«Krass», «cool», «unglaublich» – Schweizer Abfahrerinnen über Lindsey Vonns Triumph
Es ist eine der letzten Stationen, bevor es zur Siegerehrung geht. Lindsey Vonn, die schon unzählige Gratulationen entgegengenommen hat, stellt sich noch einmal einer Handvoll Medienschaffender – und lächelt. Heute ist ihr grosser Tag. Sie hat dem Druck standgehalten, den sie sich zwei Tage zuvor selbst auferlegt hatte, als sie optimistisch verkündet hatte: «Ich fühle mich grossartig, und körperlich bin ich vielleicht in der besten Form meines Lebens.»
Dies hat Vonn im ersten Speed-Rennen der Saison eindrucksvoll bestätigt und die Konkurrenz klar distanziert. Damit steht sie gut ein Jahr nach ihrem überraschenden Comeback dort, wo sie es sich gewünscht hatte: ganz oben auf dem Podest. «Viele Leute haben gesagt, dass ich das nicht schaffen werde. Aber ich wusste, was für mich möglich ist. Und jetzt wissen es auch alle anderen», sagt die nun älteste Weltcup-Siegerin mit sichtlicher Genugtuung.
Mit Schweizer Hilfe zum Erfolg
Dass Vonn, die im Februar 2019 nach vielen Verletzungen und einer langen Leidensgeschichte zurücktrat, mit 41 Jahren erneut zur Siegerin wird, ist mehr als aussergewöhnlich. Denn einige ihrer heutigen Konkurrentinnen waren noch nicht einmal geboren, als sie im Jahr 2000 ihr Weltcupdebüt gab.
Dazu gehört unter anderem die 21-jährige Malorie Blanc. «Es ist einfach unglaublich», sagt die Walliserin, die Rang 13 belegte, über die Leistung der Amerikanerin. «Ich finde es cool, dass sie es allen Zweiflern gezeigt hat. Respekt.»
Ähnlich klingt es bei Jasmine Flury, die in St. Moritz ihr Comeback nach langer Verletzungspause gegeben hat. «Crazy. Ihre Linie muss ich mir später in Ruhe noch anschauen.» Und auch Janine Schmitt sagt über die überlegene Siegerin: «Krass, wie sie die Kurven voll durchgezogen hat.»
Auch Coach Svindal ist beeindruckt
Dass Vonn in St. Moritz so deutlich triumphierte, liegt auch an einer Vereinbarung mit dem Schweizer Verband. Die Amerikanerinnen konnten in der Woche zuvor gemeinsam mit den Schweizerinnen auf der Corviglia trainieren – so wie zuvor die Schweizerinnen bei der Vorbereitung in Copper Mountain, Colorado, von bestimmten Vorteilen profitiert hatten.
Mit ihrer Fahrt begeisterte Vonn neben ihren Konkurrentinnen auch Trainer Aksel Svindal. «Was soll man da noch sagen? Sie ist extrem gut gefahren», meint der ehemalige norwegische Abfahrer, der auf diese Saison hin zu ihrem Coaching-Team gestossen ist. Seine letzten Worte an die Athletin seien gewesen, dass im unteren Streckenteil noch viel Zeit herauszuholen sei – und genau das hat Vonn umgesetzt.
Der nächste Sieg winkt
Dass ihr St. Moritz liegt, ist bekannt. Bereits in ihrer «ersten Karriere» erreichte sie im Engadin zehnmal das Podest. «Die zweite Hälfte der Strecke ist voll auf ihre Fähigkeiten zugeschnitten», sagt Svindal. Gleichzeitig traut er Vonn zu, in dieser Saison noch öfter zu brillieren. «Wir sind sehr, sehr gut vorbereitet. Jetzt stehen fünf Speed-Rennen bis Weihnachten an, das sind fünf Chancen auf den Sieg. Den ersten Schritt haben wir gemacht.» Schon am Samstag ist in St. Moritz die nächste Abfahrt.
Auch Vonn lässt in ihrer Analyse durchblicken, dass sie grosse Ziele verfolgt. «Es ist der perfekte Start. Ich bin bereit für diese Saison und für die Olympischen Spiele.» In Cortina will sie nach Vancouver 2010 (Gold in der Abfahrt, Bronze im Super-G) und Pyeongchang 2018 (Bronze in der Abfahrt) erneut eine Medaille gewinnen.
Danach könnte Schluss sein. Sollte sich jedoch die Chance auf eine Kristallkugel ergeben, wird sie die Saison bis zum Ende bestreiten. Nach diesem Auftaktsieg ist die Wahrscheinlichkeit dafür deutlich gestiegen. (ram/sda)
