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Putin lässt seine Muskeln spielen – aber was will er?

Zeigt dem Westen den Mittelfinger: Wladimir Putin.
Zeigt dem Westen den Mittelfinger: Wladimir Putin.bild: Montage watson
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Der russische Präsident lässt die Muskeln spielen – aber was will er?

In Grossbritannien lässt Wladimir Putin einen Ex-Spion vergiften und in den USA Atomkraftwerke hacken. Was soll das alles?
17.03.2018, 13:2117.03.2018, 14:09
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Der Giftanschlag auf den ehemaligen russischen Spion Sergei Skripal kann nur auf eine Weise interpretiert werden: Wladimir Putin zeigt dem Westen den Mittelfinger. Dass der russische Geheimdienst hinter diesem Anschlag steckt, ist so offensichtlich, dass Putin einen Bekennerbrief hätte hinterlassen können.

In einer Lügen-Liga mit Trump

Stattdessen setzt Putin sein übliches Pokerface auf und streitet alles ab. Doch der russische Präsident behauptete einst auch, es gäbe keine russischen Truppen auf der Krim, die schwer bewaffneten Soldaten in der Ostukraine seien freiwillige Rebellen und die Hackerangriffe auf die USA aus der Luft gegriffene Propaganda. Wenn es ums Leugnen geht, ist Putin genauso unverfroren wie Trump.

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Unerschrocken: Oppositionsführer Alexej Nawalny bei einer Demonstration in Moskau.Bild: AP/AP

Kurz vor seiner Wiederwahl als russischer Präsident strotzt Putin vor Selbstvertrauen. Die Wahlen sind ohnehin eine Farce. Der einzige ernsthafte Konkurrent, Alexej Nawalny, darf gar nicht antreten. Die Medien sind längst gleichgeschaltet, eine Opposition existiert nicht.

Putin will Russland wieder in den Stand einer Grossmacht erheben, die auf Augenhöhe mit den USA verhandeln kann. Dabei schreckt er vor nichts zurück. Die Krim hat er völkerrechtswidrig annektiert. Mit Bomben auf die Zivilbevölkerung hat er das Regime von Baschar al-Assad stabilisiert.

Kürzlich hat der russische Präsident mit neuen Atomwaffen geprahlt. Gemäss «Newsweek» lässt er seine Vasallen derzeit am TV darüber spekulieren, ob er in einem Krieg die Ukraine erobern und grosse Teile der Bevölkerung deportieren oder gar umbringen soll.

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Der Ex-Spion Sergej Skripal beim Prozess in Moskau.Bild: EPA/KOMMERSANT

Aber weshalb lässt Putin seinen Geheimdienst einen ehemaligen Spion, der die Seiten gewechselt hat, vergiften? Einerseits wohl, um damit zu demonstrieren, dass er es kann und dass er dafür nicht belangt werden kann. Mit dem Mord an Alexander Litwinenko, der in London mit Polonium vergiftet wurde, hat er dies bereits einmal bewiesen.

Der Anschlag auf Skripal ist mehr als eine Machtdemonstration. Putin will ganz gezielt die europäischen Länder auseinanderdividieren. Grossbritannien ist im Begriff, die EU zu verlassen, der Brexit eine grosse Belastung für die europäische Einheit. Ein guter Zeitpunkt also, die ohnehin angezählte britische Premierministerin Theresa May noch mehr unter Druck zu setzen.

Den Ausgang der italienischen Wahlen wird Putin ebenfalls mit Genugtuung zur Kenntnis genommen haben. Der Sieg der EU-feindlichen Populisten wird für weitere Bauchschmerzen in Brüssel und für Freude in Moskau sorgen.

Cyberattacken auf US-Atomkraftwerke

Putin ist seinem Ziel, die EU zu crashen, einen weiteren Schritt näher gekommen. Viel Gegenwehr von der anderen Seite des Atlantiks hat er nicht zu befürchten. Donald Trump zeigt nach wie vor wenig Lust, ernsthaft gegen die russischen Cyberattacken vorzugehen.

Dabei verschärft sich die Lage zusehends. Die «New York Times» hat soeben berichtet, dass das amerikanische Department of Homeland Security die Betreiber von Atomkraftwerken davor warnt, dass russische Hacker sich bei ihnen eingenistet haben. «Sie waren drin», sagt Eric Chien von der Sicherheitsfirma Symantec. «Sie haben die Möglichkeit, den Strom abzustellen.»

Hat Putin sich verzockt?

US-Präsident Trump reagiert nach wie vor lauwarm auf diese Angriffe. Zu sehr ist er mit dem Chaos im Weissen Haus beschäftigt und damit, sich den Sonderermittler Robert Mueller vom Hals zu halten. Dieser verlangt mittlerweile, dass die Trump Organisation Dokumente über allfällige Geschäfte mit Russland herausrückt, etwas, das Trump bisher ausdrücklich verweigert hat.

Britain's Prime Minister Theresa May views the area where former Russian double agent Sergei Skripal and his daughter were found critically ill, in Salisbury, England, Thursday, March 15, 2018. M ...
Hat entschlossen reagiert: Premierministerin Theresa May.Bild: AP/Pool Reuters

Allerdings könnte sich Putin auch verzockt haben. Trotz Brexit hat die EU überraschend geschlossen auf den Giftanschlag reagiert und Theresa May ihre Unterstützung zugesagt. Selbst aus Washington sind erstmals klare Warnungen zu hören. Die Gefahr aus Russland wird zunehmend nicht nur erkannt, sondern auch ernst genommen.

Das ist auch nötig. «Trotz seiner wirtschaftlichen Schwäche sind Russlands militärische Macht und seine rücksichtslose Feindschaft gegen die Normen des internationalen Verhaltens eine Gefahr für den Frieden und die Demokratie in Europa», stellt Philip Stephens in der «Financial Times» fest. «Der russische Präsident glaubt, dass der Westen das Vertrauen in seine Werte verloren hat. Ein Versagen, entschlossen seinen Aggressionen entgegenzutreten, würde ihm recht geben.»

Putin stellt sein neues Atomwaffen-Arsenal vor

Video: srf
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115 Kommentare
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Posersalami
17.03.2018 14:48registriert September 2016
"Dass der russische Geheimdienst hinter diesem Anschlag steckt, ist so offensichtlich, dass Putin einen Bekennerbrief hätte hinterlassen können."

Es wäre schön, wenn es so einfach wäre..

Der verwendete Kampfstoff ist schon lange nicht mehr exklusiv russisch, wie sogar die NZZ schreibt:

"Zudem waren nicht alle Kampfstoffe im Land selbst gelagert; die Produktionsstätte für Nowitschok in Usbekistan war mehrere Jahre kaum unter staatlicher Kontrolle, bevor die Chemiewaffenbestände ab 1999 mit amerikanischer Hilfe zerstört wurden."
https://tinyurl.com/ya4acact
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Ueli der Knecht
17.03.2018 15:12registriert April 2017
Dieser Artikel gehört mE. eher in die Rubrik "Propaganda" als unter "Analyse". Es scheint die notwendige Distanz zu fehlen, um die Vorfälle bezüglich diesem Mordversuch sachlich, nüchtern und seriös zu analysieren. Offenbar hat niemand in der Redaktion bemerkt, dass das Timing just auf das 87. Treffen der OPCW fällt, die an sich ausschliesslich legitimiert und befähigt wäre, solche Vorfälle (mit chemischen Waffen) zu untersuchen. Es wäre jedenfalls augenfällig, dass wegen dem britischen Theater vorgesehene und wichtige Themen und Beschlüsse der OPCW nun von der Agenda verdrängt wurden.
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Statler
17.03.2018 17:08registriert März 2014
Und wo genau ist jetzt hier die Analyse? Im ersten Abschnitt wird bereits klar gemacht, wer hinter den Anschlägen steckt (notabene ohne jegliche handfesten Beweise zu liefern). Die Möglichkeit, dass ev. noch andere Strippenzieher Interesse daran haben könnten Zwietracht zu säen wird von vornherein ausgeschlossen.
Gut möglich, dass Putin dahintersteckt (die Wahrscheinlichkeit ist sogar gross). Deshalb aber alle anderen Möglichkeiten a priori auszuschliessen, ist mir einfach zu undifferenziert.
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