Geheimnisse gibt es zwischen Rafael Nadal und Novak Djokovic keine mehr. 58 Mal haben die beiden Tennisgiganten seit ihrem ersten Duell – 2006 im Viertelfinal der French Open in Paris – gegeneinander gespielt. Nadal war Titelverteidiger, Djokovic die Nummer 63 der Welt. Der Serbe musste damals beim Stand von 4:6, 4:6 mit Rückenproblemen aufgaben.
16 Jahre später ist die Affiche, wieder in Paris, wieder im Viertelfinal, längst ein Klassiker. Und es ist wohl das grösste Duell der Tennisgeschichte. Rafael Nadal auf der einen Seite. Der Spanier ist 13-facher Paris-Sieger, Sandkönig, Champion der Australian Open, mit 21 Titeln Rekord-Grand-Slam-Sieger. Der König der Leiden, ein Faszinosum auf roter Asche. Novak Djokovic auf der anderen Seite. Der Serbe ist 20-facher Grand-Slam-Sieger, Titelverteidiger in Roland Garros, Nummer 1 der Welt, bester Spieler der letzten Dekade, Inbegriff mentaler Stärke und Resilienz.
Djokovic and Nadal to meet in their 59th clash! 🇷🇸🤜🤛🇪🇸
— Roland-Garros (@rolandgarros) May 30, 2022
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Mit Nadal und Djokovic messen sich zwei der höchstdekorierten Spieler der Geschichte. Sie vereinen 41 Grand-Slam-Titel, 480 Wochen an der Spitze der Weltrangliste, 190 Turniersiege, 285 Millionen Dollar Preisgeld. Das nächste Kapitel in der gemeinsamen Geschichte zweier Sportikonen. Und angesichts des Alters der beiden – Djokovic wurde kürzlich 35, Nadal feiert am Freitag den 36. Geburtstag – könnte es auch der Schlussakt sein. Rafael Nadal sagt: «Vielleicht ist es mein letztes Spiel in Roland Garros.»
Viele tun das inzwischen als Koketterie ab, wie auch die Erzählung, vor wenigen Wochen habe er nicht gewusst, ob er wegen einer chronischen Verletzung am Fuss überhaupt antreten könne. Es gibt nicht wenige, die Nadal schon vor 15 Jahren ein baldiges Karriereende prophezeit hatten. Nun ist er immer noch da, immer noch einer der Besten, in Paris sowieso.
Aber auch noch der Beste? Zweifel sind angebracht. Djokovic hat Nadal in dessen Reich schon zwei Mal bezwungen: 2015 im Viertelfinal, im Vorjahr im Halbfinal. Viele sehen darin eine Zeitenwende. Für den Trainer Patrick Mouratoglou ist klar: «In Bestform ist Novak Djokovic der beste Spieler der Welt, auch auf Sand.» Eine Einschätzung, die auch der dreifache French-Open-Sieger Mats Wilander teilt, der sagt: «Djokovic wird unglaublich hungrig sein. Er ist im Kopf und im Herzen ausgeruht. Für die physische Fitness konnte er sich seinen Trainingsplan perfekt zusammenstellen.»
Nadal musste im Achtelfinal gegen den von seinem Onkel Toni betreuten Kanadier Félix Auger-Aliassime erst zum dritten Mal überhaupt in Paris über fünf Sätze. Djokovic gab hingegen bisher noch keinen Satz ab.
Beeindruckend ist auch, wie der Serbe die Ausschaffung aus Australien Anfang Jahr weggesteckt hat, wo er wegen seiner Entscheidung, sich nicht gegen das Coronavirus impfen zu lassen, vor einem Gericht gelandet war. Sein Trainer Goran Ivanisevic sagt: «Die meisten anderen hätten sich nie von dem erholt, was er dort durchgemacht hat. Er schon. Er ist ein Genie.»
Nun ist er vielleicht sogar zum ersten Mal in Paris selbst gegen Nadal Favorit. Noch vor drei Wochen wäre das undenkbar gewesen. Doch dann gewann Djokovic in Rom sein erstes Turnier des Jahres und Nadal war erstmals seit 2003 vor den French Open ohne Titel auf Sand geblieben.
Begleitet wird das Duell von Misstönen – nicht zwischen den beiden, aber wegen der beiden. Grund dafür ist ein TV-Deal, den die French Open 2020 abgeschlossen haben. Gemäss der französischen Sportzeitung «L'Equipe» überweist der Bezahlsender Amazon Prime 15 Millionen Euro pro Jahr für die exklusiven Übertragungsrechte für das Abendspiel ab 20.45 Uhr.
Der öffentlich-rechtliche Sender France Télé guckt in die Röhre – wie viele Fans. Und das ausgerechnet beim Spiel des Jahres. Zudem äusserte Nadal den Wunsch, nicht in der Nacht zu spielen. Djokovic hingegen zieht das Abendspiel vor. Weshalb? Weil die mit viel Spin geschlagenen Bälle von Nadal bei kühleren Temperaturen deutlich weniger Wirkung entfalten.
«Ich spiele nicht gerne nachts auf Sand. Die Luftfeuchtigkeit ist höher, der Ball ist langsamer und die Bedingungen können sehr, sehr ‹heavy› sein, besonders wenn es kalt ist», erklärte Nadal. Auf die Frage, ob er lieber am Tag oder am Abend spielen würde, meinte Djokovic: «Ich kann nur sagen, dass Rafa und ich unterschiedliche Anträge stellen würden.»
Mit entsprechend grosser Spannung war der Spielplan erwartet worden. Und: Nicht der Wunsch von Rekordsieger Rafael Nadal, sondern jener von Titelverteidiger Novak Djokovic ist in Erfüllung gegangen. Das Spiel findet am Abend statt. Bei der TV-Übertragung fand man einen «faulen» Kompromiss. France Télé darf den Viertelfinal zwar nicht zeigen, der US-Streamingdienst Amazon Prime macht das Spiel hingegen frei zugänglich.
Ebenfalls keine Rechte auf das Spiel des Jahres der French Open hat das Schweizer Fernsehen. Wer das Duell zwischen Rafael Nadal und Novak Djokovic mitverfolgen will, kann das aber auf Eurosport tun.