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Sportradar: Warum Novak Djokovic einer Schweizer Firma ans Geld will

«Ein Versagen unseres Sports»: Warum Novak Djokovic einer Schweizer Firma ans Geld will

Während keine 400 Spielerinnen und Spieler vom Tennis leben können, setzen Wettanbieter Milliarden mit dem Sport um. Auch dank der Hilfe eines Schweizer Unternehmens. Das will Novak Djokovic ändern.
05.10.2023, 05:3805.10.2023, 05:38
Simon Häring / ch media
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Zwar sind Sportwetten in einigen Ländern der Welt verboten, oder stark reguliert, doch Wetterinnen und Wetter finden überall Schlupflöcher. Dazu kommt, dass die meisten Anbiete in Steueroasen wie Malta, Gibraltar oder Isle of Man sitzen. Alleine in Deutschland sollen sie knapp zehn Milliarden Franken im Jahr umsetzen, schätzen Branchenkenner.

epa10853695 Novak Djokovic of Serbia reacts while playing against Daniil Medvedev of Russia during the Men's Final match at the US Open Tennis Championships at the Flushing Meadows, New York, USA ...
Setzt sich für andere Tennisspieler ein: Novak Djokovic.Bild: keystone

Fakt ist: Sportwetten sind längst Mitten in der Gesellschaft angekommen. Dabei haben es die Anbieter geschafft, eine Abhängigkeit zu schaffen, die auch als Schutz dient. 16 von 18 Bundesliga-Vereinen arbeiten mit einem Wettanbieter zusammen. Auf Fussball wird am meisten Geld verwettet, das dann teilweise zu den Klubs fliesst und damit auch zu den Spielern.

Anders ist es beim Tennis, das auf Platz 2 folgt. Auch dort treten Anbieter oft als Sponsoren auf, doch das Geld versickert bei Turnierveranstaltern und Verbänden. Das zumindest vermutet Novak Djokovic. Kürzlich sagte er: «Die Wettanbieter verdienen Hunderte von Millionen, vielleicht sogar Milliarden. Doch wir Spieler erhalten nur Krümel – oder gar nichts.»

Spieler dürfen nicht für Wettanbieter werben

Als besonders störend empfindet er die Janusköpfigkeit im Tennis: So dürfen Spielerinnen nicht für Wettanbieter werben, Turniere hingegen schon. Gleichzeitig geben diese nichts von diesem Geld weiter. Djokovics Forderung: «Die Hälfte der Einnahmen müssen an uns Spieler gehen.»

Novak Djokovic reagiert mit seiner Kritik auf einen lukrativen Deal, den die Profi-Vereinigung der Männer, die ATP, im März abgeschlossen hat. Das in St.Gallen domizilierte Unternehmen Sportradar hat sich ab Januar 2024 für sechs Jahre ATP-Daten- und Wett-Streaming-Rechte gesichert. Wie viel die ATP aus diesem Deal an die Spieler weitergibt, ist unbekannt.

Carsten Koerl ist der Geschäftsführer von Sportradar.
Carsten Koerl ist der Geschäftsführer von Sportradar.Bild: imago

Klar ist hingegen, wer besonders von diesem Geschäft profitiert. «Unser Angebot bietet Wettanbietern innovative und erstklassige Produkte», die «Tennisfans ein reichhaltigeres, umfassenderes Erlebnis ermöglichen», lässt sich der Geschäftsführer von Sportradar, Carsten Koerl, zitieren. Sportradar darf die Daten der Spieler nutzen und diese mit Online-Buchmachern teilen. Was für die Spieler dabei übrig bleibt? Nichts.

Sportradar darf Spieler-Daten nutzen

Sportradar versteht sich als Dienstleiter für Sportmedien, Sportwetten-Industrie sowie Sportverbände. Zu den Kunden zählen: Fifa, Uefa, IOC, NBA, NHL, MLB. Die Liste liesse sich beliebig erweitern. Auf Wettanbieter zugeschnittenen Angebote fasst Sportradar unter Betradar zusammen. Das Angebot: «Wettquotenvorschläge, Ergebnisservice, Marktüberwachung und Trading.» Alles, was Wettanbieter brauchen, um noch mehr Profit aus dem Sport zu schlagen. Rund 900 Buchmacher nehmen die Dienste von Sportradar in Anspruch, darunter Bet365, William Hill und Ladbrokes.

Novak Djokovic setzte sich während Jahren im ATP-Spielerrat dafür ein, den Einfluss der Wettanbieter einzuschränken, oder zumindest stärker zu regulieren. «Denn wir müssen dafür sorgen, dass unser Sport sauber bleibt», sagt der Serbe. Auch er weiss: das Gegenteil ist der Fall. Tennis ist nicht nur für Wettanbieter lukrativ, sondern auch für Wettbetrüger.

Einerseits ermöglicht die Zählweise unendlich viele Möglichkeiten für Wetten, andererseits ist kaum nachzuweisen, wenn ein Spieler absichtlich Punkte verliert. Zudem können weniger als 400 Spieler vom Tennis leben. Angesichts der astronomischen Summen, die im Tennis umgesetzt werden, ist das blanker Hohn. «Ein Versagen unseres Sports», nennt es Djokovic. Denn weniger gut Verdienende werden empfänglicher für Betrügerein.

Djokovic will seine Macht einsetzen

Weil er im ATP-Spielerrat nicht jene Reformen durchsetzen konnte, die sich Djokovic wünscht, gründete er vor rund zwei Jahren die Professional Tennis Players Association (PTPA), eine Spielergewerkschaft. Der 24-fache Grand-Slam-Sieger sagt: «Ich habe Einfluss und Macht und möchte mich damit für bessere Bedingungen einsetzen.» Man spreche zu oft darüber, wie viele Millionen die Sieger eines Grand-Slam-Turniers erhielten, aber viel zu wenig darüber, wie wenige Spieler vom Tennis leben könnten.

Immerhin ist ein Teil der enormen Summen, die aus Geschäften mit den Wettanbietern stammen, zweckgebunden und fliesst in den Pensionsfonds der ATP. Allerdings können die Spieler die Rente erst in Anspruch nehmen, wenn sie 50 oder 55 Jahre alt sind. Heisst: Wer mit 30 oder 35 zurücktritt, wie das üblich ist, muss mindestens 20 Jahre warten, bis er von diesem Geld profitiert. Genau das will Novak Djokovic ändern (aargauerzeitung.ch)

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18 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Rethinking
05.10.2023 06:03registriert Oktober 2018
Daneben könnten die Top-Spieler auch auf einen Teil der Gewinnsumme verzichten, damit diese auf alle Teilnehmenden ausgeschüttet werden kann…
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Typu
05.10.2023 07:24registriert Oktober 2015
Die 400 Spieler, die vom Tennis leben können, könnten ja eine Fonds gründen und einen Teil der Gewinne abgeben. Mit gutem Beispiel voran. Aber ist natürlich klar, dass Herr Djokovic selbst kein Opfer erbringen möchte. Oder auf die Startgage verzichten?
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MarGo
05.10.2023 07:40registriert Juni 2015
Es wird schlichtweg auf alles gewettet. Das eine, hat mit dem anderen eigentlich gar nichts zu tun. Ich meine damit die eine Seite, die Wetten abschliesst und die andere Seite, auf die gewettet wird.

Ganz im Gegenteil, ich bin sogar sehr dagegen, dass Spieler Anteile von Wetteinnahmen erhalten. Das könnte verzerren und zu unlauterer Beeinflussung kommen.
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