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WM 2018

Aliou Cissé ist das Gesicht Afrikas Trainergeneration

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Hat Grosses vor: Senegals Trainer Aliou Cissé.Bild: AP/AP

Senegals Nationaltrainer will Afrikas Fussball revolutionieren

Er ist das Aushängeschild der neuen afrikanischen Trainergeneration: Aliou Cissé, Coach der senegalesischen Nationalmannschaft, Träger einer Hipsterbrille und wirrer Dreadlocks. Nun will der 42-Jährige – 16 Jahre nach Senegals grösstem WM-Erfolg – wiederholen, was er damals als Captain vorgemacht hat.
20.06.2018, 07:1620.06.2018, 12:35

Mai 2002. Senegal steht zum ersten Mal überhaupt an einer WM-Endrunde. Zum Auftakt wartet auf den Exoten gleich Titelverteidiger Frankreich. Es folgt eine der grössten Überraschungen des Fussballs.

«Die Löwen von Teranga», wie man Senegals Fussballnati nennt, bezwingen den haushohen Favoriten mit 1:0 und stossen danach bis in den Viertelfinal vor. Trainer Bruno Metsu wird gefeiert. Sein Captain beim WM-Auftakt: Der 26-jährige Aliou Cissé.

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Senegal kommt 2002 aus dem Feiern nicht heraus. Ganz links auf dem Bild lächelt der 26-jährige Aliou Cissé.Bild: AP/AP

Juni 2018. 16 Jahre nach dem Coup an der WM in Japan und Südkorea steht Senegal wieder an einer WM-Endrunde. Im letzten Spiel der ersten Runde treffen die Senegalesen auf Gruppenfavorit Polen. Dank eines mutigen Auftritts besiegen die Afrikaner Polen mit 2:1. Bekanntester Name der Equipe: Liverpool-Star und Nati-Captain Sadio Mané. Sein Trainer: der 42-jährige Aliou Cissé.

Senegal's head coach Aliou Cisse listens the national anthem ahead the group H match between Poland and Senegal at the 2018 soccer World Cup in the Spartak Stadium in Moscow, Russia, Tuesday, Jun ...
Stolzer Nationaltrainer Senegals: Aliou Cissé.Bild: AP/AP

Harte Schicksalschläge

Bis Aliou Cissé jedoch als Nationaltrainer Senegals seine Hand stolz auf seine Brust drücken und derart erfolgreich in die WM starten kann, muss der Mann aus Ziguinchor im Südosten Senegals einiges durchmachen.

Kurz nach der WM 2002 verliert der Spieler von Birmingham City mehr als ein Dutzend engster Familienmitglieder. Bei der Joola-Katastrophe vor der Küste Gambias geht eine Fähre mit rund 1200 Menschen unter – darunter Cissés Liebsten. Der Mittelfeldspieler lässt sich jedoch nicht unterkriegen, Cissé lernt, sich auch unter harten Bedingungen durchzusetzen, was seinen aggressiven Spielstil bis zum Schluss seiner Karriere als Spieler in Europas Topligen prägt.

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Cissé musste einiges durchmachen.Bild: EPA/PAP

2013 der nächste Schickssalschlag. Bruno Metsu, Senegals Trainer von 2002, verstirbt an Krebs. Metsu hat grossen Anteil daran, dass 16 Jahre nach seinem Exploit Senegal wieder an einer WM steht. Das weiss auch sein späterer Nachfolger Cissé, der im Vorfeld der WM 2018 sagt: «Heute sind meine Gedanken bei Bruno. Er schaut auf uns, seine Energie wird uns tragen.»

Neue afrikanische Trainergeneration

An der Weltmeisterschaft in Russland steht Cissé nun als einer von zwei Afrikanern an der Seitenlinie. Der Mann mit den langen Dreadlocks ist der Exot unter den WM-Trainern. Ein Exot, der jedoch eine der wichtigsten Persönlichkeiten in der Fussballszene des westafrikanischen Staates darstellt.

Cissé gilt als Aushängeschild der neuen afrikanischen Trainergeneration, die es vor einigen Jahren noch gar nicht gegeben hat. Dass beim Afrika-Cup 2017 gleich vier von 16 Trainern Einheimische waren, war vor wenigen Jahren noch undenkbar.

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Der Deutsche Gernot Rohr trainiert an der WM 2018 die nigerianische Nationalmannschaft.Bild: EPA/EPA

Für Cissé ist jedoch klar, dass europäische Trainer bei afrikanischen Teams – wie beispielsweise Gernot Rohr bei Nigeria – keine Zukunft haben. «Ich weiss ganz genau, was der Senegal benötigt», meint er bei seinem Amtsantritt 2015 –  und holt mit Tony Sylva, Omar Daf und Lamine Diatta gleich drei Teamkollegen von 2002 mit ins Boot. «Wir wissen doch am besten, wie unsere Landsleute ticken.»

«Ich bin mir sicher, dass afrikanische Teams in Zukunft Weltmeister werden.»
Aliou Cissé

Im Vorfeld der WM in Russland unterstreicht der engagierte und ambitionierte Trainer Senegals seine Meinung: «Der afrikanische Fussball hat sich entwickelt. Wir glauben an unseren Fussball, wir haben keine Komplexe und wir haben grossartige Spieler. Was es jetzt noch braucht, um unseren Fussball weiterzubringen, sind afrikanische Coaches.»

Positiv in die Zukunft

Kein Wunder blickt der ehemalige Spieler von Lille, Paris Saint Germain und Birmingham City positiv in die Zukunft. «Der afrikanische Kontinent ist voller Qualität. Mannschaften wie Senegal oder Nigeria werden irgendwann in der Lage sein, Weltmeister zu werden», sagt Cissé noch vor dem WM-Auftakt gegen Polen.

Mit dem Sieg gegen Polen hat Senegals empathischer Trainer den ersten Schritt in diese Richtung gemacht. Wie vor 16 Jahren liegt die Achtelfinalqualifikation im Bereich des Möglichen. Einziger Unterschied: Aliou Cissé gibt sich mit solchen Achtungserfolgen nicht zufrieden. Er will Senegal an die Weltspitze führen. Mit oder ohne Hipsterbrille und langen Dreadlocks.

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9 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Koala91
20.06.2018 09:39registriert Oktober 2017
Grandioser beitrag! Er klingt an einen grossen wunsch in mir an: afrika muss aufhören sich von grosskonzernen ausbeuten zu lassen und einen eigenen weg finden, wie es mit den grossen playern mitmischen kann, ohne ihre vielfältige kultur abzustreifen. Ich bin überzeugt, eine fairere welt kann nicht an afrika vorbei und positive züge ihrer kultur könnten uns wirklich gut tun: bunt, fröhlich und locker leben.
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Bivio
20.06.2018 10:19registriert März 2018
Die afrikanischen Teams haben 2 Nachteile:

1) Das Gefälle innerhalb der Mannschaft ist sehr oft riesig. Man hat absolute Superstars und daneben Spieler, welche in nicht mal in Europa spielen. Dann liegt die Last ganz allein auf den 1-2 Stars, welche gegen starke Gegner nicht alles alleine reissen können.

2) Jeder Trainer, welcher in Afrika gearbeitet hat, sagt, dass die Disziplin ein grosses Problem ist. Auf und neben dem Platz. Dies muss sich ändern.

Eine neue afrikanische Trainergeneration, welche in Europa ausgebildet wurde und diese 2 Punkte ändern kann, hat grosses Potential.
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