Er zweifelt und klagt – auch an diesem Sonntag wieder. Im kleinen Kreis mit ein paar österreichischen Journalisten holte Marcel Hirscher nach dem Slalom zur Breitseite gegen die FIS aus, nachdem er auf Anna Veith und die Verletzungsmisere im österreichischen Frauenteam angesprochen worden war.
Viel zu dicht sei der Rennkalender, gesundheitsgefährdend, nicht vorschriftsgemäss, eine Zumutung, sagte der Seriensieger. Es sei nichts als logisch, dass sich unter diesen Bedingungen so viele Athleten verletzen würden.
Er und seine männlichen Kollegen seien am Dienstag in Zagreb gefahren und nun in Adelboden vier Läufe innert 24 Stunden. «Wir sind am Limit! Als ich gestern um 21 Uhr im Hotel war, fiel ich um», so Hirscher weiter.
Er zweifelt und klagt – und siegt und siegt. Denn eines ist trotz des kräftezehrenden Renn- und Reiseprogramms gewiss: Stehen technische Rennen an, führt kaum ein Weg an Marcel Hirscher vorbei. Nur in zwei der zehn Slaloms oder Riesenslaloms des Winters war der Salzburger nicht der Sieger. Am Sonntag feierte er im Slalom von Adelboden seinen 67. Weltcupsieg – bei Dauerschneefall, der im Zielhang im zweiten Lauf in Schneeregen überging, bei schlechter Sicht und auf ramponierter Piste.
67 vittorie in Coppa del Mondo 🏆
— Eurosport IT (@Eurosport_IT) 13. Januar 2019
9 vittorie in carriera ad Adelboden 👑🇨🇭
9 successi stagionali 💪🇦🇹
Marcel Hirscher si prende anche lo slalom di Adelboden: chi lo ferma più? #EurosportSCI | https://t.co/yeuDfRYfGo pic.twitter.com/lHUsYNfBiu
Hirscher gewann zum dritten Mal am geschichtsträchtigen wie herausfordernden Chuenisbärgli das Double. Mit nun neun Siegen und 16 Podestplätzen in Adelboden ist er so erfolgreich wie kein anderer am selben Ort. Aksel Lund Svindal hält in Beaver Creek bei acht Siegen, Ingemar Stenmark hat seinerzeit in Madonna di Campiglio achtmal triumphiert.
Die Differenz, diesmal betrug sie eine halbe Sekunde, schuf Hirscher abermals mit einer fast nicht zu toppenden Bestzeit im zweiten Lauf. «All-out» sei das gewesen, kommentierte Hirscher. Obwohl er voll angriff, wirkte die Fahrt nicht riskant. Zwischen ihn und den am Samstag zaudernden und am Sonntag resignierenden Dauerrivalen Henrik Kristoffersen schob sich diesmal Clément Noël.
Der 21-jährige Franzose, dem Hirscher wie tags zuvor dem Schweizer Marco Odermatt eine goldene Zukunft mit Gesamtweltcup- und Olympiasiegen voraussagte, schaffte es nach zwei 4. Plätzen erstmals auf ein Weltcup-Podest.
Die Schweizer nutzen ihr Slalom-Hoch nicht zum erhofften Podestplatz, aber zum besten Ergebnis seit mehr als zehn Jahren. Er sah ein bisschen aus wie ein begossener Pudel, sein breites Grinsen aber verriet, dass Ramon Zenhäusern mehr als glücklich über diesen 5. Platz am legendären Chuenisbärgli war. Im Dauer-Schneeregen liess sich der 2-Meter-Mann aus dem Wallis von den 11'000 Zuschauern feiern, die den Bedingungen trotzten. Danach sagte er: «Ich bin nass bis auf die Unterhose, aber sehr glücklich.»
Stolz präsentierte er seine Trophäe, eine verzierte Kuhglocke. «Ein wunderschönes Andenken, genauso schön wie die Olympiamedaille», kommentierte der Slalom-Olympiazweite von Pyeongchang. Als Neunter war Zenhäusern in den zweiten Lauf gegangen. Er griff voll an, es ging auf. Eine Sekunde Vorsprung hatte er im Ziel. «Reicht das für den Sprung auf das Podest?» schoss es Zenhäusern durch den Kopf. Die Abstände nach dem ersten Lauf waren nicht allzu gross, seine Fahrt sehr gut.
Es reichte ihm um 26 Hundertstel nicht, was Zenhäuserns Freude nicht trübte: «Ich will mich nicht beklagen. Mit einer Sekunde Vorsprung ins Ziel zu kommen in Adelboden, ist etwas vom Schönsten. Und so viele 5. Plätze hatte ich noch nicht», sagte der Walliser, der seit seiner Daumen-Operation kurz vor Weihnachten mit einer Spezialschiene an der Hand fährt, die ihn beim Start noch etwas behindert. (ram/sda)