Sport
Tennis

Der Fall Karim Hossam – wie im Tennis manipuliert wird

Karim Hossam geriet auf die schiefe Bahn, weil er sich seine Karriere nicht leisten konnte.
Karim Hossam geriet auf die schiefe Bahn, weil er sich seine Karriere nicht leisten konnte.bild: itf

Der Fall Karim Hossam – wie ein junges Tennis-Talent in die Hände der Wettmafia geriet

Karim Hossam gehörte vor fünf Jahren zu den besten Tennis-Junioren der Welt. Doch statt die Tennis-Weltrangliste hochzuklettern, liess er sich von einem Wettring zur Spielmanipulation verleiten. Wie das Ganze ablief, zeigen der BBC zugespielte Dokumente eines Whistleblowers.
06.02.2019, 13:5606.02.2019, 14:12
Mehr «Sport»

«Möchtest du einen Match verlieren und 1000 Dollar dafür kriegen?» Mit dieser Frage begann 2014 der tiefe Fall von Karim Hossam. Damals war der ägyptische Tennisspieler 19 Jahre alt, kletterte dank insgesamt vier Turniersiegen auf der ITF-Tour auf Rang 337 der ATP-Weltrangliste und gehörte zu den hoffnungsvollsten Talenten Nordafrikas.

Als Nachwuchsspieler war er 2012 die Weltnummer 11 der Junioren. Ein Jahr zuvor hatte er den Viertelfinal beim Junioren-Turnier des US Open erreicht, dort aber gegen den späteren Weltklassespieler Kyle Edmund verloren.

Im Juli 2018 – viereinhalb Jahre nach der verhängnisvollen Frage – wird Hossam wegen Manipulation von Spielausgängen auf Lebenszeit gesperrt. Die BBC erzählt nun anhand von Informationen eines Whistleblowers die Geschichte, wie die grösste ägyptische Tennis-Hoffnung in die Fänge von Wettbetrügern geriet.

Ende Dezember 2013: Karim Hossam steht in Doha dank einer Wild Card erstmals im Hauptfeld eines ATP-Turniers, sein Gegner ist mit Richard Gasquet gleich die Weltnummer 9. Vor dem Match wird dem jungen Ägypter aber erstmals ein unmoralisches Angebot unterbreitet. 1000 Dollar würde er kriegen, falls er den ersten Satz absichtlich verlieren sollte. «Ich spiele gegen Gasquet. Ich bin nicht hier, um das Match zu verkaufen», antwortete Hossam damals. Er verliert gegen Gasquet 5:7, 1:6 und kassiert 10'700 Dollar Preisgeld.

Karim Hossam nach dem Match gegen Gasquet (arabisch).Video: YouTube/khaled farouk

1000 statt 100 Dollar

Doch nach dieser Erfahrung holt Hossam die Realität wieder ein. Bei Future-Turnieren in Ägypten verliert er öfter, als dass er gewinnt. Seine Entwicklung stagniert, das Preisgeld beträgt nur ein paar hundert Dollar und Hossam lebt vorwiegend von den Ersparnissen seines Vaters. Vor dem Future-Turnier in Sharm El Sheikh mit einem Gesamtpreisgeld von 15'000 US-Dollar, das Hossam schon dreimal gewonnen hat, wird er dann erneut vom selben Mann kontaktiert, der ihn schon in Doha zur Spielmanipulation verleiten wollte. «Möchtest du einen Match verlieren und 1000 Dollar dafür kriegen?»

Diesmal steigt Hossam darauf ein. Später erzählt er den Ermittlern der «Tennis Integrity Unit», dass er es vor allem aus Neugier gemacht hat: «Ich wollte es nur ausprobieren, weil ich es zuvor noch nie probiert hatte. Ich dachte, dieser Kerl würde mich belügen. Ich wusste nicht, dass Wetten existieren.» Also verliert Hossam gegen den in der Weltrangliste fast 600 Positionen schlechter klassierten Polen Arkadiusz Kocyla in drei Sätzen und kassiert zu den 104 Dollar Preisgeld die versprochenen 1000 Dollar dazu.

Interview mit Karim Hossam aus dem Jahr 2011. Ein Jahr später wird er die Weltnummer 11 bei den Junioren sein.Video: YouTube/ATAtennis

Hossam erzählt alles seinem Vater. «Er war sehr verärgert und meinte, dass ich mein Leben ruiniere.» Also versucht das Tennistalent, auf die nächsten Angebote nicht mehr einzugehen. Doch der Reiz des schnellen Geldes ist zu gross. «Ich wollte grössere Turniere spielen und in die USA ins Trainingscamp gehen, dafür brauchte ich Geld.» Also nimmt er weiter Geld an, um zu verlieren.

Während Hossam ein paar tausend Dollar verdient, kassiert der Wettring gemäss der BBC Beträge im hohen sechsstelligen Bereich. Denn der junge Ägypter ist nicht der Einzige, der der Versuchung erliegt. Rund 20 weitere, meist nordafrikanische Tennisspieler sollen zur gleichen Zeit ebenfalls Sätze oder Matches – je nachdem, wo die Quoten besser waren – absichtlich verloren haben.

Cheat-Chats auf Facebook

Hossam steigt innerhalb des Wettrings bald auf, wird zum Mittelsmann. Fast vier Jahre lang hilft er dabei, in Ägypten, Tunesien und Nigeria Spiele zu manipulieren. Via Facebook kommuniziert er mit den Spielern. Im Mai 2016 unterbreitet er einem von ihnen folgendes Angebot: «Bro. Du verlierst den ersten Satz und gewinnst dann das Spiel. Du kriegst 2000 Dollar. Hast du das begriffen?» Dieser antwortet: «Das Resultat spielt keine Rolle. Ich muss nur den ersten Satz verlieren?» Hossam legt nach: «Wichtig ist, dass du den ersten Satz verlierst und dann gewinnst.» Bei erfolgreichen «Matchfixings» verdient der Ägypter zwischen 200 und 1000 Dollar.

Im Juni 2017 wird Hossam im Alter von 24 Jahren schliesslich erwischt, den Ermittlern erzählt er: «Ich konnte mir das Tennisspielen einfach nicht mehr leisten. Ich hatte keine Einnahmen mehr. Mein Vater unterstützte auch meinen kleinen Bruder und gab mir kein Geld mehr.» Er erhofft sich einen Profit aus der Zusammenarbeit mit der «Tennis Integrity Unit», stattdessen wird er im Juli 2018 lebenslang gesperrt. «Jetzt werde ich nur noch mehr wetten», schreibt er enttäuscht einem Kumpel.

Karim Hossam – gefangen im Netz der Wett-Mafia.
Karim Hossam – gefangen im Netz der Wett-Mafia.bild: twitter

Den Ermittlern geht es in der Folge vor allem darum, die Hintermänner zu erwischen. Etwa jenen Profi, der Hossam 2013 erst in Doha und später in Sharm El Sheik ansprach. Hossam aber erzählt nicht alles. Vielmehr ist er verärgert darüber, dass ihm eine lebenslange Spielsperre droht: «Ich habe alles gesagt, was ich sagen konnte. Ich habe nicht gelogen, ich war offen. Aber eine lebenslange Spielsperre zu erhalten … Ich meine, ich spiele seit 17 Jahren Tennis. Ich wurde gezwungen, das unter gewissen Umständen zu machen. Und ich sehe auch keine Vorteile dabei für mich. Mehr Beweise habe ich nicht, auch keine Chats mehr.»

Hossam ist danach weiter als «Match-Fixer» tätig. Im August 2018 bietet er einem Spieler 3500 Dollar an, um einen Satz mit einem bestimmten Resultat zu verlieren. Doch alles fliegt auf und der Wettanbieter zieht sich zurück.

Die Mehrheit der beteiligten Spieler ist bis heute aus Mangel an Beweisen nicht verurteilt worden. Und auch der Spieler, der Karim Hossam im Dezember 2013 erstmals kontaktiert hat, spielt gemäss der BBC immer noch professionell Tennis. Die finanziellen Anreize der Spielmanipulation und die Enttäuschung über die lebenslange Sperre haben Hossam offensichtlich dazu verleitet, nicht aktiv mitzuhelfen, um gegen die Strippenzieher des Wettrings vorgehen zu können.

Tennisspieler mit mindestens zwei Grand-Slam-Titeln (seit 1968)

1 / 34
Tennisspieler mit mindestens zwei Grand-Slam-Titeln (seit 1968)
Novak Djokovic (2008 bis 2023): 24 Grand-Slam-Titel (10-mal Australian Open, 7-mal Wimbledon, 4-mal US Open, 3-mal French Open).
quelle: keystone / thibault camus
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Unvergessene Tennis-Geschichten
«Yips» beschert Kurnikowa einen unglaublichen Negativrekord – und trotzdem gewinnt sie
«Yips» beschert Kurnikowa einen unglaublichen Negativrekord – und trotzdem gewinnt sie
von Reto Fehr
Hingis bodigt in Melbourne erst Serena Williams und macht dann Kleinholz aus Venus
5
Hingis bodigt in Melbourne erst Serena Williams und macht dann Kleinholz aus Venus
von Reto Fehr
Federer nach seinem ersten Sieg gegen eine Nummer 1: «Jetzt will ich in die Top 10»
Federer nach seinem ersten Sieg gegen eine Nummer 1: «Jetzt will ich in die Top 10»
von Quentin Aeberli
«Disgusting bitch!» – Patty Schnyder teilt mal so richtig aus
14
«Disgusting bitch!» – Patty Schnyder teilt mal so richtig aus
von Ralf Meile
Vier vergebene Matchbälle! Hingis' Traum schmilzt in Melbourne bei 50 Grad weg
Vier vergebene Matchbälle! Hingis' Traum schmilzt in Melbourne bei 50 Grad weg
von Reto Fehr
Eine krachende Vorhand rettet Federer auf dem Weg zum Karriere-Slam
1
Eine krachende Vorhand rettet Federer auf dem Weg zum Karriere-Slam
von Reto Fehr
Paris verliebt sich in Nadal, das «Kind mit der donnernden Linken»
1
Paris verliebt sich in Nadal, das «Kind mit der donnernden Linken»
von Philipp Reich
Chang treibt Lendl mit Mondbällen und «Uneufe»-Aufschlag in den Wahnsinn
5
Chang treibt Lendl mit Mondbällen und «Uneufe»-Aufschlag in den Wahnsinn
von Philipp Reich
Mit einem Return für die Ewigkeit beendet Federer die Wimbledon-Ära des grossen Sampras
Mit einem Return für die Ewigkeit beendet Federer die Wimbledon-Ära des grossen Sampras
von Philipp Reich
Oh là là! Eine Flitzerin stiehlt den Wimbledon-Finalisten kurz die Show
7
Oh là là! Eine Flitzerin stiehlt den Wimbledon-Finalisten kurz die Show
von Ralf Meile
Mit 16 wird Martina Hingis die jüngste Wimbledon-Siegerin des 20. Jahrhunderts
Mit 16 wird Martina Hingis die jüngste Wimbledon-Siegerin des 20. Jahrhunderts
von Ralph Steiner
Wimbledon-Triumph als Weltnummer 125 – Ivanisevics Traum wird endlich wahr
2
Wimbledon-Triumph als Weltnummer 125 – Ivanisevics Traum wird endlich wahr
von Philipp Reich
Djokovic fügt Wawrinka die Mutter aller heroischen und bitteren Niederlagen zu
9
Djokovic fügt Wawrinka die Mutter aller heroischen und bitteren Niederlagen zu
von Reto Fehr
Gut gebrüllt: «Niemand schlägt Vitas Gerulaitis ­17 Mal hintereinander!»
1
Gut gebrüllt: «Niemand schlägt Vitas Gerulaitis ­17 Mal hintereinander!»
von Reto Fehr
Weil sich Courier von Kuhglocken irritieren lässt, darf die Schweiz vom Davis Cup träumen
Weil sich Courier von Kuhglocken irritieren lässt, darf die Schweiz vom Davis Cup träumen
von Klaus Zaugg
Frankreich holt sich den dramatischsten Davis-Cup-Triumph der Geschichte
Frankreich holt sich den dramatischsten Davis-Cup-Triumph der Geschichte
von Ralf Meile
Im Interview mit CNN hat Roger Federer seinen legendären Lachanfall
Im Interview mit CNN hat Roger Federer seinen legendären Lachanfall
von Corsin Manser
Wegen Rossets Dummheit des Jahres bricht Hingis beim Hopman Cup in Tränen aus
4
Wegen Rossets Dummheit des Jahres bricht Hingis beim Hopman Cup in Tränen aus
von Reto Fehr
Nach Federers Gegensmash schmeisst Roddick frustriert sein Racket weg
Nach Federers Gegensmash schmeisst Roddick frustriert sein Racket weg
von Philipp Reich
Nach den Olympischen Spielen in Sydney entfacht die grosse Liebe zwischen Roger und Mirka
10
Nach den Olympischen Spielen in Sydney entfacht die grosse Liebe zwischen Roger und Mirka
von Ralf Meile
«Who is the beeest? Better than the reeest?» – Federer rockt beim Davis Cup das Festzelt
1
«Who is the beeest? Better than the reeest?» – Federer rockt beim Davis Cup das Festzelt
von Corsin Manser
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
8 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
En Espresso bitte
06.02.2019 14:23registriert Januar 2019
Sehr interessanter Bericht, danke!

Aber "in die Hände der Wettmafia" wäre wohl mit "ein Teil der Wettmafia" zu ersetzen. Leider. Schade um das Talent.
50
Melden
Zum Kommentar
avatar
Dan Rifter
06.02.2019 16:48registriert Februar 2015
Und wieso ists so attraktiv, in einer derart lukrativen Sportart Spiele zu schieben?

Weil die Preisgelder für die Top 5-10 explodieren und für die Ränge ab 100 nur Peanuts übrigbleiben.

Die Siegerchecks bei den Grandslams sind absurd.

Man würde dieses Geld lieber auf das gesamte Tableau inkl Quali verteilen
50
Melden
Zum Kommentar
avatar
Truth Hurts
06.02.2019 14:15registriert Mai 2016
"Denn der junge Ägypter ist nicht der Einzige, der der Versuchung erliegt. Rund 20 weitere, meist nordafrikanische Tennisspieler sollen zur gleichen Zeit ebenfalls Sätze oder Matches – je nachdem, wo die Quoten besser waren – absichtlich verloren haben." -> korrupte Gesellschaft, korrupte Menschen. Schade, denn gerade diese Länder könnten ein paar echte Vorbilder brauchen.
10
Melden
Zum Kommentar
8
Neue Hauptdarsteller in der Hockey-Saga Ambri-Piotta
Ambris Glück hängt an seinen Ausländern. Sie schreiben ein neues Kapitel in der Hockey-Saga der Berge und nun hat Ambri beim Saisonstart erstmals sogar acht Ausländer unter Vertrag. Mit Alex Formenton, dem Spengler-Cup-Helden von 2022 und 2023, als neuem Hauptdarsteller.
Eine Saga ist eine Erzählung in Prosa über die heldenhaften Kämpfe früherer Geschlechter. Was spätestens seit der Verpflichtung von Andy Bathgate (Saison 1971/72) in ganz besonderem Masse für Ambri Kulturgeschichte des ausländischen Personals gilt. Der Kanadier war damals der erste NHL-Star in unserer höchsten Liga. Die Kragenweite von Andy Bathgate haben Ambris ausländische Ausländer nicht mehr. Aber im Grundsatz gilt: Sage mir, wie es den Ausländern geht, und ich sage Dir, wie es um Ambri steht.
Zur Story