Nach seinem hart erkämpften Viersatz-Erfolg gegen Holger Rune im Viertelfinal von Roland Garros hatte Casper Ruud eigentlich allen Grund zur Freude, schliesslich hatte er ja Geschichte geschrieben. Als erster Norweger steht er heute Abend gegen Marin Cilic im Halbfinals eines Grand-Slam-Turniers. Stattdessen gab es Ärger mit Gegenspieler Rune.
Der dänische Teenager fiel während des Spiels immer wieder mit emotionalen Ausbrüchen auf. Im dritten Satz schickte Rune gar seine Mutter lautstark aus dem Stadion. So kam es zwischen den beiden Skandinaviern nach Spielschluss zu einem ziemlich frostigen Handshake.
Ruud zeigte sich nach dem Match von den Ausbrüchen seines Gegenübers allerdings nicht überrascht. «Ich kenne Holger nicht persönlich, habe aber im Fernsehen gesehen, dass er manchmal sehr dramatisch werden kann», zitierte der norwegische TV-Sender NRK den 23-Jährigen. «Er ist jung und neu und das kann auch mal passieren. Aber wenn man auf der grossen Bühne steht, ist es Zeit zum Erwachsenwerden», kritisierte die Weltnummer 8 seinen jüngeren Berufskollegen. «In meinen Augen gibt es nicht viel Respekt für das, was er heute getan hat.»
Wie Rune nun im dänischen «Ekstra Bladet» berichtet, habe sich aber auch Ruud nach Spielschluss zu einer unangebrachten Aktion verleiten lassen. Während die Betreuer seines Kontrahenten einfach an ihm vorbeigegangen seien, habe Ruud in der Umkleidekabine direkt vor seinen Augen lautstark gejubelt. «Sein Team war eigentlich sehr nett, aber dann kommt er direkt zu mir und schreit mir ‹JAAA!› ins Gesicht. Ich dachte nur: ‹Was zum Teufel machst du da?› So etwas macht man nicht. Das ist ein schlechter Stil.»
Wenn es nach Ruud geht, hat sich die Szene im Bauch des Stadions allerdings ganz anders abgespielt. «Wir waren beide nach dem Match in der Umkleidekabine – und es ist eine wirklich grosse Umkleidekabine. Ich habe ein Eisbad genommen, Pizza gegessen und Musik gehört, bevor wir nach Hause gegangen sind. Währenddessen sass Holger in seinem Abteil der Umkleidekabine», erklärte der Norweger gegenüber «Eurosport».
«Seine Aussage, dass ich ihm ein ‹JAAA› ins Gesicht geschrien haben soll, ist sehr seltsam und so nie passiert. Das ist eine grosse Lüge», stellte Ruud klar und betonte: «Das ist sehr enttäuschend von ihm.» Er verstehe, dass einige Spieler emotionaler seien als andere, erklärte der achtfache Turniersieger weiter. «Holger ist offensichtlich jemand, der mit vielen Emotionen spielt. Ich bin darüber nicht überrascht, aber es ist eine Schande, dass er nun mit all diesen Lügen gegen mich um die Ecke kommt.»
In den Zoff eingemischt hat sich mittlerweile auch der Vater und Trainer von Ruud. «Das ist einfach eine Lüge von Holger», sagte Christian Ruud zum Schrei-Vorwurf. «Ansonsten gibt es nichts mehr zu sagen, unser Fokus liegt nun voll auf dem Halbfinal gegen Marin Cilic.»
Auf die Aussagen von Vater Ruud hat nun aber Mutter Rune wiederum reagiert. Sie behauptet, dass Christan Ruud gar nicht wissen könne, was passiert sei. «Der Vater war nicht da, als es passierte», erläuterte sie. Der Vorfall habe sich ereignet, als ihr Sohn auf die Dopingkontrolle gewartet hatte. «Also kann der Vater das nicht kommentieren», so Aneke Rune. «Es ist eine Sache, dass man meinem Sohn ins Gesicht schreit. Dass der Vater die Presse anlügt, ist hingegen eine andere», betonte sie.
Wer im ganzen Drama zwischen den beiden Skandinaviern Recht hat, bleibt ungeklärt – es steht Aussage gegen Aussage. Spannend bleibt, wie es weitergeht. So wie die beiden Streithähne in den letzten Wochen aufgespielt haben, war der Paris-Viertelfinal sicher nicht ihr letztes Duell auf grosser Bühne. (pre)