2014 wurde Nikola Jokic von den Denver Nuggets im NBA-Draft an 41. Stelle ausgewählt. Er selbst verschlief damals den Draft und wurde von seinem in den USA lebenden Bruder über die Wahl informiert. Dass dem Center aus Serbien niemand wirklich eine grosse Karriere zutraute, wurde durch den Umstand, dass TV-Sender ESPN, während die Nuggets Jokic auswählten, gerade einen Werbespot von Taco Bell zeigte, ziemlich deutlich.
There will never be a greater underdog story than 2x MVP Nikola Jokic being drafted during a Taco Bell “Quesarito” ad pic.twitter.com/Itf3Lz1s3D
— Trung Phan (@TrungTPhan) May 23, 2023
Nun, neun Jahre später, endete im April zwar die Ära des damals von Taco Bell beworbenen Quesarito, doch der Stern des 2,11 Meter grossen Centers scheint dafür heller denn je. Denn Jokic führte die Nuggets gemeinsam mit Point Guard Jamal Murray und dem ehemaligen Slam-Dunk-Champion Aaron Gordon in den ersten NBA-Final der Franchise-Geschichte.
In einem Interview mit ESPN antwortete der Serbe, darauf angesprochen, ob er in seiner Jugend wirklich so viel Coca-Cola trank, wie es ein Gerücht besagte: «Ja, vielleicht drei Liter am Tag.» Allerdings immer erst nach den Trainingseinheiten, doch dann trank er «Glas um Glas». Jokic weiter: «Ich konnte nicht damit aufhören.» Gewichtsprobleme prägten die Jugend des heute 28-Jährigen. Seinen letzten Schluck Cola genoss er dann auf seinem ersten Flug nach Denver, seither konnte er der Verführung widerstehen.
Pic of Nikola Jokic (the Joker) as a child.
— Duck Fisney 🇺🇸🇺🇸🇺🇸 (@fisney_duck) May 21, 2023
This chubby kid is now one game away from ending LeBron James quest for another championship pic.twitter.com/mePBoU5Kzl
In seiner Heimat galt der «Joker» früh als grosses Talent. Der serbische Scout Branimir Tomic sah damals «einen Basketballspieler, der alle Aufgaben während eines Spiels mit Leichtigkeit lösen kann». Jokic wurde damals schon als «Naturtalent» angesehen. Dennoch wurde er nicht einmal zu den besten 100 Talenten Serbiens gezählt.
Der heutige Nuggets-Star schloss sich dem serbischen Team Mega Vizura an und wurde hier mithilfe eines Fitnessprogramms auch körperlich in Form gebracht. Sein damaliger Trainer Branislav Vicentic schwärmt in höchsten Tönen vom NBA-Star: «Was sofort ins Auge stach, war der Umstand, dass er mit dem Ball keine Fehler machte. Er hatte mit dem Ball in der Hand eine Ruhe, die man nicht lernen kann, hinzu kam sein naturgegebenes Spielverständnis.»
Die grossen europäischen Klubs, der FC Barcelona oder Partizan Belgrad, hatten allerdings immer noch Zweifel und nahmen Abstand von einer Verpflichtung. Doch Tim Connelly, dem damaligen Manager der Denver Nuggets, gefielen die Anlagen Jokics. Connelly war davon überzeugt, dass in Jokic ein NBA-Spieler steckt.
Auch heute noch wirkt Jokic von seinem Erscheinungsbild her nicht wie ein Vorzeigeathlet. Zwar ist er nicht mehr so pummelig wie in seiner Jugend, doch ein Kraftpaket ist der Serbe auch nicht. Er ist der komplette Gegensatz zu den anderen Superstars der Liga wie Giannis Antetokounmpo, Kevin Durant oder LeBron James. Der Serbe ist weder besonders schnell, noch kann er wahnsinnig hoch springen. Er ist nicht der Spielertyp, der einen mit spektakulären Dunks die Gesetze der Physik infrage stellen lässt.
Der 28-Jährige glänzt mit seiner Spielintelligenz. Sein Mitspieler Zeke Nnaji sagte über die Spielweise des Centers: «Wenn er den Ball in den Händen hat, musst du immer bereit sein. Egal, wo du dich gerade auf dem Feld befindest, er wird dich finden.» Jokic gelang in den diesjährigen Playoffs, was vor ihm nur NBA-Legende Wilt Chamberlain gelungen war. Der Serbe kam in den letzten beiden Playoff-Serien gegen die Phoenix Suns und die Los Angeles Lakers im Schnitt auf ein Triple-Double (zweistellige Anzahl an Punkten, Rebounds und Assists).
Nikola Jokic joins Wilt Chamberlain (1967) as the only players in NBA history to average a triple-double in back-to-back Playoff series. pic.twitter.com/urD6ZccP3q
— NBA History (@NBAHistory) May 23, 2023
Die komplette Familie Jokic ist basketballbegeistert. Seine beiden Brüder spielten ebenfalls – sein ältester Bruder Strahinja war Profi in Europa, Nemanja ging mit einem gewissen Darko Milicic zusammen in die USA. Milicic wurde 2003 im NBA-Draft, direkt nach LeBron James und noch vor Grössen wie Carmelo Anthony, Chris Bosh oder Dwayne Wade, gepickt. Doch eine grosse Karriere legte Milicic später nicht hin.
So kam Nikola Jokic zwangsweise zum Basketball, obwohl er auch an anderen Sportarten wie Fussball, Wasserball und Pferderennen Interesse zeigte. Da dem jungen Nikola das Spiel über das ganze Feld allerdings zu anstrengend war, spielte er häufig Drei-gegen-Drei auf einem Halbfeld. Wenig laufen, schnelle Entscheidungen und viel mehr Platz für Kreativität. Diese gehört heute zu den grossen Stärken des Centers. Nicht umsonst ist er bereits der beste Vorbereiter in der Geschichte der Denver Nuggets.
Individuelle Titel konnte Jokic bereits mehrfach gewinnen. Zweimal wurde er zum Most Valuable Player gewählt (2021 und 2022). Nie zuvor wurde ein Spieler, der im Draft so spät ausgewählt wurde, zum MVP. Für diesen Award interessiert er sich aktuell allerdings nicht mehr, nun will er die Larry-O'Brien-Trophäe, die es für den NBA-Titel gibt. Nachdem die Denver Nuggets 2020 in den Western Conference Finals noch an LeBron James und den Los Angeles Lakers gescheitert waren, wurde diese Hürde in dieser Saison bravourös genommen.
Jokic war, wie die «Los Angeles Times» titelte, eine zu grosse Hürde für die Lakers. Auch Lakers-Superstar LeBron James war nach dem Aus voll des Lobes für den gegnerischen Center: «Es gibt nur wenige Spieler in der Liga, die das Spiel auf diese Art und Weise spielen können. Eine Art und Weise, die auch ich gerne spiele. Er ist einer davon. Aufgrund seiner Fähigkeiten, Körbe zu erzielen, zu rebounden und zu werfen ist es immer schwer, ihn zu verteidigen. Er sieht Spielzüge, bevor sie passieren. Es gibt nur wenige Spieler wie ihn.»
What a tough shot by Jokic 😮💨 pic.twitter.com/qmeHcAHe8S
— NBA on ESPN (@ESPNNBA) May 23, 2023
Nun stehen der grossgewachsene Serbe erstmals in seiner Karriere und die Denver Nuggets erstmals in ihrer Historie in den NBA-Finals. Der Gegner ist noch offen, allerdings führen die Miami Heat in der Serie gegen die Boston Celtics bereits mit 3:1 und sind nur noch einen Sieg vom Finaleinzug entfernt.
Auch in den Finals hoffen die Denver Nuggets wieder auf ihren Joker, der sich mit dem NBA-Titel endgültig in den Geschichtsbüchern verewigen würde. Dann würde er endgültig in einer Reihe mit den anderen beiden grossen europäischen MVPs und NBA-Champions, Dirk Nowitzki und Giannis Antetokounmpo, stehen.