Dominic Stricker bezahlte im Stade Roland-Garros Lehrgeld. Der 20-jährige Berner aus Grosshöchstetten hatte sich durchaus Hoffnungen gemacht, seit ihm die ATP am Freitagabend bestätigt hatte, dass er als Lucky Loser mit von der Partie ist. Zuletzt arbeitete sich Stricker mit Turniersiegen auf der Challenger-Tour in Rovereto und Prag im Ranking wieder etwas nach vorne. In Tschechien besiegte Stricker mit Filip Krajinovic einen gestandenen Top-100-Akteur. Tommy Paul hingegen verlor auf Sand in Houston gegen Yannick Hanfmann, in Madrid gegen Roman Safiullin, in Rom gegen Cristian Garin und in Lyon gegen Brandon Nakashima gegen die Nummern 134, 112, 79 und 52 der Welt.
Auf dem «Court Nr. 6» im Stade Roland-Garros präsentierte sich eine andere Wahrheit. Dominic Stricker wurde von Tommy Paul, beides ehemalige Juniorensieger am French Open, in jeder Beziehung dominiert. Stricker verlor in allen drei Sätzen sein erstes Aufschlagspiel. Nur im zweiten Durchgang (zum 1:1) gelang auch dem 20-jährigen Schweizer ein Break.
Am Ende resultierte für Stricker beim Debüt die deutlichste Niederlage an einem ATP-Tour-Turnier überhaupt seit seinem Debüt in Genf vor zwei Jahren. Und in diesen zwei Jahren spielte Stricker immerhin gegen Kaliber wie Marin Cilic (Sieg), Hubert Hurkacz (Sieg), Aslan Karazew (Sieg), Maxime Cressy (2x Sieg), Stefanos Tsitsipas (Niederlage), Albert Ramos-Viñolas (Niederlage), Botic van de Zandschulp (Sieg), Richard Gasquet (Niederlage) und Pablo Carreño Busta (Niederlage). Gegen Tsitsipas auf Rasen in Stuttgart kassierte Stricker vor dem French Open die klarste Niederlage (3:6, 4:6).
Für die Chancenlosigkeit der Schweizer Nachwuchshoffnung gab es Gründe. Dominic Stricker konnte sich nicht auf seine schnittigste Waffe, den Aufschlag, verlassen. In der ersten Stunde der Partie brachte Stricker weniger als die Hälfte erster Aufschläge ins Feld. Und mit dem zweiten Aufschlag, so dieser denn überhaupt ankam, vermochte Stricker den Amerikaner nicht zu beunruhigen. Insgesamt unterliefen Stricker sechs Doppelfehler - die meisten in jenen fünf Servicegames, die der Berner nicht durchbrachte. Von seinen ersten neun Aufschlagspielen brachte Stricker bloss vier durch.
Fast noch mehr als das deutliche Schlussergebnis schmerzte am Ende die Lässigkeit, mit welcher Tommy Paul im dritten Satz Stricker abservierte. Trotz Schongang des Gegners boten sich dem Schweizer keine Möglichkeiten mehr, ins Spiel zurückzukehren.
Die russische Weltnummer 2 Daniil Medwedew ist überraschend gegen einen Qualifikanten ausgeschieden. Medwedew musste sich dem Brasilianer Thiago Seyboth Wild (ATP 172) in der 1. Runde nach 4:15 Stunden 6:7 (5:7), 7:6 (8:6), 6:2, 3:6, 4:6 geschlagen geben. Das French Open bleibt ein schwieriges Terrain für den 27-Jährigen, der seine grössten Erfolge bis vor Kurzem ausschliesslich auf Hartplatz gefeiert hatte. Zuletzt gewann Medwedew aber das Masters-1000-Turnier in Rom auf Sand – eine gute Woche später folgte auf der Unterlage jedoch die nächste Enttäuschung.
Twists and turns 🎢
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Qualifier Thiago Seyboth Wild makes an emphatic entrance to his first #RolandGarros main draw appearance, knocking out No.2 seed Medvedev 7-6(5), 6-7(6), 2-6, 6-3, 6-4. pic.twitter.com/awnQzXHbFs
Für den 23-jährigen Seyboth Wild, der erst zum zweiten Mal im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers steht, geht das Turnier in Paris gegen den Sieger des Duells Quentin Halys – Guido Pella weiter.
Rebeka Masarova brach gegen die Vorjahresfinalistin Coco Gauff (USA) ein und verlor 6:3, 1:6, 2:6. Die Baslerin Masarova gewann 2016 am French Open mit 16 das Turnier der Juniorinnen. Mit 18 entschied sich Masarova nicht mehr für die Schweiz, sondern für Spanien, das Heimatland der Mutter, zu spielen. Zuletzt überraschte Masarova als Qualifikantin mit dem Erreichen der 3. Runde in Madrid.
Casper Ruud, Vorjahresfinalist, startete mit einem 6:4, 6:3, 6:2-Erfolg über Elias Ymer ins French Open. Der Norweger feierte in den letzten drei Jahren die meisten Siege auf Sandplätzen (82). In der aktuellen Sandplatzsaison musste er sich indes mit nur einem Turniersieg (Estoril) begnügen. Ruud droht in Paris ein Abrutschen in der Weltrangliste, nachdem ihm die ersten fünf Monate der neuen Saison nicht nach Wunsch gelungen sind.
First round, no worries.
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2022 finalist @CasperRuud98 is off to a flying start in Paris. Watch the highlights ⬇#RolandGarros pic.twitter.com/jGbqM5Zimk
Vom Schweizer Frauen-Quartett bleibt am French Open nach der ersten Runde nur die Bündnerin Simona Waltert übrig. Qualifikantin Ylena In-Albon unterliegt der Amerikanerin Claire Liu 1:6, 4:6. Simona Waltert spielt am Donnerstag gegen Elisabetta Cocciaretto.
Mit Ausnahme einer Viertelstunde Mitte des zweiten Satzes wurde die 24-jährige Ylena In-Albon (WTA 149) von der ein Jahr jüngeren Amerikanerin Claire Liu (WTA 102) klar dominiert. Liu führte 6:1, 3:0. Dann gewann In-Albon vier Games hintereinander. Nach diesem Zwischensprint nahm die Partie aber ein schnelles Ende. Liu gewann die letzten drei Games und nützte nach 74 Minuten den ersten Matchball zum 6:1, 6:4. Schon am Juniorinnen-US-Open vor sieben Jahren hatte In-Albon gegen Liu klar verloren.
Damit wartet Ylena In-Albon weiter auf den ersten Sieg auf der grossen Tour. Die Niederlage gegen Liu war bereits die zehnte in einem Hauptfeld. Vor einem Jahr schied sie in Wimbledon bei ihrer Grand-Slam-Premiere gegen Alison Riske aus, zuletzt verlor sie in Bogota gegen Eugenie Bouchard und in Stuttgart gegen Tatiana Maria in Hauptfeldern.
Neben Medwedew-Bezwinger Thiago Seyboth Wild sorgte ein weiterer Paris-Debütant für einen bemerkenswerten Erfolg. Der Italiener Andrea Vavassori gewann gegen den als Nummer 31 gesetzten Serben Miomir Kecmanovic nach 0:2-Rückstand in 5:11 Stunden mit 5:7, 2:6, 7:6 (10:8), 7:6 (7:3), 7:6 (11:9). Vavassori wehrte fünf Matchbälle ab, vier davon schon im dritten Satz.
(mom/sda)