die nicht jedes einzelne Rennen schauen, dürften das noch im Kopf haben. Man weiss, wer welche Rennen gewonnen hat, man weiss, wer sich wo verletzt.
Das liegt in der Natur der Sache, wenn man einen Dokumentarfilm über die besten Abfahrer der Welt dreht. «Downhill Skiers – Ain't No Mountain Steep Enough» von Regisseur Gerald Salmina («Streif – One Hell of a Ride») begleitet den Abfahrtszirkus während eines ganzen Winters – vom Weltcupfinal im März 2024 durch die ganze WM-Saison, zu den Schweizer Festspielen bei der WM in Saalbach bis zum Weltcupfinal in Sun Valley. Die fünf ursprünglichen Hauptfiguren sind: Marco Odermatt, Cyprien Sarrazin, Dominik Paris, Vincent Kriechmayr und Aleksander Kilde.
Wer den Verlauf des letzten Winters noch im Kopf hat, bemerkt sofort die Gefahren, aber auch die Chancen eines solchen Films: die Unberechenbarkeit einer Skisaison. Kilde verpasst nach seinem schweren Sturz in Wengen im Vorwinter und darauffolgenden Komplikationen die komplette Saison. Sarrazin stürzt in Bormio und verletzt sich so schwer, dass zwischenzeitlich gar sein Leben in Gefahr ist. Paris hat mit dem Ausgang der Rennen über grosse Teile des Winters wenig zu tun. Und auch Vincent Kriechmayr verpasst das Heimrennen in Kitzbühel wegen eines heftigen Sturzes in Wengen.
Eigentlich wäre das für einen derartigen Film eine Chance, schliesslich sind Dramen oft faszinierender als reine Erfolgsgeschichten. Doch dafür fehlt «Downhill Skiers» die Nähe zu den Athleten. Ab und an sind etwas persönlichere Einblicke möglich, vereinzelt kommen auch die Familien der Fahrer zu Wort. Oft scheinen die Gespräche und Zitate der Protagonisten aber aus TV-Interviews der Medienpartner (ORF und Servus TV) geschnitten. Und einige der persönlicheren Einblicke stammen aus Social-Media-Posts der Fahrer.
Kilde wird in der über zweistündigen Laufzeit vereinzelt bei Sponsorenterminen oder bei einem weiteren medizinischen Eingriff gezeigt, doch besonders nahe wird er nicht begleitet. Stattdessen rücken andere Fahrer – im Schweizer Traumwinter waren dies die Swiss-Ski-Athleten Justin Murisier, Alexis Monney und Franjo von Allmen oder auch der Österreicher Daniel Hemetsberger – ins Rampenlicht.
Regisseur Gerald Salmina sagte, er wollte mit «Downhill Skiers» nicht einfach die besten Skifahrer und ihre Erfolge dokumentieren, sondern «aussergewöhnliche Menschen, die mit beeindruckender mentaler Stärke und Leidenschaft versuchen, ihre Ziele zu erreichen, ungeachtet aller schmerzlichen Nebenwirkungen» zeigen. Das gelingt grösstenteils. Man sieht, wie sich die Abfahrer auf die Saison vorbereiten, wie sie mit dem Risiko umgehen und auf Stürze reagieren. Die Hochs und Tiefs einer Saison. Doch es bleibt eher oberflächlich.
Die schmerzlichen Nebenwirkungen sind jederzeit klar sichtbar. Der Film schreckt nicht davor zurück, heftige Crashes mehrfach aus allen möglichen Winkeln zu zeigen. Auch Bilder von Kildes Verletzungen und Operationen sind nichts für schwache Nerven. Überhaupt ist die Bildstärke eines der überzeugendsten Argumente des Films. Spektakel war beim Thema Abfahrt natürlich vorprogrammiert. Ergänzt werden die Rennaufnahmen durch wunderschöne Zeitraffer aus den Bergwelten, Einblicken aus den schweisstreibenden Trainings oder POV-Bilder der Rennstrecken.
Und teilweise gibt es auch Einblicke, die selbst mancher Ski-Fan so wohl noch nie gehabt hat. Marco Odermatt, wie er um 3.40 Uhr für das Gletschertraining in Zermatt aufsteht. Aleksander Kilde, wie er nach einer weiteren Schulter-Operation den Schweizer Dreifachsieg in Crans-Montana schaut. Oder wie Odermatt, Murisier und Stefan Rogentin in Kitzbühel in der Gondel sitzen und über die einschüchternde Streif sprechen.
Diese Momente sind aber gerade für begeisterte Ski-Fans zu selten. Am spannendsten ist der Abschnitt über Bormio, wo schon vor dem heftigen Unfall von Sarrazin über die Verhältnisse diskutiert wird. Man sieht, wie den Fahrer nach diesem geschockt reagieren und Odermatt wegen dieser Streckenstelle im Ziel ausruft: «Das isch gnau weg dem scheiss aggressive Schnee, muesch luege.» Man kann mitverfolgen, wie die Spannung zwischen dem Fahrerlager und der FIS-Rennleitung steigt und wie Sturzopfer von Bormio mit etwas Distanz selbst darauf zurückblicken.
Andere Abschnitte können weniger überzeugen. Man fragt sich, warum ausgerechnet die Rennszenen, die die Fans schon gesehen haben, derart in die Länge gezogen und mit Kamerafahrten ergänzt werden, die KI-generiert aussehen. Oder warum es nötig war, bei den Lauberhorn-Szenen einen eigenen Kommentar mit Schweizer Akzent einzusprechen, statt wie sonst auch auf die bewährten ORF-Stimmen zu setzen.
Im Grossen und Ganzen ist «Downhill Skiers» ein unterhaltsames, bildgewaltiges Spektakel, das sich aber eher an den beiläufigen Ski-Fan richtet. Hardcore-Ski-Fans erfahren hingegen wenig Neues – für sie bietet sich dafür die Möglichkeit, einen Winter, der gerade aus Schweizer Sicht herausragend war, noch einmal Revue passieren zu lassen.
«Downhill Skiers – Ain't No Mountain Steep Enough» ist ab dem 23. Oktober in Deutschschweizer Kinos zu sehen.