Montagmorgen, 10 Uhr. In Winterthur, dem Zweitspielort der Unihockey-Weltmeisterschaft, trifft Singapur auf Thailand. Zwei Teams, bei denen schon vor dem Anpfiff der ersten Partie klar war, dass sie mit der Medaillenvergabe nichts zu tun haben werden. Dass die beiden Mannschaften in einer anderen Liga spielen als Schweden, Finnland oder die Schweiz, zeigt sich etwa an den Trikots der Thailänder. Die Nummern auf dem Rücken bestehen dort aus Klebeband und müssen während des Spiels auch mal wieder geflickt werden.
Und dennoch ist die AXA Arena an diesem Morgen gut gefüllt. Das liegt vor allem an den dutzenden Schulklassen, die von den Veranstaltern eingeladen wurden. Aus Winterthur und aus der Umgebung sind sie gekommen und sorgen für eine Stimmung, wie sie diese beiden Mannschaften wohl nur selten erleben.
Einige Klassen haben sich die Flaggen der jeweiligen Länder aufs Gesicht gemalt. Schon vor Spielbeginn schallen aus einer Ecke «Singapur!»-Rufe. Im Lauf des Spiels kristallisiert sich aber Thailand als Favorit der meisten Kinder heraus – wohl auch deshalb, weil die Thais schlicht und einfach mehr Tore schiessen. Bei jedem Treffer wird es ohrenbetäubend laut. Beim Gang in die Kabine zur Pause lassen sich die Spieler von den jungen Fans abklatschen – offensichtlich ein Gewinn für beide Seiten.
Neben den Schülerinnen und Schülern hat es aber auch vereinzelte Thailänder auf den Tribünen. Ein erster Versuch der Kontaktaufnahme mit Familienangehörigen eines Spielers scheitert an der Sprachbarriere. Mehr als «yes, good, very good» springt leider nicht heraus.
Zum Glück gibt es da noch den Social-Media-Verantwortlichen des thailändischen Unihockeyverbands. Er stellt mir die thailändische Fanbotschafterin vor, die in einer Ecke sitzt, wo sich die meisten Thai-Fans tummeln.
Sie erklärt, dass ein grosser Teil der dortigen Fans Familienangehörige der Spieler seien, aber auch sonstige Staatsbürger Thailands, die in der Schweiz, Schweden oder Finnland wohnen. Und sofort sprudelt es aus ihr heraus, sie müsse gleich etwas loswerden: dass die Schiedsrichter bei Thailands Spiel gegen Kanada (4:9-Niederlage) aus Singapur gekommen seien und sie heute gegen Singapur spielen, das fände sie eine Frechheit. Und es wäre wichtig, wenn das jemand dem Unihockey-Weltverband (IFF) mal sagen würde.
Ich verspreche ihr, mein Bestes zu geben und lenke das Gespräch zurück auf das Spiel. Der Fanbotschafterin gefällt der Auftritt ihrer Mannschaft: «Sie spielen sehr gut und sind heute sehr effizient», stellt sie zufrieden fest. In Thailand sei Unihockey erst seit etwa sieben oder acht Jahren am Aufkommen. «Aber wir machen schnell Fortschritte und können deshalb bereits hier mitspielen», freut sie sich.
Auch von der Kulisse – 1659 Fans beobachten das Spiel – sind die thailändischen Fans begeistert. «Wir sind es nicht gewohnt, in so grossen Hallen und vor so vielen Leuten zu spielen.» Einen nochmaligen Seitenhieb in Richtung des heutigen Gegners kann die Fanbotschafterin sich nicht verkneifen: «Wir spielen in kleinen Hallen, nicht wie Singapur mit dem vielen Geld.»
«Dass so viele Kinder da sind, ist wunderbar. Wir können ihnen Thailand und den Unihockeysport näher bringen», erklärt die Thailänderin. Und die Schweizer Kinder seien grossartig, so wie sie für Stimmung sorgen würden. Thailand gewinnt am Ende mit 11:7 und muss, obwohl es das Spiel über weite Strecken kontrolliert hat, nach zwischenzeitlichem 7:2-Vorsprung phasenweise noch zittern.
Nach 60 Minuten Unihockey wird klar: Die Kinder haben mittlerweile beide Mannschaften ins Herz geschlossen. Sie feiern Sieger Thailand genauso wie Singapur, das heute als Verlierer vom Feld geht, aber nicht ohne sich noch einmal bei den jungen Fans zu bedanken. Es ist offensichtlich, dass dieser Moment auch für die Spieler ein spezieller ist. 63 Schulklassen und insgesamt 1499 Schüler haben die WM-Organisatoren am Montag nach Winterthur eingeladen. Und so wurde aus einem Spiel, das sonst eher eine triste Affiche zweier chancenloser Aussenseiter gewesen wäre, ein wahres Unihockeyfest.