Jil Teichmann ist für einmal nicht ganz zufrieden mit ihrem Captain. «Hey, wir sind auch ein starkes Team», raunt die Schweizer Nummer 2 Heinz Günthardt ins Ohr.
Der hatte soeben den internationalen Medien erklärt, dass die Schweizer Gruppengegner Italien und Kanada eben gute Teams seien. Die Stimmung unter den vier rot-weiss gekleideten Spielerinnen und dem erfahrenen Captain ist ausgelassen. Doch sie lassen keinen Zweifel an ihrem Ziel.
Zweimal – 1998 in Genf gegen Spanien und letztes Jahr in Prag gegen Russland – unterlag das Schweizer Team im einstigen Fed Cup erst im Final. Nun nehmen sie in der Emirates Arena in Glasgow einen neuen Anlauf. Als Vorjahres-Finalisten waren sie direkt für die Finals der besten zwölf Frauenteams qualifiziert.
Der letztjährige Final hinterliess einen bitteren Nachgeschmack, da Russland eine Lücke im Reglement ausnützte und nur Minuten vor der Partie gegen Belinda Bencic die eigentlich nominierte Anastasia Pawljutschenkowa verletzt meldete und durch Ludmilla Samsonowa ersetzte. Es war die einzige Möglichkeit, Samsonowa gegen Bencic spielen zu lassen, gegen welche sie noch nie verloren hatte.
«Am Ende überwiegt aber der Stolz, dass wir den Final erreicht haben», sagt die Schweizer Teamleaderin Belinda Bencic. Und noch stärker ist der Appetit, nun noch einen Schritt weiter zu gehen. Mit Bencic (WTA 13), Teichmann (WTA 35) und Viktorija Golubic (WTA 77) kehren die drei wichtigsten Stützen des letztjährigen Finalteams zurück, dazu kommt als Neuling die 21-jährige Bündnerin Simona Waltert (WTA 119).
Zwar wussten die Schweizerinnen auf der WTA-Tour in den letzten Monaten nur selten zu überzeugen, doch im Team für die Schweiz konnten sie oft über sich hinauswachsen. Das zeigten nicht zuletzt auch Bencic und Golubic mit ihren Erfolgen bei den Olympischen Spielen in Tokio. Darauf zählen sie auch nun wieder.
Auf dem Papier müssen sie sich sowieso nicht verstecken. Mit der Amerikanerin Coco Gauff und der Spanierin Paula Badosa sind nur zwei Spielerinnen besser klassiert als Bencic.
Die Schweiz wird von Beginn weg stark gefordert sein. Vor allem Kanada stellt mit Leylah Fernandez (WTA 40), im letzten Jahr US-Open-Finalistin, und Bianca Andreescu (WTA 46), der US-Open-Siegerin 2019, zwei talentierte Spielerinnen mit sehr grossem Potenzial.
Die Italienerinnen, am Mittwoch erste Gegner der Schweiz, brillieren mit vier Frauen zwischen den Positionen 27 und 64 durch ihre Ausgeglichenheit. Im Normalfall sollte aber das Duell mit Kanada am Freitag über den Einzug in den Halbfinal entscheiden.
«Wir streben diesen Titel seit Jahren an», macht Captain Günthardt aus den helvetischen Ambitionen keinen Hehl. «Wir werden nur schwer zu schlagen sein. Ich kann auf jeden Fall versprechen, dass sich kein anderes Team mehr ins Zeug legen wird.»
Die gute Laune auf dem Podium sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Schweizerinnen im regnerisch-kühlen Schottland nur ein Ziel haben: den Titel. Die Russinnen können diesen wegen des Krieges gegen die Ukraine hingegen nicht verteidigen. (abu/sda)