Im Januar besiegte er erst Novak Djokovic und gewann bei den Australian Open als erster Italiener ein Grand-Slam-Turnier. Dem liess er Titel in Rotterdam und Indian Wells folgen. Verloren hat er nur 2 von 30 Partien in diesem Jahr: den Final in Miami gegen Carlos Alcaraz und den Halbfinal von Monte Carlo gegen Stefanos Tsitsipas.
Jannik Sinner dominiert das Männertennis. Und es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis er den formschwachen Novak Djokovic von der Spitze der Weltrangliste ablöst.
Schon Anfang Juni, nach den French Open, könnte es so weit sein. Dann nämlich, wenn Titelverteidiger Djokovic nicht im Final stehen sollte. Bei einer Finalniederlage des Serben muss Sinner den Halbfinal erreichen. Und wenn Djokovic zum vierten Mal die Coupe des Mousquetaires gewinnen sollte, bleibt er nur dann an der Spitze, wenn sein Finalgegner nicht Sinner heissen sollte.
Allerdings ist gut möglich, dass Sinner in Paris gar nicht antreten kann. Seit Ende April, als er in Madrid vor dem Viertelfinal das Handtuch geworfen hat, pausiert der Südtiroler. Auch auf das Heimturnier in Rom, wo derzeit der letzte Härtetest vor dem zweiten Grand-Slam-Turnier des Jahres über die Bühne geht, musste er verzichten.
Grund dafür ist eine Blessur, die sich als hartnäckiger entpuppt als zunächst angenommen. Wie die italienische Sportzeitung «Gazzetta dello Sport» berichtet, handelt es sich um eine starke Entzündung des rechten Hüftgelenks, ausgelöst durch ein Trauma.
Die behandelnden Ärzte hätten Sinner geraten, auf die French Open zu verzichten. Denn das Hüftgelenk gelte als besonders fragil. Eine Überbelastung könne zu einer chronischen Entzündung führen. Und im schlimmsten Fall die Karriere des erst 22-Jährigen gefährden.
Seit Montag weilt Sinner im medizinischen Zentrum von Juventus Turin, das die bestmögliche Behandlung der Beschwerden erlaubt. Ergänzt wird das Training im Fitnessstudio durch Übungen im Wasser, angeleitet von Sinners persönlichem Physiotherapeuten Giacomo Naldi und dem Athletiktrainer Umberto Ferrara.
Ursprünglich war angedacht, Mitte dieser Woche darüber zu entscheiden, ob Sinner die Reise nach Paris antritt, wo ab Sonntag, 27. Mai, gespielt wird. Nun wurde der Aufenthalt bis auf mindestens Sonntag verlängert. Mit dem Racket soll Sinner seit Ende April nicht mehr trainiert haben.
Schon bei seiner Absage des Heimturniers in Rom war dem 22-Jährigen bewusst, dass ein längerer Ausfall droht, sollte er dem entzündeten Gelenk nicht genügend Zeit zur Heilung lassen. «Ich würde gerne jeden Tag und jedes Turnier spielen, weil ich das Tennis liebe. Aber die Saison ist lang, meine Karriere ist noch lang. Aber auch nicht so lang, dass ich riskieren möchte, drei Jahre zu verschwenden», sagte Sinner.
Dazu kommt, dass Sinner kaum Spielpraxis und kaum Training auf Sand mitbringt, was seine Chancen auf den Titel bei den French Open kompromittiert, wo er vor vier Jahren im Viertelfinal gestanden war.
Gleichzeitig offenbarte er, in welchem Zwiespalt er sich befindet: Worauf soll er hören? Auf die Ärzte und den Verstand, die dazu raten, nicht in Paris anzutreten? Oder das Herz? Beistand erhält Sinner von seinen Eltern Siglinde und Hanspeter, die dieser Tage in Turin erwartet werden.
Hoffnung bereitet den zahlreichen Anhängern des 22-Jährigen, dass Trainer Darren Cahill am Mittwoch bereits auf gepackten Koffern sass. Der Australier wird direkt nach Paris reisen – und hofft, seinen Schützling Sinner Anfang der nächsten Woche in Empfang nehmen zu können. (aargauerzeitung.ch)