Am Freitagmorgen platzte die Bombe. Am FIFA-Kongress in der thailändischen Hauptstadt Bangkok haben 206 der 211 Verbände einer potenziell wegweisenden Statutenänderung zugestimmt.
Diese besagt, dass in Zukunft der Kongress darüber befindet, wo der Weltfussballverband seinen Hauptsitz hat. Seit 1932 befindet sich dieser in Zürich, nun wurden die formalen Voraussetzungen für einen theoretischen Wegzug geschaffen. Auch wenn die FIFA mitteilt, in der Schweiz «glücklich» zu sein.
watson hat sich mit Ex-FIFA-Präsident Sepp Blatter über den Entscheid des Kongresses unterhalten.
Herr Blatter, wie haben Sie die Statutenänderung aufgenommen?
Sepp Blatter: Man muss ganz klar festhalten, dass die FIFA gemäss Schweizer Zivilrecht ein Verein ist. Ein Verein hat seine Statuten, das wichtigste Organ ist die Generalversammlung, im Falle der FIFA der Kongress. Dieser kann entscheiden, was er will. Eine Kommission hat den Vorschlag gemacht, über die Wahl des Hauptsitzes abzustimmen, dies hätte auch unter meiner Präsidentschaft passieren können. Nun wurde entschieden, dass in Zukunft der Kongress den Ort des Hauptsitzes der FIFA bestimmt. Dies ist statutarisch absolut vertretbar.
Unter Ihnen hatte Zürich immer einen hohen Stellenwert. Kongresse, WM-Vergaben, Weltfussballerwahlen haben in Zürich stattgefunden, die globale Fussballprominenz schaute regelmässig vorbei.
Korrekt. Mir war Zürich als Standort immer sehr wichtig. Wie Sie sagen: Unter meiner Ägide fanden viele wichtige Anlässe und Sitzungen in Zürich statt, das war eine Belebung der Stadt, Restaurants und Hotels haben von den Gästen profitiert, die wirtschaftliche Kraft der FIFA sollte man nicht unterschätzen. Viele Verbände und Fussballfunktionäre kommen bis heute gerne hierhin, Zürich ist für sie ein kleines Paradies. Mein Gefühl sagt: Die FIFA sollte in der Stadt Zürich bleiben, nicht nur heute und morgen, sondern für immer.
Blutet Ihnen nicht ein wenig das Herz, dass die FIFA Zürich nun verlassen könnte?
Nun ja, die neue FIFA hat ja bereits entschieden, einige Abteilungen in andere Länder zu verlegen. Es gibt einen Standort in Paris, die Rechtsabteilung arbeitet aus Miami, Florida. Unter mir wäre dieses Outsourcing bereits nicht passiert.
Sie spielen auf Ihren Nachfolger an, FIFA-Präsident Gianni Infantino. Wie viel hat er mit dieser Statutenänderung zu tun?
Mein Nachfolger verfolgt mit der FIFA sicher einen anderen Ansatz als ich, er hat seine eigenen Ideen.
Haben Sie sich mit ihm über die Statutenänderung unterhalten?
Nein, ich habe nie mit ihm geredet und er nicht mit mir. Ich bin nicht mehr dabei und man hat mich auch nicht gefragt, ob diese Änderung gut oder schlecht ist. Ich habe keinen Kontakt zu Gianni Infantino, das letzte Mal war kurz vor seiner Wahl. Aber es wäre schön, wenn wir uns wieder mal unterhalten würden.
Sie kommen ja beide aus demselben Kanton. Wie kann es sein, dass Sie sich bezüglich Ansichten so stark von Infantino unterscheiden?
(Blatter schmunzelt): Also erstens haben wir einen Generationenunterschied, er ist etwas über 50, ich bald 90 Jahre alt. Zudem kommt er aus Brig, ich aus Visp. Das ist wie Zürich und Basel, um in der Fussballersprache zu bleiben.
Was würde Zürich mit einem Wegzug der FIFA verlieren?
Sicher die angesprochenen Grossanlässe. Die FIFA hat wie erwähnt viel Belebung und Geld nach Zürich gebracht. Der Weltfussball war regelmässig zu Gast.
Sollte sich die Zürcher Politik darum bemühen, dass die FIFA ihren Hauptsitz weiterhin in Zürich behält?
Ich bin schon der Meinung, dass die Stadt Zürich dafür schauen sollte, dass sie die FIFA behalten kann. Ich möchte aber keinen politischen Druck aufbauen. Die heutige Statutenänderung war ein Warnschuss. Nun ist die Politik gefordert, Stadt und Kanton Zürich, auch die Schweiz. Es wird sich zeigen, wie wichtig die FIFA Zürich und der Schweiz ist.
Was denken Sie?
Ich bleibe optimistisch, einen Wegzug würde ich sehr bedauern. Das FIFA-Museum ist ja auch in Zürich stationiert und läuft gut. Ob die Stadt Zürich alles dafür tut, dass die FIFA in Zürich bleibt, muss sie selbst entscheiden. Ich bin ein positiver Mensch und überzeugt, dass die 211 Verbände es weiterhin schätzen, nach Zürich zu kommen. Eine Abstimmung über einen anderen Hauptsitz bräuchte ja auch eine Mehrheit. Ich bin auf jeden Fall gerne in Zürich, bezahle bis heute meine Steuern hier.
Der Cüplifraktion in Zürich wäre dies sicher ein Dorn im Auge, dem grossen Rest aber wohl egal.
Und was Blatter dazu sagt, ist mir eigentlich auch egal🤷🏼♂️